Kleve Kleve im Rollstuhl-Test

Kleve · Schüler des Berufskollegs haben untersucht, wie rollstuhl-freundlich Geschäfte, Arztpraxen und Verkehrsmittel in Kleve sind. Das Projekt hat vielen die Augen geöffnet – nicht nur Ladenbesitzern, sondern auch den Schülern selbst.

 Jana Kunz (links), Max Dietze und Verena Hans waren mit Klassenkameraden in Kleve unterwegs. Erst hinterher haben Geschäftsleute, Ärzte und Behörden-Mitarbeiter erfahren, dass die Schüler nicht auf den Rollstuhl angewiesen sind.

Jana Kunz (links), Max Dietze und Verena Hans waren mit Klassenkameraden in Kleve unterwegs. Erst hinterher haben Geschäftsleute, Ärzte und Behörden-Mitarbeiter erfahren, dass die Schüler nicht auf den Rollstuhl angewiesen sind.

Foto: Evers

Schüler des Berufskollegs haben untersucht, wie rollstuhl-freundlich Geschäfte, Arztpraxen und Verkehrsmittel in Kleve sind. Das Projekt hat vielen die Augen geöffnet — nicht nur Ladenbesitzern, sondern auch den Schülern selbst.

"Einen Kaffee zum Mitnehmen bitte!" Nur eine Minute später hält Kerstin Leuven ihren Becher in der Hand. Die Bedienung war freundlich, der Kaffee ist heiß und duftet herrlich. Doch als Kerstin Leuven mit "ihrem" Rollstuhl den Ausgang des Klever Cafés erreicht, ist erstmal Endstation. Die dicke Glastür kann sie als Rollstuhlfahrerin nicht öffnen. Und die Bedienungen sind schon längst mit den nächsten Kunden beschäftigt. Keiner hilft. "In so einer Situation ist man als Rollstuhlfahrer echt aufgeschmissen", sagt die 18-Jährige.

Mit ihren Klassenkameraden der 12A der Fachoberschule für Sozial- und Gesundheitswesen des Berufskollegs in Kleve hat sie ein Soziologie-Projekt durchgeführt. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage: "Wie rollstuhl-freundlich ist Kleve?" Die Schüler waren in Gruppen eingeteilt und testeten Klever Gastronomiebetriebe, Textil- und Lebensmittelgeschäfte, Arztpraxen, Behörden und öffentliche Verkehrsmittel. Dabei waren sie "anonym" in Rollstühlen unterwegs — niemand konnte ahnen, dass sein Gegenüber in Wirklichkeit nicht auf den Rollstuhl angewiesen ist.

Max Dietze war mit dem Rollstuhl in Klever Arztpraxen unterwegs. "Die Wartezimmer waren meist groß genug, um mit dem Rollstuhl dort Platz zu finden. Auch die Toiletten waren oft behindertengerecht", berichtet der 19-Jährige. Rollstuhlfahrer hätten davon jedoch nichts. "Viele Arztpraxen sind in Altbauten untergebracht, in denen es keine Fahrstühle gibt", benennt Dietze ein großes Manko. Am besten abgeschnitten im Test der Schüler haben übrigens die Zahnärzte, denn ihre Praxen liegen meist ebenerdig. Die Klever Behörden erreichten im Durchschnitt ein gutes Ergebnis. "Mit Ausnahme des Arbeitsamts waren alle Behörden rollstuhlgerecht. Landrat Wolfgang Spreen persönlich hat von uns für das Gesundheitsamt eine grüne Plakette entgegengenommen. Die bescheinigt der Behörde, dass sie rollstuhl-freundlich ist", sagt Verena Hans (18).

Alle getesteten Lebensmittelgeschäfte haben gut abgeschnitten. "Allerdings bemängeln wir, dass die Regale zu hoch liegen. Als Rollstuhlfahrer kann man viele Waren nicht erreichen", betont Jana Kunz (18). "Die Mitarbeiter sollten deshalb besonders aufmerksam gegenüber Rollstuhlfahrern oder kleinen Menschen sein und ihnen ihre Hilfe anbieten", fordert die Schülerin. Alle Textilgeschäfte haben die grüne Plakette erhalten. Charleen Borowski (17) war im Rollstuhl mit Bus und Bahn unterwegs. Ihr Fazit: "Eigentlich gab es nichts zu bemängeln. Man hat uns Rampen hingelegt, und es gab genügend Platz."

So mancher Ladenbesitzer ist ins Grübeln gekommen, nachdem er von den Schülern eine rote Plakette erhalten hat. Ein Arzt hat sogar angekündigt, seine Praxis umbauen zu wollen. Und auch den Schülern hat ihr Projekt viel gebracht. "Wir sehen unser Leben jetzt aus einer anderen Perspektive", sagt Jana Kunz.

(RP/url)
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