Interview Das ist Kleves Klimaschutzmanager

Der Klever hat in Bolivien an Universitäten gelehrt und geforscht sowie Umwelterziehung betrieben.

 Christian Bomblat ist jetzt der Klimschutzbeauftragt im Klever Rathaus. Den Kermisdahl und viele andere wichtige Stellen seiner neuen Wirkungsstätte hat er schon kennengelernt.	 RP-Foto: Markus van Offern

Christian Bomblat ist jetzt der Klimschutzbeauftragt im Klever Rathaus. Den Kermisdahl und viele andere wichtige Stellen seiner neuen Wirkungsstätte hat er schon kennengelernt. RP-Foto: Markus van Offern

Foto: Markus van Offern (mvo)

Obwohl Sie gebürtiger Klever sind, werden viele Bürger Sie nicht kennen. Bitte stellen Sie sich einmal kurz vor.

Christian Bomblat Geboren wurde ich 1964 in Hannover. Da mein Vater bei der Luftwaffe war, mussten wir oft umziehen und so verbrachte ich die ersten acht Jahre in München, Landsberg, Penzing und Manching. 1972 kam ich nach Kleve wo ich 1980 die mittlere Reife und 1983 das Abitur abgelegt habe. Nach zwei Schüleraustauschen in Seattle, USA habe ich 1984-85 meinen Wehrdienst als Sanitäter geleistet. Danach verbrachte ich 12 Monate in Bolivien, wo ich während eines selbstbezahlten freiwilligen Jahres in einem staatlichen Kinderheim Kinder in urban gardening und außerdem Renovierungsarbeiten angeleitet habe. 1990 schloss ich ein Bachelor Studium der Umweltwissenschaften in Arkansas, USA ab. Meine Master-Arbeit über die Abwasserreinigung im ländlichen Raum (Bodenkunde-Schwerpunkt Bodenmikrobiologie) beendete ich 1993. Danach arbeitete ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter und als Bauschreiner in den USA, bevor ich 1995 wieder nach Bolivien zurückkehrte. In Bolivien habe ich von 1995 bis 2007 an verschiedenen Universitäten in den Umwelt- und Umweltingenieurswissenschaften gelehrt und geforscht. Parallel leitete ich zahlreiche Umwelterziehungs- und -schutzprogramme mit nationalen und internationalen Partnern. Von 2007 bis 2020 habe ich eine landwirtschaftliche Versuchsanstalt geleitet. Regelmäßig habe ich jedoch meine Urlaube in Kleve verbracht und mich an der fortschrittlichen Stadtentwicklung erfreut. Außerdem hielt ich Vorträge über Umwelt- und Landwirtschaftsthemen an weiterführenden Klever Schulen, auf Haus Riswick und an der HSRW.

Zuletzt waren Sie Leiter einer landwirtschaftlichen Versuchsanstalt in Bolivien. Warum haben sie diesen Job aufgegeben?

Bomblat Nach einer kompletten Neuausrichtung und Konsolidierung der Schweizer Versuchsanstalt, wird diese, nach einem von mir konzipierten Projekt, in den kommenden Jahren international positioniert. Dieser Prozess wird 3-5 Jahre dauern (2020-2025) und hat ein Investitionsvolumen von mehreren Millionen Dollar. Da ich eine 80-jährige Mutter habe, konnte ich nicht garantieren, dass ich bis 2025 in Bolivien bleibe. Deshalb habe ich mich schon 2017 entschlossen, mittelfristig nach Deutschland zurückzukehren.

Wie sind Sie an die Stelle des Klimaschutzmanagers gekommen?

Bomblat Meine Mutter lebt in Kellen. 2019 hat die Stadt Kleve die Stelle des Klimaschutzmanagers ausgeschrieben. Das geforderte Profil und meine Ausbildung, Erfahrungen und Interessen passen gut zusammen, daher bewarb ich mich.

Wozu ist ein Klimaschutzmanager da? Was sind Ihre Aufgaben?

Bomblat Als Klimaschutzmanager koordiniere ich die Umsetzung der im fortgeschriebenen Klimaschutzfahrplan (2019) beschriebenen Maßnahmen. Ich übernehme Aufgaben der Projektsteuerung und der Koordinierung der Projektumsetzung. Meine Aufgabe ist es, die Fachbereiche der Verwaltung sowie Kooperationspartner aus der Stadtgesellschaft in die Prozesse einzubeziehen und zu beraten sowie Impulse für den Klimaschutz in die Bürgerschaft zu geben.

