Flüchtling macht Abitur Längst angekommen in Kleve

KLEVE · Alan Saleh reiste 2014 als syrischer Flüchtling nach Deutschland ein. Nun hat er am Konrad-Adenauer-Gymnasium sein Abitur absolviert – und blickt auf Jahre der Gastfreundschaft zurück. Der 20-Jährige will studieren.

 Alan Saleh hat sein Abitur in der Tasche. Nun stehen dem 20-Jährigen Tür und Tor für ein Studium offen.

Alan Saleh hat sein Abitur in der Tasche. Nun stehen dem 20-Jährigen Tür und Tor für ein Studium offen.

Alan Saleh sitzt auf dem Schulhof des Konrad-Adenauer-Gymnasiums. Während der Pause geht es unübersichtlich zu, Kinder spielen Fangen. Immer wieder winken Lehrer dem 20-Jährigen zu, Mitschüler kommen, um zu quatschen. Die Schule war für den Syrer in den vergangenen Jahren eine echte Heimat. Nun wird er sie mit dem Abiturzeugnis in der Tasche verlassen. „Ich gehe mit gemischten Gefühlen. Ich werde die Schule und die Menschen hier auf jeden Fall stark vermissen. Andererseits aber freue ich mich auch auf alles, was nun für mich kommt“, sagt der junge Mann.

Der Weg hierher war für Alan Saleh beschwerlich. Seit 2011 tobt der Bürgerkrieg in Syrien. Alan Saleh und seine Familie lebten in Aleppo. Jene Metropole, die besonders heftig von den Wirren des unübersichtlichen Krieges getroffen wurde. Sie entschieden sich, in syrische Dörfer auf dem Land zu fliehen. „Doch der Krieg kam immer näher. Es gab für uns einfach keinen sicheren Ort mehr. Wir haben einen Moment erlebt, in dem wir wussten, dass es jetzt nur noch die Optionen Tod oder Flucht gibt“, sagt Saleh. So planten seine Eltern 2014 die nervenaufreibende Flucht gen Westeuropa.

Die erste Station der Odyssee: die Türkei. Sie bot für einige Wochen ersten Schutz. Mit Schmugglern ging es dann durch Wälder und über Zäune nach Bulgarien. Auf dem Boden der Europäischen Union angekommen aber gab es die erste schwere Enttäuschung. „Von der bulgarischen Polizei wurden wir festgenommen. Wir wurden schlecht behandelt und in ein Gefängnis gebracht“, erinnert sich Saleh. Das Schicksal teilte er mit tausenden Menschen auf der Flucht, bis heute pflegt Saleh Kontakte zu früheren Weggefährten in Bulgarien. „Das sind Jungs, die heute auch quer über Deutschland verstreut leben. Im Sommer treffen wir uns aber immer, wir sind bis heute befreundet“, sagt er.

Doch die türkische Ordnungsmacht winkte ab, sie wollte die Flüchtlinge nicht zurücknehmen. So konnten die Salehs ihre Flucht fortsetzen. Erneut heuerten sie einen teuren Schlepper an. „Die Flucht nach Deutschland hat uns sehr viel Geld gekostet. Deshalb mussten wir in Syrien fast alles verkaufen“, sagt Saleh. Doch so schaffte es der heute 20-Jährige noch kurz vor der nahöstlichen Flüchtlingswelle mit seinen Geschwistern und Eltern nach Deutschland. Nach Stationen in gleich mehreren Asylbewerberheimen im gesamten Bundesgebiet kam Alan Saleh 2016 endlich in Kleve an. Zuvor hatte er in Münster die Gymnasialempfehlung bekommen, weshalb er sich am Konrad-Adenauer-Gymnasium anmeldete.

Alan Saleh kam in die Klasse 6b – und wurde aufgrund seiner Sprachdefizite um zwei Schuljahre zurückversetzt. Heute spielt die Sprache keine Rolle mehr: Alan Saleh spricht fließend Deutsch, nicht einmal ein Akzent ist zu hören. „Dabei weiß ich noch genau, was ich dachte, als ich zum ersten Mal Deutsch hörte: Das werde ich nie können. Es ist auch eine schwierige Sprache, aber ich habe es geschafft“, sagt der Abiturient. Von Anfang an habe er am Kellener Gymnasium eine große Offenheit gespürt, Ausgrenzungserfahrungen habe er auf der Schule nie gemacht. Seine Leistungskurse waren Englisch und Erdkunde, sein Notendurchschnitt schlussendlich 2,9. Nun stehen Alan Saleh, der in der vergangenen Woche sein Zeugnis überreicht bekam, Tür und Tor für ein mögliches Studium offen.

Was genau der Klever studieren will, ist noch unklar. „Ich könnte mir einen sozialen Beruf sehr gut vorstellen, in dem ich viel Kontakt mit Menschen habe – Lehramt zum Beispiel“, sagt er. Aber auch Ingenieurwissenschaften hätten es ihm angetan. In den kommenden Wochen wolle sich Alan Saleh weiter informieren, voraussichtlich aber zieht es ihn nach dem Sommer an eine Ruhrgebiets-Uni.

Daran, in seine Heimat zurückzukehren, denkt der 20-Jährige in keiner Sekunde. „Ich möchte mein Leben in Deutschland verbringen. Hier fühle ich mich wohl und sicher“, sagt Alan Saleh.

Außerdem sieht er keine Perspektive im Bürgerkrieg, mittlerweile gleiche der Konflikt zwischen Rebellen und Machthaber Assad einem Stellungskrieg. Zudem würden die Spannungen von religiösen Weltanschauungen unaufhörlich aufgeheizt. „Eine Lösung wird ganz schwierig, da die Parteien keinen Schritt aufeinander zu machen. Ich bin mir aber sicher, dass Assad wegmuss“, sagt Alan Saleh.

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