Corona-Pandemie im Grenzgebiet Verschärft der Nachbar die Gefahr ?

Kranenburg/Kleve · Kranenburg wird täglich von niederländischen Kauftouristen besucht – nicht nur Autos mit gelben Kennzeichen zeugen davon. Auf die sonst gern gesehenen Gäste von jenseits der Grenze schaut man derzeit mit gemischten Gefühlen.

 Die Gemeinde Kranenburg ist derzeit für Besucher aus den Niederlanden noch attraktiver geworden. Denn jenseits der Grenze sind Restaurants und Cafés geschlossen.

Die Gemeinde Kranenburg ist derzeit für Besucher aus den Niederlanden noch attraktiver geworden. Denn jenseits der Grenze sind Restaurants und Cafés geschlossen.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Es sind die Zahlen, die in der aktuellen Situation für Unsicherheit in der Bevölkerung sorgen. Die Menge der mit dem Coronavirus Infizierten wird größer. Corona, wird ebenso gebetsmühlenartig wie unwiderlegbar betont, mache an der Grenze nicht halt. So machen sich auch Bürger im Grenzgebiet zu den Niederlanden verstärkt Sorgen vor einer Ansteckung. Warum? Weil die in Relation zur Einwohnerzahl an Covid-19-erkrankten Niederländer in etlichen Regionen wesentlich höher ist als hierzulande. So auch in der Gemeinde Berg en Dal, die an Kranenburg grenzt.

Das niederländische Gesundheitsministerium teilte in der letzten Woche mit, dass es in den vergangenen 14 Tagen 214 Neuinfektionen in der Gemeinde Berg en Dal gab (die offizielle niederländische Statistik wird über einen Zeitraum von 14 Tagen ermittelt). Der Inzidenzwert, also der Wert der in den letzten 14 Tagen neu gemeldeten Fälle pro 100.00 Einwohner, liegt in Berg en Dal bei 611,6. Berg en Dal hat 34.700 Einwohner und ist, was die Einwohnerzahl betrifft, mit der Stadt Goch vergleichbar (34.000 Einwohner). Gegenüber Berg en Dal, 214 Neuinfektionen, gab es in Goch 29 im selben Zeitraum. Ein Unterschied von 185. Berg en Dal gehört in den Niederlanden zur zweithöchsten Warnstufe. In Kranenburg befinden sich aktuell sechs positiv getestete Personen in Quarantäne.

30 Prozent der in Kranenburg lebenden Bürger haben einen niederländischen Pass. Doch machen sie weit mehr als die Hälfte der Bewohner aus, die sich infiziert haben. Wohl auch dadurch bedingt, dass viele jenseits der Grenze arbeiten.

Seit Jahren zieht es Scharen auch niederländischer Kauftouristen nach Kranenburg – und die Zahl wächst derzeit weiter. Ein Grund dafür ist, dass es im Nachbarland seit dem 14. Oktober keine Möglichkeit mehr gibt, ins Café oder Restaurant zu gehen. Den Trend bestätigen auch die Niederländer Arie de Wit (73) und Ben Giesbers (74). Das Duo sitzt im Café Derks am Kranenburger Marktplatz. Sie tragen Rennradkleidung, essen Apfelkuchen und trinken schwarzen Kaffee. Neben der Tasse liegen ihre Masken. „Es ist so. Seitdem es bei uns keine Möglichkeit mehr gibt, sich außerhalb der Wohnung gemütlich zu treffen, sind mehr Niederländer in Deutschland unterwegs“, sagt Giesbers. Die durchtrainierten Radfahrer kommen viel herum. So fährt Arie de Wit 10.000 Kilometer im Jahr. Jenseits der Grenze werden Kilometer abgespult, die Pausen werden hierzulande gemacht.

Dass die Zahl der Gäste aus den Niederlanden steigt, bestätigt auch Franz Vierboom (62) vom Caféhaus Niederrhein am alten Bahnhof. „Die Zahl ist nicht exorbitant gewachsen, aber es sind in der jüngeren Vergangenheit mehr geworden.“ Vierboom hat für die Zeiten von Corona das Innere seines Lokals geschlossen. Der Bahnsteig ist mit einer wetterfesten Plane überdacht, Heizpilze sorgen für Wärme und Gäste. André Derks von der gleichnamigen Bäckerei betreibt unter anderem das Café, in dem die beiden Rennradfahrer Pause machten. Die Zahl der niederländischen Gäste war hier schon immer hoch. „Es stimmt, dass zu uns viele Holländer kommen, aber durch die Reduzierung der Plätze sind es weniger.“

Andere Lokale in Kranenburg stören die neuen Vorschriften, wie etwa die Sperrstunde um 23 Uhr, nicht. Ins Restaurant „El Toro“ am Markt pilgern die Niederländer seit Jahren. Um die Uhrzeit ist das Geschäft mit dem Gegrillten vom Balkan ohnehin vorbei. Seit Wochen ein Problem stellt hingegen die Shisha-Bar auf der Großen Straße dar, wo Wasserpfeifen auch nach Mitternacht noch die Runde machten. Gerade in solchen Bars sind Hygienevorschriften schwer einzuhalten. In dem Fall dürfte die Sperrstunde die mögliche Ansteckungsgefahr also erheblich senken.

In Kleve füllten am Samstag Menschenmengen aus Holland die Innenstadt. Doch kamen die Käufer nicht allein aus dem Grenzbereich. Sogar aus Rotterdam oder Amsterdam reisten sie an. Nahezu alle mit denselben Gründen: Einkaufen und zudem noch gemütlich irgendwo etwas essen und trinken. Zuhause sind die Cafés und Restaurants schließlich dicht.

Womit man sich in der Grenzgemeinde noch ziert: Eine Bitte an die Niederländer auszusprechen, nicht über die Grenze zu kommen. Die niederländische Stadt Venlo hatte die deutschen Käufer bereits vor Wochen freundlich ausgeladen. Ferdinand Böhmer, Kranenburgs Kämmerer und zukünftiger Bürgermeister, will an der Stelle aber nicht in Aktionismus verfallen. „Es stimmt, wir haben viele positiv getestete Niederländer, die hier wohnen, jedoch ihren Lebensmittelpunkt in Holland haben. Aber jetzt anzuordnen, in ganz Kranenburg muss die Maske getragen werden, ist aus meiner Sicht noch nicht angebracht“, sagt Böhmer. Obwohl die Kommune es könnte, sieht er zunächst davon ab. Eine stark frequentierte Fußgängerzone habe man nicht, und an der Einkaufsarena gebe es ausreichend Platz im Außenbereich, um in die Geschäfte zu kommen. „Es besteht für mich derzeit auch kein Anlass, eine Empfehlung an die Nachbarn zu richten, nicht mehr über die Grenze zu kommen“, sagt Böhmer.

Wovor ihm jedoch schon jetzt graut, ist der Silvestertag. Wenn Niederländer kommen und alles an Feuerwerkskörpern aus den Regalen räumen, was bei drei noch nicht verschwunden ist. Ein Tag, an dem sich in Kranenburg kaum mehr etwas regeln lässt, so sehr man sich auch bemüht. „Da müssen wir uns etwas einfallen lassen. Und das möglichst früh“, sagt Böhmer.

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