Wesentlichen Aufgaben sind zum Beispiel die: Initiierung, Koordinierung und Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen aus den Bereichen klimafreundliche Mobilität, Energetische Sanierung/Energieeffizienz und Ausbau Erneuerbarer Energien. Weite Aufgaben sind fachbereichsübergreifendes Projektmanagement innerhalb der Verwaltung, Öffentlichkeitsarbeit, Planung und Organisation von Veranstaltungen und Kampagnen, Beratung der potentiellen öffentlichen, privaten und bürgerschaftlichen Akteure, Vernetzung wichtiger lokaler und regionaler Klimaschutzakteure, Datenerfassung und Fortsetzung der Energie- und Treibhausgas-Bilanz, Aufbau eines Klimaschutz-Controlling-Systems, Erstellung eines jährlichen Klimaschutzberichtes und Berichterstattung in politischen Gremien.

Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?

Bomblat Mein Ziel ist es, die nötigen Impulse zu geben und unterstützend einzugreifen, damit der Klimaschutzfahrplan zügig umgesetzt werden kann. Weiterhin bin ich sehr daran interessiert, mit meinen Kollegen, neue Ideen zu entwickeln und umzusetzen.

An welchen Stellen hat Kleve Potential, Klimaschutz noch besser umzusetzen?

Bomblat Seit dem Beginn der industriellen Revolution (1760) hat die Menschheit immer mehr Treibhausgase in die Atmosphäre eingebracht. So stieg der CO2 Gehalt von 280 ppm auf heute über 415 ppm. Damit haben wir den Klimawandel ausgelöst. Soweit die wissenschaftliche Erklärung. Obwohl Kleve schon sehr viel getan hat, zum Beispiel die saubere ˶Industrieˮ Hochschule Rhein Waal nach Kleve zu holen, kann und muss Kleve den Klimaschutz weiterhin in allen Bereichen verbessern, da bis 2050 der CO2 Ausstoß um 95 Prozent gesenkt werden muss. Dafür sind im Klimaschutzfahrplan der Stadt 46 Einzelmaßnahmen in den Bereichen Energieeinsparung im Gebäudebestand und kommunalen Einrichtungen (7), Erneuerbare Energien (7), Klimafreundliche Stadtentwicklung (14) und Öffentlichkeitsarbeit (18) beschrieben. Es gilt, diese und zusätzliche Maßnahmen zügig umzusetzen. Dafür muss die Stadt Kleve weiterhin ihrer Vorreiterrolle gerecht werden, sei es durch die Optimierung von internen Prozessen oder durch Leuchtturmprojekte wie z. B. die Europa-RadBahn, die Thermokompaktanlage und die Klimaschutzsiedlungen.

6) Was kann jeder Bürger tun?

Bomblat Jede Entscheidung von uns hat einen direkten Einfluss auf unser Klima. Wir sind deshalb alle für den Klimaschutz verantwortlich. Aktuell sind wir in Klever für den Ausstoß von jährlichen etwa 8 t CO2 pro Person erantwortlich. Das ist weniger als der Durchschnitt in Deutschland (9 t), aber viel mehr als das Ziel von 0,6 t für das Jahr 2050. Um das Ziel zu erreichen, müssen wir uns jeden Tag fragen, ob es nicht besser ist das Fahrrad zu nehmen, oder mit dem Auto zu fahren? Kaufe ich ein Auto mit Verbrennungsmotor, oder schaffe ich mir ein Elektroauto an? Ist die Flugreise auf die Malediven nötig, oder kann ich mich auch bei einer Fahrradtour erholen? Möchte ich einen Steingarten anlegen, oder pflege ich einen klima- und insektenfreundlichen Garten? Denke ich an das Obst- und Gemüsenetz, oder nehme ich die Plastiktüte? Es gibt unendlich viele Beispiele, um sich aktiv für den Klimaschutz einzusetzen … und dabei auch noch Geld zu sparen. Ich empfehle das Buch Faktor Vier. Doppelter Wohlstand - halbierter Naturverbrauch (von Weizsäcker, Hunter und Hunter

Lovins). Dieses Buch enthält zahlreiche praktische Beispiele, wie wir persönlich, aber auch als Gesellschaft, durch den effizienten Umgang mit den Ressourcen das Klima schützen können und gleichzeitig alle besser leben könnten, als wir das im Augenblick tun. Also, was kann jeder Bürger tun? Jeder kann jeden Tag noch klimafreundlicher leben als am Tag zuvor. Manchmal reicht es schon das Licht auszumachen, wenn ich es nicht brauche, um mich auf meinen persönlichen Klimaschutzweg zu begeben und/oder auf ihm ein Stück weiterzugehen.

