Bauhaus: Neues Bauen im Kreis Kleve Willibrord oder der Trick mit den Falten

Kleve · Zur Bauhaus-Keramik-Ausstellung im Kurhaus Kleve stellen RP und Kurhaus-Direktor Harald Kunde Beispiele Neuen Bauens vor. Das Denkmal St. Willibrord in Kellen als Kirche der Moderne.

 Die Vor- und Rücksprünge der Kuben auf geradem Sockel machen den Bau stabil.

Die Vor- und Rücksprünge der Kuben auf geradem Sockel machen den Bau stabil.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Eine der Hauptsäulen des Bauhauses in den ersten Semestern war die Arbeit mit Papier zum Beispiel bei Josef Albers – es war eine Auseinandersetzung mit den wesentlichen Qualitäten des Materials und allem, was sich darüber hinaus aus dem „flachen“ Papier ergeben kann, wie stabil das weiche Blatt wird, wenn es mehrfach gefaltet aufrecht da steht oder sich als starke Dachform stabil über Wände legen lässt. Und in den Knickungen auch noch prächtig aussieht. Der Trick mit den Falten machte in Kleve einen Bau möglich, der heute Denkmal ist und als beispielhaft für Neues Bauen in der Region gilt: Die Kirche St. Willibrord in Kellen ist eines der frühesten Beispiele eines Gotteshaus im Stahlskelettbau in Deutschland.

 Marco Kieser vom Landschaftsverband Rheinland bringt die Probleme für die Essener Architekten Alfred Wahl und Aribert Rödel und die Gemeinde bei der Planung für einen Kirchenneubau in der neuen Mitte des so rasant gewachsenen Kellens (von 839 Einwohnern im Jahr 1883 auf über 4000 im Kirchbau-Jahr 1929) auf den Punkt: Große Kirche, wenig Geld. Eine standfeste Mauer, so rechnet Kieser, müsste bei 15 Metern Höhe 77 Zentimeter dick sein, mit Strebpfeilern immer noch einen guten halben Meter, schreibt der Denkmalschützer aus Brauweiler. Zu teuer.

Dann kommen die Falten ins Spiel: „Durch eine Faltung würde die Mauer bei geringem Materialverbrauch enorm an Stabilität gewinnen“, so Kieser im Beitrag zum Architekturführer „Neues Bauen im Rheinland“. Das Kalkül geht auf: Es entsteht eine Kirche für 1500 Gläubige bei einem Kostenaufwand von 160.000 Mark, innen großzügig klar, außen wie Kuben auf einem einfachen, klare mit Klinkerbändern geordneten Sockel gestellt. In den Wänden sind schmale hohe Fenster.

1500 Menschen kommen heute nicht mehr in die Kirche, deshalb wurde sie von Prof. Hannes Hermanns 2015/16 nicht nur saniert, sondern mit viel Gefühl vorsichtig umgebaut. Hermanns gelang es, die Klarheit und die Nüchternheit und die gleichzeitige Grandezza des Raums von 1930 nicht nur zu bewahren, sondern sie auch hervorzuheben. Er holte den Altar vom Sockel und setzte ihn mitten in die Gemeinde, gab den Wänden einen weißen Anstrich.

Dechant Stefan Notz kam 2015 an die St.-Willibrord-Kirche, als die Sanierung in Gang war. Er freut sich bis heute über die Kirchenfenster, die den Krieg überdauerten und nach der Reinigung leuchten, als seien sie neu. „Mit dem Weiß der Wände ergeben sich so wunderbare Lichtspiele“, sagt er. Man habe den Hochchor bewusst leer gelassen, auch um die Anlage der Kirche zu wahren.

Das dadurch der Kirchenraum kleiner wird, kommt der geschwundenen Zahl der in die Kirche gehenden Katholiken entgegen. Dass der Altar auf gleicher Höhe steht, sei bewusst, so wie er auch aus den Steinen des alten Altars gebaut wurde, auch als Zeichen der Kontinuität der Kirche, erklärt Notz. „Das ist auch demokratische Lösung“, sagt Kleves Museumsdirektor Harald Kunde. Er bewundert, dass Hermanns bei der Sanierung den klaren Kubismus der Kirche nochmals unterstrichen hat. „Man erkennt in St.Willibrord sehr schön, wie die Moderne sich einen Kirchenraum voller Klarheit vorstellt, die sie auch außen widerspiegelt“, sagt Kunde.

Den Vorteil, dass die Kirche in einem Stahlskelett steht, das im Grunde nur mit zwei schmalen Klinkerschalen ausgefacht ist, ist auch ein Nachteil: Es lässt sich nicht viel daran festmachen. „Deshalb haben wir den Tabernakel auf eine Steinsäule stellen müssen“, sagt der Dechant. Eigentlich eine schöne Lösung.

 Prof. Harald Kunde und Dechant Stefan Notz bewunderen die Klarheit von St. Willibrord in Kellen.

Prof. Harald Kunde und Dechant Stefan Notz bewunderen die Klarheit von St. Willibrord in Kellen.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Aber es gibt auch Stimmen in der Gemeinde, denen die Klarheit der ganz weißen statt cremefarbenen Wände der Kirche zu nüchtern, zu hart erscheint, weiß Notz. Jede Veränderung beinhalte in Teilen auch eine Zerstörung, aber hier in Kellen sei das Substanzielle der Kirche gewahrt worden, sagt Notz. Und freut sich, dass die Sonne wieder die Bilder der Kirchenfenster aufs harte Weiß malt. Von den Fenstern, die von den Sakramenten künden.

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