Pro Kleve braucht den Schmähpreis „Sauerste Zitrone“

Kleve · Die Offenen Klever planen, die „Sauerste Zitrone“ zu verleihen. Ein Preis für den hässlichsten Umbau oder Neubau in der Stadt Kleve. In einem Pro und Contra diskutieren wir das Thema. Was sagen Sie zum Thema? Schreiben Sie uns ihre Meinung an kleve@rheinische-post.de

  Unser Redakteur Matthias Grass ist für einen Architektur-Schmähpreis in Kleve.

Unser Redakteur Matthias Grass ist für einen Architektur-Schmähpreis in Kleve.

Foto: van Offern, Markus (mvo)

Kleve ist eine Stadt der Alleen. Der Klever Bernward von Chamier, weiland Professor für Architektur, hat mal gesagt, ein guter Städtebau ist wie eine Allee: Die Häuser stehen in einem vernünftigen Abstand zueinander und geben in Höhe und Ausrichtung ein gesamtes, ausgewogenes Bild ab. Jedes Gebäude für sich ist individuell.

Architektur ist Geschmackssache, sagen viele. Sicher, wenn es um die Farbe der Klinker oder die Form der Fenster geht, um das Material der Tür. Darüber kann man streiten, aber einen Preis verleihen? Dann auch noch für das hässlichste Haus? Dafür sicher nicht. Aber wenn es darum geht, wie sich ein Gebäude in das Gesamtgefüge Stadt einpasst, ist das schon nicht mehr Geschmacksache: Wie stehen die Gebäude zu ihren Nachbarn? Erschlagen sie sie, ergänzen sie sie? Gute Gebäude sind für den Ort entworfen und der Planer hat auch mal nach rechts oder links geschaut, nimmt Rücksicht auf die Topografie des Ortes. Viel teurer muss der Bau deshalb nicht werden. Der Architekturtheoretiker Magnago Lampugnani fordert eine formal disziplinierte, ortstypische und ästhetisch nachhaltige Architektur und spricht von der Modernität des Dauerhaften.

Diese Dauerhaftigkeit, die zugleich eine gewisse Wertigkeit beinhaltet, ist nicht unbezahlbar, wie es oft in Totschlagargumenten heißt: Ganz im Gegenteil. Sie zahlt sich langfristig aus, wie ein Klever Investor, der eben nicht für den schnellen Profit beim sofortigen Wiederverkauf baut, sondern für eine langfristige Vermietung. Gute Beispiele sind der Netto-Bau mit seiner sorgfältig gestalteten Klinkerfassade, sind auch die Bauten auf dem ehemaligen Union-Gelände. Beides Vorhaben, die auch sozialen Wohnungsbau bieten. Nur so, wegen der Bezahlbarkeit. Die Bürger des Mittelalters präsentierten stolz mit den Giebeln ihrer Häuser ihre bürgerliche Stellung. Darin steckte auch eine Art soziale Kontrolle. Heute weiß keiner, welcher Name hinter den Häusern, mögen sie gut oder billig sein, steht.

Auch der Preis „Sauerste Zitrone“ wäre eine Art sozialer Kontrolle: Vielleicht regt er den einen oder anderen Planer an, mal über die Wirkung seines Gebäudes nachzudenken, ob er selber gerne neben oder in dem Haus wohnen möchte, das er da zeichnet. Unmut über unpassende Häuser ist allerorten zu hören.

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