Einzigartig im Nordkreis Kleve Nachfrage nach Hospiz in Donsbrüggen ist riesig

Kleve-Donsbrüggen · Im April hat das stationäre Hospiz in Donsbrüggen eröffnet, die Nachfrage ist riesig. Wie sieht der Alltag in einem Hospiz aus – und was macht eigentlich ein ambulanter Hospizdienst?

So sieht das Hospiz in Donsbrüggen von innen aus
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So sieht das Hospiz in Donsbrüggen von innen aus

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Foto: Markus van Offern (mvo)

Irgendwann hat Leonie Reintjes (Name geändert) beschlossen: Es reicht. Sie möchte keine Chemo-Therapie mehr durchstehen, selber entscheiden, wie es weitergeht. Vor wenigen Tagen ist Reintjes im Hospiz in Donsbrüggen eingezogen. „Ich wollte auch meine Kinder entlasten“, sagt sie. Natürlich habe sie sich vorher Gedanken gemacht, wie es wohl werden würde in einem Hospiz. So wie in einem Seniorenheim vielleicht? Ein bisschen wie in einer Klinik? „Ich habe es mir auf jeden Fall ganz anders vorgestellt. So etwas habe ich in meinem Leben noch nicht erlebt“, sagt Reintjes. Sie bekomme wirklich alles, was sie möchte. Sogar die Tageszeitung. „Alle sind freundlich und bringen so viel Zeit mit. Das muss man sehen, um es wirklich zu glauben.“

Seit April gibt es das Hospiz in Donsbrüggen. Es ist das einzige seiner Art im Norden des Kreises Kleve, dementsprechend groß ist die Nachfrage. „Fünf bis zehn Anfragen am Tag sind normal“, sagt Leiterin Marlene Loth-Lohmann. Zwölf Betten hat das stationäre Hospiz, da muss es täglich Absagen geben. „Wir bedauern es immer wieder, weil hinter jedem Anruf große Not steht. Viele Anrufer sind am Ende ihrer Kräfte, auch die Angehörigen“, sagt Loth-Lohmann. Es gibt eine Warteliste. Wenn ein Platz frei wird, hat Chancen, wer final erkrankt ist und eine geringe Lebenserwartung hat. Dann kann ein Arzt eine entsprechende Bescheinigung ausstellen.

Ins Hospiz kommen Menschen am Ende ihres Lebens. Wer nun aber einen Ort erwartet, an dem alle Trauer tragen, wird überrascht sein. „Natürlich wird bei uns auch getrauert. Hier spielen sich aber Szenen aus allen Lebenslagen ab“, sagt Katrin Nienhaus-Wächter vom Sozialen Dienst. Pflegedienstleitung Julia Loth nickt. „Im Hospiz wird auch gelacht, gefeiert und Musik gehört“, sagt sie.

So gab es schon Ständchen zum Geburtstag, ein Ehepaar hat in Donsbrüggen sein Eheversprechen erneuert, ein anderes Diamantene Hochzeit gefeiert. Mal kommt ein Kindergarten zum Martinsfest vorbei. Auch Kontakte zu Vereinen aus der Umgebung sind geknüpft. Was auch immer das Leben bereit hält, im Hospiz kann man es finden. Das liegt auch daran, dass die Familienangehörigen zu jeder Tag- und Nachtzeit willkommen sind. Für sie gibt es auch Besucherzimmer mit einem eigenem Sanitärbereich. „Auch die Angehörigen sollen sich bei uns wohlfühlen“, sagt Marlene Loth-Lohmann.

Für das Hospiz hat die Katholische Karl-Leisner Stiftung als Betreiber ein reizvolles Zuhause gefunden: Das alte Pfarrhaus in Donsbrüggen hat eine neue Funktion erhalten. Da ist auf der einen Seite der Altbau mit schmucken Holz- und Fliesenböden, der Wendeltreppe und den verzierten Türen. Hier findet man vor allem die Mitarbeiter mit ihren Besprechungsräumen, Büros und Umkleiden. Im neuen und modernen Anbau haben die Gäste und ihre Besucher ihr Reich. So wie Leonie Reintjes, die von ihrem Bett einen direkten Blick in den Garten hat. Persönliche Gegenstände machen jedes Zimmer individuell: da ist die geliebte Lampe von Zuhause, da sind die Fotos von der Familie. Ihre Tür in den Flur hat sie meistens geöffnet, freut sich über Besuch. Von ihren Angehörigen, von anderen Gästen, von Mitarbeitern. „Das hat alles auch mit Würde zu tun. Und das ist ein sehr würdevoller Ort“, sagt sie.

Am Bett steht Julia Haan. Sie ist Gesundheits-Krankenpflegerin in Donsbrüggen. Was muss man für ihren Job mitbringen? „Empathie“, sagt sie. Wer im Hospiz arbeitet, muss sich einfühlen können, ohne leidend zu werden. Denn Teil der Arbeit ist, bei aller Ausbildung und Qualifikation: Zeit haben. So ist es nicht ungewöhnlich, dass Pfleger, die neu im Hospiz sind, sich erst einmal umgewöhnen müssen. „Viele müssen erst einmal lernen, dass Zeit zu haben, zuzuhören und da zu sein, Teile der Arbeit sind“, sagt auch Julia Loth. Weil der Mitarbeiterschlüssel deutlich höher ist als in einem Seniorenheim, sind auch die Betreuungsmöglichkeiten andere.

Wie der Alltag im Hospiz aussieht, richtet sich dann ganz nach den Bedürfnissen der Gäste. Sie bestimmen, wann sie essen möchten – und was. Sie bestimmen, wie ihr Tagesablauf gestaltet werden soll. Immer so selbstbestimmt wie möglich und mit so viel Unterstützung wie gewünscht. Leonie Reintjes ist mit Rollator und Rollstuhl noch mobil. Kann selbst ins Badezimmer oder in den Sonnenschein auf der zimmereigenen Terrasse.

