Corona-Krise Die Händler sind im Krisen-Modus

Kleve · Die Corona-Pandemie trifft die Einzelhändler stark. Die Ladenmiete und die Gehälter des Personals hängen wie ein Damoklesschwert über ihnen. Um ihr Geschäft am Leben zu halten, gehen viele ungewöhnliche Wege.

 Marco Haan und Michael Kotters vor ihrem wegen der Corona Krise geschlossenen Haushaltswarengeschäft „Kotters“.

Marco Haan und Michael Kotters vor ihrem wegen der Corona Krise geschlossenen Haushaltswarengeschäft „Kotters“.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Der Laden ist dunkel. Hinter verschlossenen Türen sitzt Nina Kiesow in ihrem Büro. Die Geschäftsführerin des gleichnamigen Lederwarenfachgeschäfts und Präsidentin des Handelsverbands Lederwaren (BLE) muss sich irgendwie damit abfinden, dass sie ihr Geschäft mitten in der Klever City während der Corona-Krise erstmal nicht mehr öffnen darf. „Das ist für mich noch eine sehr surreale Situation. Die Frühjahrs- und Sommerware ist da, und die Kunden dürfen nicht hinein und kaufen. Das ist das Schlimmste, das einem als Händler passieren kann. Bis vor wenigen Tagen hätte ich mir so etwas nicht vorstellen können. Auch viele meiner Handelskollegen sind entsetzt“, sagt sie.

Sie versucht, kreativ mit der Lage umzugehen. Einen Online-Shop betrieb das Geschäft bislang nicht, doch jetzt, da die Umsätze nicht mehr im Laden gemacht werden können, ist aus der Not eine Tugend entstanden. „Wir bekommen viel Feedback auf Facebook und per E-Mail. Die Leute fragen nach bestimmten Produkten auf diesem Weg an“, berichtet Nina Kiesow. Und sie antwortet auf die Anfragen, schickt Bilder, formuliert Produktbeschreibungen, schreibt Rechnungen und gibt Pakete auf. „Das ist ein ganz anderes Verkaufen. Wir erlernen das gerade“, sagt Kiesow. Gleichwohl: Die Verluste, die die Ladenschließung mit sich bringen, könne das alles nicht auffangen, betont die Händlerin.

Um Kurzarbeit werde man wohl nicht drumherum kommen, so Kiesow. Auch die von Bundeswirtschaftsminister Altmaier angekündigten Soforthilfe (siehe Infokasten) will sie beantragen. Wie lange ihr Betrieb durchhalten könne? „Ich würde mal sagen, vier bis sechs Wochen höchstens. Darüber hinaus wird es extrem schwer“, sagt Kiesow. Was die laufenden Kosten wie Ladenmiete und Warenlieferungen angeht, sagt sie: „Wir sind mit unserem Vermieter und den Lieferanten in guten Gesprächen.“

Einige Meter weiter die Stadt abwärts liegt der „Kindertraum Kleve“ von Kathrin Kersting. Die Unternehmerin betreut derzeit vom Homeoffice aus ihren Online-Shop, sie ist im siebten Monat schwanger. Ihr Mann liefert an die Kunden im kleineren Umkreis die Pakete aus, die sie packt. Aber auch sie sagt: „Die Einnahmen online können nicht die Verluste durch die Ladenschließung auffangen.“ Ihre drei Mitarbeiter hat sie gebeten, Urlaubsstunden abzubauen und Resturlaub zu nehmen. Und danach? Kersting weiß es nicht. „Ich gehe davon aus, dass Mitte April noch nicht das Ende der Corona-Krise ist“, sagt sie. Und die Personalkosten, die Ladenmiete – all das läuft munter weiter. Aber es gibt auch Erlebnisse, die schön sind: Am Dienstagmorgen traf eine Mail eines Stammkunden ein, der im „Kindertraum“ regelmäßig Spielsachen für seine Enkel einkauft. Er hat angeboten, Kathrin Kersting mit 30 Euro zu unterstützen. „Er hat das total lieb geschrieben. Das hat mich echt berührt“, sagt die Ladenbesitzerin.

Florist Josef Erkens vom „Klever Blumengarten“ bekam am Donnerstag Besuch vom Ordnungsamt, das anordnete, dass Erkens seinen Laden schließen müsse. Am Sonntag trudelte dann eine E-Mail vom Land NRW bei Erkens ein. Darin heißt es, dass Floristen öffnen dürfen, solange sie Mindestabstände und Schutzvorrichtungen für das Kassenpersonal sicherstellen. Ihm fiel ein Stein vom Herzen. Denn durch die strengen Bestimmungen kämen zurzeit deutlich weniger Kunden. Erkens berichtet: „1000 Tulpen musste ich schon entsorgen.“

Michael Kotters vom gleichnamigen Haushaltswarenfachgeschäft an der KIavarinerstraße in Kleve hat bis zuletzt versucht, den Laden am Laufen zu halten. „Wir wollten, solange die Öffnung noch erlaubt war, die Kunden an der Tür empfangen, ihnen die Waren dort aushändigen. Wir haben uns dann aber im Sinne der Gesundheit unserer Mitarbeiter entschieden, ganz zu schließen“, sagt Kotters. Jetzt wird das Geld knapp. „Ich bin um jeden Euro verlegen“, sagt Kotters in der typischen Sprechweise des Niederrheiners. Will heißen: „Ich bin froh, um jeden Euro Umsatz, den ich jetzt noch machen kann.“ Seine fünf Festangestellten sind in Kurzarbeit. Kotters baut auf die Reichweite von Sozialen Medien. Auf Facebook preist er ausgesuchte Waren an, schreibt einen Wettbewerb aus: „Wer malt das schönste Osterbild?“ Der Hauptpreis, das ist ein Schoko-Osterhase, gefertigt von Martin Marx von der „Schokoladenmacherei“, einige Meter weit vom Kotters-Ladenlokal auf der Kavarinerstraße entfernt.

Vielleicht ist das der schönste Nebeneffekt an der ganzen Corona-Krise: Die Menschen halten wieder mehr zusammen, auch die Geschäftsleute. Als eine Kundin online anfragte, ob ihr Kotters eine Backform liefern könnte und dann vielleicht gleich noch etwas Wolle von Gaby Kreusch, die gegenüber von Kotters den Laden „Yarndesign“ betriebt, hat Kotters der Bitte gleich entsprochen, die Wolle bei Kreusch besorgt und dem Kunden mit der Backform geliefert.

„Wir Händler müssen jetzt alle zusammenstehen, uns unterstützen“, sagt Kotters. Er hofft, dass sich nun auch die Vermieter solidarisch zeigen. „Meine große Bitte an die Vermieter ist, dass sie sich überlegen, ob sie in diesen Zeiten einen Teil der Pacht erlassen können“, sagt er. Wann sich die Türen seines Ladens wieder öffnen? Kotters weiß es nicht.

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