Ihre Stelle ist auch aufgrund der Proteste der Fridays-For-Future-Bewegung und durch die Ausrufung des symbolischen Klimanotstands geschaffen worden. Stehen sie mit den jungen Leuten in Kontakt? Stimmen Sie sich bei Projekten/Maßnahmen mit Fridays-For-Future ab?

Bomblat Fridays-For-Future, der Klimanotstand und die Einstellung des Klimaschutzmanagers haben zwar alle etwas mit dem Klima zu tun, aber Kleve hat schon seit 2014 einen Klimaschutzfahrplan und die Sensibilität für die nachhaltige Entwicklung Kleves reicht noch viel weiter zurück. Die Einstellung des Klimaschutzmanagers war an die Bewilligung eines umfangreichen Förderantrags durch den Projektträger im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gebunden. Die Mittel wurden im Dezember 2019 bewilligt. Im Juni 2019 erfolgte bereits die vorbehaltliche Stellenausschreibung, um die Stelle so früh wie möglich zu besetzen. Vor meiner Einstellung als Klimaschutzmanagers habe ich am 26. August 2019 am Bürgerdialog von FFF teilgenommen. Dort habe ich einen Vortrag über den Klimaschutz in Bolivien gehalten. Der Vortrag war durch die extensiven Waldbrände in Brasilien und Bolivien geprägt. Es ging aber auch um die Frage, ob es möglich ist, gemeinsam Klimaschutzprojekte zu entwickeln. Seit meiner Einstellung habe ich leider wegen des Corona Virus noch keinen Kontakt zu FFF gehabt. Ich werde mich sicherlich bald mit den Jugendlichen von Fridays-For-Future treffen, sowie mit Scientists-For-Future und Grannies-For-Future, um den Klever Maßnahmenkatalog vorzustellen und, um den Katalog mit interessante Vorschläge

und Initiativen zu ergänzen. Das Ziel ist es Synergien zu schaffen. Mit anderen Worten, ja, ich werde auch FFF einbeziehen.

Wird ihre Stelle dafür sorgen, dass der städtische Haushalt durch Klimaschutzmaßnahmen stärker belastet wird?

Bomblat Generell sind Investitionen in den Klimaschutz Investitionen in die unmittelbare, mittel- und langfristige Zukunft. Wenn heute LEDs installiert werden, sinken ab morgen die Kosten für die Stromrechnung. Wenn morgen Fassadenbegrünungen von der Stadt bezuschusst werden, fallen in kurzer Zeit die Temperaturen in der Innenstadt und die Menschen geben im Sommer weniger Geld für die Kühlung der Gebäude aus. Eine niedrigere Strom-, Gas- oder Ölrechnung bedeutet gleichzeitig auch weniger Treibhausgase und mehr Klimaschutz. Eine langfristige Investition ist zum Beispiel die Thermokompaktanlage in Salmorth, die nicht nur den Ausstoß von Treibhausgasen verringern wird, sondern auch dazu führt, die Energiekosten zu senken. Das heißt, kurzfristig kostet der Klimaschutz oftmals Geld aber mittel- und langfristig schüttet der Klimaschutz hohe Dividenden aus. Oft kostet Klimaschutz jedoch nicht einmal mehr Geld. Aber es kostet uns oft Mühe, aus eingefahrenen Schemata auszubrechen und Neues umzusetzen. Zum Beispiel werden Wildblumenwiesen viel weniger gemäht, saugen mehr Regenwasser auf, schützen die Insekten und filtern Feinstaub aus der Luft. Jedoch müssen wir uns erst einmal daran gewöhnen, dass nicht alle Grünflächen der Stadt Kleve immer

englischem Rasen gleichen. Oder gleicht sich das etwa dadurch aus, dass Sie Fördergelder, Prämien und Preise für diese Maßnahmen hereinholen? Grundsätzlich existieren eine Vielzahl von Fördermöglichkeiten im Bereich von Umwelt- und Klimaschutz. Die Stadt Kleve bewirbt sich schon jetzt erfolgreich um Drittmittel. So wird auch die Stelle des Klimaschutzmanagers zu einem hohen Anteil über Drittmittel finanziert. Ziel ist es nicht nur die Bürger zu Investitionen in den Klimaschutz zu animieren (z. B. durch die Sanierung von Altbauten), sondern auch mit herausragenden Projekten bei Wettbewerben teilzunehmen, um sich für weitere Fördermittel, Prämien und Preise zu qualifizieren.

Vielen Dank für das Gespräch!

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