Interview Kleves Kämmerer Willibrord Haas „Das sind Haushalts-Überschüsse, die es gar nicht gibt“

Kleve · Der Klever Kämmerer erläutert, weshalb er in der Ratssitzung von „kreativer Buchführung“ des Landes sprach, und wie es um den Etat bestellt ist.

 Kämmerer Willibrord Haas, Ratssaal in Kleve

Kämmerer Willibrord Haas, Ratssaal in Kleve

Foto: Klaus-Dieter Stade (kds)

Der Bund unterstützt einerseits die Kommunen, indem er Corona-bedingte Gewerbeausfälle auffängt, und ermöglicht den Städten und Gemeinden andererseits, die Defizite in den Corona-Haushalten zu isolieren. Der Klever Kämmerer bezeichnete dies in der Ratssitzung als kreative Buchführung. Wir sprachen mit Willibrord Haas.

Herr Haas, das Land ermöglicht Kommunen, die aus der Covid-19-Pandemie folgenden Belastungen der kommunalen Haushalte zu isolieren. Was bedeutet das eigentlich – hat Kleve jetzt mehr Geld?

Willibrord Haas  Zunächst einmal gibt das Gesetz vor, die „Finanzschäden“ aus der Pandemie zu isolieren: Das ist für Kleve auf Grundlage des Haushaltsplan 2020 und der Finanzplanung für 2021 eine Corona bedingte Korrektur von 8,7 Millionen Euro. So dass sich das bisherige Defizit von rund 6 Millionen Euro zu einem Überschuss von rund 1,8 Millionen Euro wandelt.

Damit hätte die Stadt ja eigentlich kein Defizit, sondern ein Plus?

Haas Das sieht aber nur so aus: Diese neue gesetzliche Regelung berücksichtigt aber nicht ausreichend die Vorgaben des Hauhaltsgrundsätzerechtes, das Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit verlangt. Tatsächlich fehlt aber für den normalen Bürger durch diese neue gesetzlich Maßnahme die Transparenz: Es wird nicht hinreichend klar, dass es sich um reine Buchungstechnik handelt und dies keine tatsächliche weitere finanzielle Unterstützung darstellt.

Können Sie uns das erklären?

Haas Erst mit der Haushaltssatzung 2025 muss der Rat eine Entscheidung treffen, ob das aufgelaufene Defizit – in unserem Fall in Kleve geschätzt rund 24,6 Millionen Euro – dann direkt gegen das Eigenkapital erfolgsneutral gebucht werden oder dieser Betrag über 50 Jahre abgeschrieben werden kann.

Das heißt, die Verluste tauchen fünf Jahre gar nicht in den Haushalten auf, um dann auf einen Schlag zu kommen?

Haas Genau. Faktisch werden – wie 2021 – dadurch Überschüsse dargestellt, die gar nicht existieren. Für mich ist das nur kreative Buchführung. Dadurch werden die tatsächlichen finanziellen kommunalen Verhältnisse verschleiert.

Es gab aber auch „richtiges“ Geld von Land und Bund wie die aufgefangenen Verluste bei der Gewerbesteuer?

Haas Ja, Bund und Land haben gerade die Kommunen 2020 erheblich finanziell unterstützt. Dafür möchte ich mich hier nochmals ausdrücklich bedanken. Dies ändert aber nichts an meiner Einschätzung, dass dieser gesetzlich vorgegebene Weg den Kommunen nur scheinbar hilft.

Danke für das Gespräch

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