Gastronomie im Grenzgebiet profitiert Niederländer umgehen Lockdown in Deutschland

Kleve/Kranenburg · In den Niederlanden müssen gastronomische Betriebe coronabedingt bereits um 17 Uhr schließen. Die Fahrt nach Deutschland ist aber weiterhin möglich. Profitieren davon die krisengeschüttelten Wirte in der Grenzregion? Wir haben in Kranenburg und Kleve nachgefragt.

 Patrouille in Nimwegen: In den Niederlanden müssen schon länger Restaurants, Bars und Cafés bereits um 17 Uhr schließen. Auch der Einzelhandel muss bereits am späten Nachmittag dicht machen.

Patrouille in Nimwegen: In den Niederlanden müssen schon länger Restaurants, Bars und Cafés bereits um 17 Uhr schließen. Auch der Einzelhandel muss bereits am späten Nachmittag dicht machen.

Foto: dpa/Peter Dejong

Thiemo Kreusch muss dieser Tage Gäste abweisen, die einen Tisch reservieren wollen – Corona hin oder her. Der Betreiber des Restaurants Haus Hünnekes an der Klever Straße in Kranenburg registriert aktuell mehr Nachfrage aus den Niederlanden. „Es kommen jetzt bedeutend mehr Holländer. Wir haben sowieso immer viele Gäste von dort, aber in dieser Zeit sehen wir nochmal einen Sprung nach oben“, sagt Kreusch, der gutbürgerliche Küche anbietet.

Hintergrund ist, dass in den Niederlanden die Restaurants, Bars und Cafés seit einigen Wochen bereits um 17 Uhr schließen müssen. Mit Blick auf die hohen Inzidenzen hatte die niederländische Politik die Corona-Maßnahmen nochmal deutlich verschärft. Auch der Einzelhandel muss bereits am späten Nachmittag die Türen schließen, Supermärkte und Drogerien dürfen immerhin bis 20 Uhr Gäste empfangen. Es gilt die Maskenpflicht. Die Regelungen gelten vorerst bis zum 19. Dezember, dann will das Kabinett von Ministerpräsident Mark Rutte die Lage neu bewerten.

„Viele Niederländer rufen an und fragen nach, ob und was bei uns möglich ist. Wir sind da aktuell natürlich in einer glücklichen Lage. Es kommt sogar dazu, dass wir Gäste abweisen müssen“, sagt Kreusch auf Anfrage unserer Redaktion. Bei der Anwendung der 2G-Regel habe man in dem 1904 gegründeten Traditionslokal keine Probleme mit den Besuchern aus dem Königreich. „Man hört schon mal von Supermärkten oder Tankstellen in Kranenburg, dass es zu hitzigen Diskussionen kommt. Bei uns ist das aber nicht der Fall. Die Leute kennen die deutschen Regeln“, sagt der Wirt. Die meisten der Niederländer kommen aus Groesbeek oder Berg en Dal. „Mittlerweile haben wir aber auch holländische Stammgäste, die eine oder anderthalb Stunden fahren“, so Kreusch.

Andreas Domino betreibt im Kranenburger Ortsteil Frasselt „Das Gasthaus am Reichswald“. Auch er bestätigt, dass dieser Tage mehr Niederländer im Lokal Platz nehmen. „Man merkt den Anstieg. Allerdings ist es nicht so wie im Sommer, als die Restaurants bei uns schon zwei Wochen eher als in den Niederlanden öffnen durften. Damals war es jeden Tag übervoll. Doch auch jetzt sind es mehr Gäste aus Holland. Aber nicht so, dass wir jetzt sofort fünf neue Angestellte suchen müssten“, sagt Andreas Domino. Allerdings sei noch unklar, ob damit auch der Umsatz des Restaurants steigt. „Die Einheimischen sind sehr vorsichtig. In größeren Gruppen kommt da kaum einer mehr. Daher müssen wir abwarten, was das für unsere Zahlen insgesamt bedeutet“, so der Spitzenkoch aus dem bayrischen Ingolstadt, der das Lokal zusammen mit seiner Partnerin Teddy van Diest betreibt.

Pia Wucherpfennig führt ihr kleines Bistro in der Kavarinerstraße in Kleve. Auch dort profitiere man von der Nachfrage aus dem Nachbarland. „Insgesamt ist das Geschäft rückläufig, weil viele Deutsche wegen Corona sehr vorsichtig sind. Die Niederländer sind aber nicht weggebrochen. Man merkt, dass recht viele, die die Innenstadt besuchen und sonst vor Einbruch der Dunkelheit wieder den Heimweg angetreten haben, nun in Kleve bleiben, um noch zu essen“, sagt Pia Wucherpfennig, die im Innenraum neun Tisch vorhält. Weihnachtsfeiern würden aktuell allesamt abgesagt werden.

Aktuell sei das Besucheraufkommen mithin recht wechselhaft. „Es gibt starke Tage, aber auch Tage, an denen kaum etwas läuft. Ich habe mit Kollegen vom Tijuana und vom Früh Kölsch gesprochen, die auch bestätigen, dass es aktuell sehr schwer ist. Manchmal kommen ausschließlich unsere Stammgäste“, sagt Wucherpfennig. Sie hat nun auch Konsequenzen gezogen: Die Betriebsferien des Lokals, die sonst im Februar eingelegt werden, sollen in den Januar vorgezogen werden. 

Mounir Boulehjel hatte mit Blick auf die Corona-Regelungen in den Niederlanden auf mehr Kundschaft gehofft. Er betreibt an der Großen Straße in Kranenburg sein kleines Restaurant „Double Wrap“. Vor Ort seien nun zwar vereinzelt mehr Menschen aus dem Nachbarland anzutreffen. „Man sollte daher meinen, dass ich profitiere. Aber leider habe ich nicht mehr Kunden aus Holland. Schließlich kann man dort immer noch Essen abholen oder liefern lassen“, sagt Mounier Boulehiel. Für den Löwenanteil seines Umsatzes sorgen nämlich die Bestellungen über die Internet-Plattform Lieferando.

Schlechter als für die Restaurants schaut es für die Kneipiers aus. Weil Kunden von jenseits und diesseits der Grenze fernbleiben, hat sich Michael Hagedorn dazu entschlossen, die Alte Schule im Kranenburger Ortsteil Mehr vorübergehend zu schließen. „Wir haben Einbußen ohne Ende. In die Kneipen der Region kommt einfach niemand mehr. Die Politik erzählt uns: Es kommt zwar niemand mehr, aber Hilfen gibt es nicht, weil ihr ja offen bleiben dürft. Das ist schrecklich. Am liebsten wäre es uns, wenn wir nun noch einmal einen richtigen Lockdown machen und im Januar durchstarten würden“, sagt Michael Hagedorn, der auch das Bürgerhaus in der Grenzgemeinde betreibt.

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