Uraufführung in Kleve Die Zeit stand still zum Geburtstag des Museums Kurhaus Kleve

Kleve · Zum 25. Geburtstag des Museums im Kurhaus komponierte Heiner Frost „venticinque“. Er nennt es eine „Hommage an das Wunderbare der Kunst“.

 Der Komponist und der Auftraggeber: Heiner Frost und Museumsdirektor Harald Kunde.

Der Komponist und der Auftraggeber: Heiner Frost und Museumsdirektor Harald Kunde.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Er bekam den Auftrag, zum 25jährigen Bestehen des Museum Kurhaus Kleve ein Musikstück zu komponieren. Dann habe er nachgedacht über „Formen, Inhalte, Möglichkeiten.“ Er sagt, der Komponist könne Inhalte ändern aber nicht die eigene Sicht auf die Töne. Sein Beitrag zur Komposition sei sein Leben – seine Geschichte. Heiner Frost schrieb folgerichtig ein sehr persönliches Stück Musik zu einem Thema, das ihm am Herzen liegt. „Venticinque (italienisch: fünfundzwanzig) – 15 Aphorismen auf einen musealen Geburtstag – eine Hommage“ wurde am 20. Mai im voll besetzten Oberlichtsaal des MKK uraufgeführt und von den Zuhörern und Zuschauern mit stehenden Ovationen und vielen Bravo-Rufen gefeiert.

Bevor jedoch die Auftragskomposition durch Anja Speh am Flügel und den Schauspieler Sjef van der Linden an einem kleinen Tisch vor dem Flügel zur Aufführung kam, gab es einen ersten Konzert-Teil mit Werken von Heiner Frost und Johann Sebastian Bach im Wechsel. Frosts „Raumklang“ als erstes Stück war der ideale Einstieg in das Thema (Museums-)Raum. Zu hören war, wie man Räume allein mit den Ohren erkundet, wie Schritte hallen, ferne Türen zuschlagen, Stimmen nachklingen. Zwei Bach-Choräle und die Toccata e-moll (BWV 914) zeigten an, welch große Bedeutung Bach für den Musiker Heiner Frost hat. Mit dem Kammerchor Haldern, deren Gründer und Dirigent Frost ist, brachte er die Choräle mit großer Innigkeit zu Gehör. Dass es an diesem Abend auch um das Thema „Zeit“ ging, klang in dem Bach-Choral „Oh Ewigkeit, du Donnerwort“ an. Daran knüpfte auch das Frost-Stück „Am Ufer“ an, das ebenfalls in diesem Konzert uraufgeführt wurde. „Stehen wir nicht alle am Ufer der Zeit und sehen auf den Fluss des Lebens?“, schien das Stück zu fragen. Mit der Toccata e-moll zeigte die Pianistin Anja Speh ihre Virtuosität und sichere Ausdruckskraft, das Publikum bestätigte dies mit begeistertem Zwischenapplaus. Das wunderschöne Frost-Stück „Der Regen lächelt“ stimmte weiter ein in die musikalische Sprache des Musikers, der auch Text-Autor ist. Sein Choral „Verleih uns Frieden“ mit seinem polyphonen Flehen sprach allen Zuhörern aus dem Herzen.

Nach der Pause kam der Moment der Uraufführung von „venticinque“, einem Klavierstück, dessen 15 Abschnitte aus jeweils 25 Takten bestehen. Frost gab dem Publikum dazu zwei ausführliche Texte im Programmheft an die Hand. Ein „Stück Musik mit Beigaben“ nennt er es darin, wobei die „Beigaben“ klangliche Einspielungen über Lautsprecher, die Wand-Projektion der Klavier-Noten plus Live-Kamerabild aus dem Innern des Flügels sowie die schauspielerische Aktion durch Sjef van der Linden vom mini-art Theater aus Bedburg-Hau waren.

Der Darsteller saß am kleinen Tisch vor dem Flügel bis fast zum Ende beinahe regungslos. Vor sich ein kleines Radio, ein eingepacktes Butterbrot und zwei Trinkflaschen mit Saft. Ab und zu wurden Rauschen und Piepsen eingespielt, wie wenn man einen Sender sucht. Van der Lindens Bewegungen, zuerst kaum wahrnehmbar, waren zeitlupenhaft und wie eine Art höchstmögliches „Lento“ (langsam) in der Musik, sozusagen der normalen Zeit enthoben.

Auch Frost verortete mit seiner Komposition die 25 Jahre des Museums außerhalb des alltäglichen Zeitgefühls. So ging es wohl eben nicht um das Erkennen der Jahre und Inhalte der Ausstellungen, sondern um den „ewigen Augenblick“, in dem man Kunst erlebt. Wie er im Programmheft schreibt, wollte er keinen „Schlüsselroman in Noten sondern eine Hommage an das Wunderbare der Kunst“ komponieren. Frost setzte in das Museum, das er als ein „Gefäß des Wunderbaren“ bezeichnet, gleichsam seine eigene Kunst. So kam auch Bach darin vor, der ihm immens wichtig ist, nur angedeutet aber unverkennbar das Thema der Goldberg-Variationen in einem der ersten „Aphorismen“.

Dann ertönten Morsezeichen in den Einspielungen wie Botschaften aus einer fernen Wirklichkeit, die gleichzeitig Vergangenheit oder Zukunft sein könnte. Unerschöpflich waren die kompositorischen Ideen, immer neue Themen, genau wie das Erlebnis, Kunst zu erkennen und mit wachen Augen zu schauen. Schließlich setzte van der Linden Spieluhren – Symbole des ewigen Wiederkehrens (oder des sehnsüchtigen Erinnerns?) - in den Flügel. Die Zuschauer sahen in der Projektion, wie die Schnur der Spieluhr sich bewegte, die Melodie verklang. Die Pianistin hatte ihr Spiel beendet, blieb regungslos, die Zeit stand still.

Beim Festakt zum 25jährigen Bestehen am 9. September ist „venticinque“ von Heiner Frost im Museum wieder zu hören und zu sehen.  

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