Mit der Eröffnung des Hospizes ist auch der ambulante Hospizdienst der Karl-Leisner-Stiftung nach Donsbrüggen gezogen. Beide Einrichtungen sind nicht miteinander zu verwechseln: Beim ambulanten Hospizdienst bilden vier Koordinatoren Ehrenamtliche aus, die dann Menschen in der letzten Lebensphase begleiten. Ihr Einsatzgebiet ist der komplette Nordkreis Kleve. Sie besuchen die Menschen Zuhause, in Senioren- oder Behinderteneinrichtungen. 87 Ehrenamtler haben den mehrmonatigen Kurs mit begleitendem Praktikum bereits absolviert. „Im Anschluss entscheiden sie selbst, ob sie das Ehrenamt ausüben wollen“, sagt Leiterin Marion Aryus. „Man setzt sich dabei auch mit seiner eigenen Endlichkeit auseinander“, sagt sie. Die Ehrenamtler sind genauso bunt gemischt wie die Menschen, die sie begleiten. Sie sind Anfang 20 und Rettungssanitäterin oder 84 Jahre alt und Rentner. Sie sind Banker, Lehrerinnen, Hausfrauen und Philosophen. Mehr als 1500 Familien hat man so seit der Gründung begleitet, 100 bis 120 Begleitungen gibt es im Jahr. Die Freiwilligen schenken Zeit für Gespräche, zum Zuhören oder für das, was die Menschen eben gerade benötigen.

Auch im stationären Hospiz kommen Ehrenamtler zu genau diesem Zweck zum Einsatz. Eine von ihnen ist Beatrix Lichtenberger. „Als ich in Rente gegangen bin, habe ich mich gefragt, was ich mit meiner Zeit anfangen möchte“, sagt sie. Als der Kurs angeboten wurde, habe er ihr gut gefallen. „Das ist eine sinnvolle Aufgabe. Wir können uns ganz auf die Gäste einlassen, bringen die Zeit mit. Um zu reden, eine Runde ,Mensch ärgere Dich nicht‘ zu spielen oder einfach nur die Hand zu halten. Und wenn die Menschen das gerade benötigen, dann ist das eben genau das Richtige“, sagt sie. Früher sei ihre Arbeit vom Druck geprägt gewesen, fertig zu werden. Das sei hier ganz anders. „Die Ruhe des Hauses strahlt auf einen aus“, sagt sie. Das Angebot nehmen übrigens nicht nur die Gäste gerne an, sondern auch ihre Familien. Denn auch dort ist allzu oft ein offenes Ohr und eine offene Hand wichtig.

 Die Gesundheits-Krankenpflegerin Julia Haan am Bett von Leonie Reintjes. Die hellen Zimmer haben alle eine eigene Terrasse, über dem Kopfende des Bettes prangt ein großes Blumenbild.

Die Gesundheits-Krankenpflegerin Julia Haan am Bett von Leonie Reintjes. Die hellen Zimmer haben alle eine eigene Terrasse, über dem Kopfende des Bettes prangt ein großes Blumenbild.

Foto: Markus van Offern
 Ein Blick in die Räume der Hospiz-Mitarbeiter. 26 Köpfe umfasst das Team.

Ein Blick in die Räume der Hospiz-Mitarbeiter. 26 Köpfe umfasst das Team.

Foto: Markus van Offern (mvo)
 Durch den Altbau des ehemaligen Pfarrhauses geht der Blick in den modernen Neubau.

Durch den Altbau des ehemaligen Pfarrhauses geht der Blick in den modernen Neubau.

Foto: Markus van Offern (mvo)
Ein kleiner Tisch mit einer Kerze steht vor einem Zimmer im Hospiz. Wird sie entzündet, hat es einen Verstorbenen im Haus gegeben.

Ein kleiner Tisch mit einer Kerze steht vor einem Zimmer im Hospiz. Wird sie entzündet, hat es einen Verstorbenen im Haus gegeben.

Foto: Markus van Offern (mvo)
Karten zum Dank und Andenken haben Angehörige dem Hospiz hinterlassen.

Karten zum Dank und Andenken haben Angehörige dem Hospiz hinterlassen.

Foto: Markus van Offern (mvo)
 Marlene Loth-Lohmann, Julia Haan, Katrin Nienhaus-Wächter, Julia Loth, Beatrix Lichtenberger und Marion Aryus (von links).

Marlene Loth-Lohmann, Julia Haan, Katrin Nienhaus-Wächter, Julia Loth, Beatrix Lichtenberger und Marion Aryus (von links).

Foto: Markus van Offern (mvo)
Auch Raum, Abschied zu nehmen, wird in Donsbrüggen gelassen.

Auch Raum, Abschied zu nehmen, wird in Donsbrüggen gelassen.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Wie dankbar die Angehörigen dafür sind, wird im Foyer des Hauses deutlich. Hier liegt ein Gästebuch, in dem die Hinterbliebenen an ihre Verstorbenen erinnern können. Daneben findet man Steine, geschmückt mit ihren Namen. Sie werden später einen Platz unter Bäumen finden, die im Garten gepflanzt wurden. Auch eine große Kerze steht im Eingangsbereich. Wenn sie entzündet wird, ist ein Gast gestorben. Hat eine Familie Abschied genommen, die Begleitung ein Ende gefunden. Auch heute flackert ihr Licht. Man findet das ganze Leben im Hospiz – und dazu gehört eben auch der Tod.

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