Klever Kirmes So schön war’s auf dem Rummel
Kleve · Heute wäre die Klever Kirmes gestartet – wenn nicht Corona gekommen wäre. Wir blicken mit einem erfahrenen Schausteller zurück auf sechs Jahrzehnte und zwei verschiedene Standorte.
Tagelanger Regen, orkanartige Böen, unerträgliche Hitze, die Ölkrise, die Schweinepest – all das konnte in mehr als 60 Jahren nicht verhindern, dass die Klever Kirmes stattfand. Dann kam Corona. 2020 ist das erste Jahr, in dem es in Kleve keinen Rummel geben wird. Deshalb blicken wir zurück auf schönere Zeiten und haben einen erfahrenen Schausteller gebeten, in seinen Erinnerungen zu wühlen.
Vor 54 Jahren stieg Gert Schel ins Kirmesgeschäft ein. Er stammt aus einer Klever Schaustellerfamilie. Sein Vater ist mit einer Eisbude angefangen. Als Gert sich mit 20 Jahren nach einer Lehre zum Industriekaufmann und dem Wehrdienst für eine „Karriere auf dem Rummel“ entschied, baute sein Vater ihm einen Schießwagen. Dann kamen ein Kinderkarussell hinzu, der sogenannte „Twister“ und ein „Kinderflieger“. „Das war der erste in ganz Deutschland, er wurde in Frankreich gebaut, wir haben ihn in Paris abgeholt. Bis dahin sind auf der Kirmes nur die Erwachsenen geflogen“, erinnert sich Schel.
Die beständigsten Einnahmen versprachen damals schon die sogenannten „Fressbuden“. „Als die Kirmes noch oben am Heideberg war, ist quasi jeder Klever mindestens einmal zur ,Fressstraße’ gegangen“, sagt Schel. Dort, am Großen Markt, standen sie alle aneinandergereiht, die Buden mit Pommes, Currywurst, Backfisch und Reibekuchen – auch die Familie Schel war vertreten. Allein der Aufbau war knifflig. „Die Straße dort hat ein starkes Gefälle. Nachdem ich mein Büdchen auf Rollen dorthin geschoben habe, musste ich es mit einem Seil abladen und dann mit Holzkeilen sichern, damit es nicht in Richtung Kaufhof rollte. Teilweise mussten die Kollegen sogar Pflastersteine entfernen und später wieder zurücklegen, um genug Platz für ihre Buden zu haben“, erinnert sich Schel. Es schaute einfach niemand so genau hin, was da so alles ablief. „Dort, wo das Karussell ,Musik Express’ stand, war es so steil, dass der Betreiber mehrere 200-Liter-Fässer Bier unter das Gestell seines Fahrgeschäfts legte, um das Gefälle auszugleichen“, sagt Schel. So etwas wäre heute undenkbar.
Undenkbar ist heute auch, dass sich niemand gegen Kirmeslärm beschwert. „Damals war das so: Wer das nicht vertragen konnte, fuhr in Urlaub“, sagt Schel. Irgendwann wurden die Vorschriften dann so streng, dass sich die Kirmes nicht mehr in der eng bebauten Oberstadt rund um Heideberg, Schweinemarkt und Großer Markt halte konnten. 1992 zog die Kirmes um auf den Hokovitparkplatz an den Fuß der Stadt. Da war schon vieles Geschichte, was Jahre lang selbstverständlich gewesen war: Das große Treffen der Schausteller in der Gaststätte „Alt Cleef“ am Abend vor dem Kirmesstart. Das beliebte, von zwei Männern betriebene Kasperle-Theater.
Andere hielten sich noch einige Jahre auf dem neuen Kirmesplatz. Vittoria Marmarello war so ein Typ. Der Italiener verzauberte mit seinem Akzent die Damenwelt, die seine Blumen gleich körbeweise ersteigerte. „Der konnte die Menschen wirklich begeistern“, sagt Schel. Die Boxbude, in der sich Interessierte die Nase von den Kirmesboxern platt schlagen lassen konnten (Schel: Da war immer der Bär los). Das Ponyreiten ist ein Angebot, das zwar immer wieder von einigen kritisiert wurde, aber auch jetzt noch gerne nach Kleve kommt. Inzwischen laute das Motto oft: „schneller, höher, weiter“, sagt Schel. Der 74-Jährige findet das aber nicht schlimm. „Das Publikum will es so, und die Schausteller müssen sich etwas einfallen lassen, um eine der heiß begehrten Konzessionen zu bekommen“, sagt er. An einem habe sich bis heute nichts geändert: der Zusammenhalt der Schausteller untereinander. „Wir sind immer noch eine große Familie“, sagt Schel.