Gedenken in Kleve „Ich stehe hier auf diesem Synagogenplatz. Ohne Synagoge“

Kleve · Auch in Kleve wurde am 9. November 1938 die Synagoge von den Nazis in Brand gesetzt. Die Stadt erinnerte am Mittwoch emotional an die Geschehnisse.

 Zeitzeugin Eva Weyl spricht auf dem Platz der ehemaligen Klever Synagoge zum Gedenktag an die Reichspogromnacht. Auch ihre Familie erlebte die Gräueltaten der Nazis.

Zeitzeugin Eva Weyl spricht auf dem Platz der ehemaligen Klever Synagoge zum Gedenktag an die Reichspogromnacht. Auch ihre Familie erlebte die Gräueltaten der Nazis.

Foto: Clara Vesely

Juden wurden verhaftet, misshandelt und getötet – auch in Kleve. Die Stadt erinnerte heute an die Reichspogromnacht vom 9. November 1938, bei der die Nationalsozialisten hunderte von Synagogen und über 7000 jüdische Geschäfte in Brand setzten. In der besagten Nacht vor 84 Jahren wurden mindestens 91 Juden ermordet, etwa 30.000 in Konzentrationslager verschleppt.

Wolfgang Gebing, Bürgermeister der Stadt Kleve, eröffnete die Gedenkfeier. „Diese Erinnerung darf niemals aufhören“, so der Bürgermeister. Insbesondere in der heutigen Zeit sei die Erinnerung an den Akt des Terrors von Bedeutung, wie ein Blick nach Osteuropa zeige. Von der heutigen Generation forderte er Toleranz, Mitgefühl und Respekt, sodass sich eine solche Gräueltat in Deutschland niemals wiederholt.

Eva Weyl schloss sich den Worten von Gebing an. Sie ist Zeitzeugin und wurde 1935 im niederländischen Arnheim geboren, nachdem ihre Eltern aus Deutschland emigrierten. Ihr Großvater führte das Kaufhaus Weyl in Kleve und sah sich als „guter Deutscher“, der nicht aus seinem Heimatland fliehen wollte. Doch nachdem er die Pogromnacht am Niederrhein miterlebte, zog er zu seiner Familie ins benachbarte Holland. Heute besuchte Eva Weyl wieder die Stadt, die einst die Heimat ihrer Familie war. „Ich stehe hier auf dem Synagogenplatz. Ohne Synagoge. Ein Beispiel von Hitlers Antisemitismus“, so Weyl. Dabei machte sie auf die Vertreibung der Juden aufmerksam, auf den Völkermord. „Wie konnte dies alles in Deutschland geschehen?“, fragte sie in Runde. „Neid zersetzt das soziale Miteinander, es macht aggressiv. Der Neider richtet seine Energie auf die Zerstörung des Glücks anderer.“

Die Rednerpausen wurden vom Orchester der Karl Kisters Realschule untermalt. Es folgten Beiträge von Schülern des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums, die eine Gedankenreise arrangierten, inspiriert von den leidvollen Erfahrungen von Ernst Goldschmidt, einem Klever Juden. Die Jugendlichen trugen ihre eigenen Gedanken vor – zu der heutigen Welt, ihrer heutigen Heimat. „Mit jedem Schritt, den wir uns durch Kleve bewegen, verfolgt uns die Vergangenheit“, fasste Nele-Adjoa Willmeroth, Schülerin des Gymnasiums, zusammen.

Manja Pach, Mitglied der liberalen jüdischen Gemeinde Gelderland, ergänzte die Gedenkfeier mit Bertold Brechts Gedicht „An die Nachgeborenen“. Sie schloss mit Kaddish, einem jüdischen Gebet, das an die Toten gedenkt und die Lebenden tröstet, ab. Das Gebet soll Hoffnung auf bessere Zeiten geben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort