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Kleve Kleverin trifft syrische Flüchtlinge

Kleve · Ursula Paszehr fliegt seit 25 Jahren regelmäßig nach Jordanien. Jetzt forschte sie für ihre Doktorarbeit in Irbid, nahe der Grenze zu Syrien, und besuchte bei dieser Gelegenheit auch das Flüchtlingslager Zaatari in der Wüste.

 Ursula Paszehr ist freiberufliche Trauer-und Verlustbegleiterin.

Ursula Paszehr ist freiberufliche Trauer-und Verlustbegleiterin.

Foto: Stade

Sie kommen jeden Tag zu Tausenden zu Fuß durch die Berge. Viele haben nicht mehr dabei, als das, was sie am Körper tragen. Ihr Ziel: Das Nachbarland Jordanien. Die Syrer flüchten vor dem bald zwei Jahre andauernden Bürgerkrieg in ihrem Land, der laut UN bisher rund 60 000 Tote gefordert hat. Die meisten von ihnen landen im Flüchtlingslager Zaatari in der Wüste Jordaniens, nahe der Stadt Mafraq.

Jordanien war im Januar auch das Ziel der Kleverin Ursula Paszehr. Die 49-jährige Kleverin hat Arabistik und Islamwissenschaften studiert und arbeitet freiberuflich als Trauer- und Verlustbegleiterin. Im Januar reiste sie nach Irbid in Jordanien, um die Lage der Flüchtlinge vor Ort wissenschaftlich zu untersuchen und unter anderem auch das Lager Zaatari zu besuchen.

Es war nicht ihre erste Reise nach Jordanien: Seit 25 Jahren fährt sie regelmäßig in das arabische Land am Roten Meer, besucht dort Freunde und unternimmt Feldforschungen für die Doktorarbeit, an der sie gerade schreibt. Arabisch spricht sie fließend und so konnte sie sich in vielen Gesprächen mit Flüchtlingen ein Bild von ihren Lebensumständen in Syrien und nun in Jordanien machen.

"Das Lager ist eigentlich für den Sommer konzipiert worden, es besteht aus Zelten", erzählt Paszehr. Damals glaubte man, die Lage in Syrien würde sich schneller wieder beruhigen. Mit dem Winter kamen dann allerdings die Minusgrade in die Wüste und das Lager. Trotzdem schlafen die Menschen meist auf dem Boden der dünnen Zelte. Überflutungen und Schnee verschlimmern die Lage zusätzlich. Die Regeln im Camp sind streng: Raus kommt keiner. "Es sei denn, ein Jordanier übernimmt die Verantwortung für eine Flüchtlingsfamilie. Leider wollen einige daraus Profit schlagen und lassen sich dafür von den Flüchtlingen bis zu 300 Dinar zahlen", sagt Paszehr. Das sind rund 300 Euro, die kaum jemand aufbringen kann.

Rund 220 000 syrische Flüchtlinge leben zurzeit in Jordanien, die meisten davon in Zaatari und in der grenznahen Großstadt Irbid, wo sie im besten Fall bei Bekannten oder Verwandten unterkommen. Die meisten hausen dort jedoch in leerstehenden Häusern und Wohnungen ohne Heizung und werden von hilfsbereiten Nachbarn mit Decken und Matratzen ausgestattet. "In Irbid müssen oft die Kinder den Lebensunterhalt verdienen. Zwölf Stunden täglich stellen sie Süßigkeiten her oder arbeiten als Laufburschen in Büros und bekommen dafür rund vier Euro am Tag", berichtet die Kleverin. Im Lager gibt es keine Arbeit, die Menschen sind auf die Hilfslieferungen internationaler Organisationen angewiesen. "Die Kinder sind in hohem Maße traumatisiert", sagt Paszehr. In den Gesprächen mit ihr berichteten sie vom Bombardement auf ihre Häuser, vom Lärm in der Nacht, von der Angst und dem Gefühl, nicht zu wissen, wie und wo es weitergehen soll. Vor den Kriegsgeräuschen sind sie auch in Jordanien nicht geschützt. "In der Nacht sieht man sogar die Feuer in den grenznahen syrischen Dörfern", sagt Paszehr. Männer, die sich in Syrien den Rebellen angeschlossen hatten, werden auch in der Sicherheit Jordaniens noch von Verfolgungsängsten geplagt. "Sie haben Angst, dass Leute von Assad in Zivil unterwegs sind, um sie zu verfolgen", erzählt Paszehr. Ihre echten Namen geben sie deshalb nie preis. Viele Flüchtlinge hätten zudem noch nicht realisiert, dass sie — im Falle eines Kriegsendes — in völlig zerstörte Dörfer zurückkehren würden. "Sie fragen mich: , Kennst du unser Dorf? Weißt du, wie schön es dort ist?'", erzählt Paszehr. "Viele glauben eben immer noch an ein schnelles Ende des Krieges." Im April will Ursula Paszehr noch einmal für längere Zeit nach Jordanien reisen und dort als freiwillige Helferin arbeiten. Doch wie verarbeitet sie selbst die belastenden Eindrücke, die sie von dort mitbringt? "Man ändert seine Sicht auf das eigene Leben. Die eigenen Probleme relativieren sich einfach", erzählt sie. Wer Interesse hat, Ursula Paszehr bei ihrer Arbeit durch Spenden zu unterstützen, kann sich direkt bei ihr unter paszehrursula@yahoo.de melden.

(RP/rl)
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