Grüne klagen Abgerechnet wird später

Kranenburg · Wegen einer Klage der Kranenburger Grünen tagte in dieser Woche das Oberverwaltungsgericht Münster. Die Fraktion will wissen, wer die 30 größten Gewerbesteuerzahler der Gemeinde sind. Die Verwaltung verweigert die Auskunft.

 Streit im Kranenburger Rathaus: Die Grünen fordern Einsicht in die Steuerakten.

Streit im Kranenburger Rathaus: Die Grünen fordern Einsicht in die Steuerakten.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Es ist ein Fall, der nicht nur für die Gemeinde Kranenburg von Interesse ist. Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen will einen Blick in die Steuerakten der Kommune werfen. Die Verwaltung lässt das nicht zu. Das Steuergeheimnis erlaube das nicht. 2015 klagten die Grünen gegen die Entscheidung. Der Fall ist mittlerweile vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster angekommen. Dort gab es in dieser Woche einen Erörterungstermin.

„Der Fall ist nicht nur für die Kranenburger Politik interessant“, sagt Andreas Mayer (58), der seit vier Jahren für Bündnis 90/Die Grünen im Rat sitzt. Er ist Beschwerdeführer und erhält regelmäßig Mails und Anrufe aus anderen Kommunen. Sie alle wollen wissen, ob in der Rechtsfrage „Dürfen Ratsmitglieder in Gewerbesteuerakten Einsicht nehmen?“ schon eine Entscheidung gefallen ist. Denn das Urteil ist ein richtungweisendes.

Grund der gerichtlichen Auseinandersetzung ist: Die Kranenburger Grünen wollen von der Verwaltung wissen, welche 30 Unternehmen die meisten Gewerbesteuer zahlen. Dazu die Beträge hinter den Namen aufgeführt. Grund für die angeforderten Daten ist, dass die Partei wissen will, ob es bestimmte Branchen gibt, von denen die Grenzgemeinde besonders profitiert. „Wir wollen sehen, wer eigentlich wie viel zahlt. Ziel ist es, Anreize zu schaffen, damit sich derartige Unternehmen verstärkt für Kranenburg als Standort entscheiden“, sagt Mayer. Für ihn ist dieser Ansatz sinnvoll, weil man nur so eine effektive Wirtschaftsförderung betreiben könne, die in Kranenburg nur nebenbei gemacht werde. Auch bei Entscheidungen im Rat, wenn es etwa um eine neue Verbindungsstraße gehe, könne das Wissen in die Entscheidungen einfließen, so Mayer. Wer mehr zahlt, soll auch eher profitieren. Die Gemeindeverwaltung will die Informationen nicht an die Fraktion weitergeben. In erster Instanz hatte das Verwaltungsgericht in Düsseldorf dem Kläger Andreas Mayer recht gegeben und bei der Deutung des Urteils wenig Interpretationsspielraum zugelassen. Doch nutzt Bürgermeister Günter Steins als Beklagter die Chance der Revision und zog vors OVG.

Steins erklärt, warum den Grünen seit drei Jahren der Einblick in die Daten verweigert wird. „Ich siedle das Steuergeheimnis sehr hoch an. Es ist für mich bedeutender als das Auskunftsersuchen einer Partei, ohne konkreten Grund. Ich frage mich hier allen ernstes: Welches Rechtsgut muss ich denn höher bewerten?“

Die Frage beantwortet Wilhelm Achelpöhler. Der Mann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und vertritt die Kranenburger Grünen in dem Fall. Der Jurist erklärt, dass es im Jahr 1997 einen ähnlich gelagerten Fall gegeben habe. An der damals getroffene Entscheidung habe sich jetzt auch das Verwaltungsgericht Düsseldorf orientiert. „Nach 20 Jahren wollte das OVG die Situation noch einmal neu in den Blick nehmen“, sagt er.

Einfach formuliert geht es darum, ob das Akteneinsichtsrecht einer Ratsfraktion durch das Steuergeheimnis begrenzt wird. Ratsmitglieder seien Teil der Verwaltung und „zum Wissen berufen“, sagt der Anwalt. „Es ist so, als wenn ein Sachbearbeiter einen Vorgang zum nächsten schiebt“, erklärt der Jurist. Der Rat sei schließlich dazu da, die Verwaltung zu kontrollieren. „Wie soll das funktionieren, wenn man keinen Einblick in die Steuerakten nehmen darf? Wenn es etwa um die Erschließung neuer Gewerbegebiete geht: Bringt uns das Unternehmen wirklich so viel oder sollte dort besser Bauland entstehen?“, begründet er. Laut Achelpöhler ist es auch nicht erforderlich, einen Grund anzugeben, damit Fraktionen an die Steuerdaten kommen. Zuletzt hatte es in Hessen einen derartigen Fall gegeben, bei dem die Richter ebenfalls im Sinne der Ratsmitglieder entschieden hatten.

In dem Fall „Steuerakteneinsicht“ soll am Dienstag, 6. November, abgerechnet werden. Für den Tag ist die öffentliche Verhandlung vor dem OVG angesetzt. Noch können sich die Parteien darauf einigen, den Fall ohne mündliche Verhandlung entscheiden zu lassen. Doch Achelpöhler rät Andreas Mayer und den Grünen davon ab, denn: „Auf eine öffentliche Verhandlung verzichten, heißt, sich überraschen zu lassen.“ Die Kranenburger Verwaltung habe bereits signalisiert, auf den Termin am 6. November verzichten zu können. Dabei scheut man dort nichts mehr als Überraschungen.

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