Ron Manheim stellt Buch vor „Beuys war unter der esoterischen Käseglocke“

Kleve · Das nächste Buch liegt jetzt vor: Ron Manheim, einst stellvertretender Leiter von Museum Schloss Moyland, hat „Beim Wort genommen. Joseph Beuys und der Nationalsozialismus“ geschrieben. Vorgestellt wurde das Buch in der Buchhandlung Hintzen.

 Ron Manheim stellte in der Klever Buchhandlung Hintzen sein neues Buch vor.

Ron Manheim stellte in der Klever Buchhandlung Hintzen sein neues Buch vor.

Foto: Matthias Grass

Ron Manheim möchte Joseph Beuys neu interpretieren. Denn es sei falsch, den weltbekannten Künstler vom Niederrhein als „Universalgelehrten“ zu sehen. Es sei aber ebenso falsch, ihn als nationalsozialistischen Wortführer einzuordnen, sagt er mit Blick auf die Thesen von Beat Wyss und später in der Biografie von Hans Peter Riegel, die von Beuys als dem „ewigen Hitlerjungen“ sprechen. „Mein Buch sucht den Weg zwischen Heiligsprechung und Verdammnis und wendet sich ganz klar gegen die Tendenz, Beuys zu überhöhen“, so Manheim.

Manheims Vorwurf mit Blick auf den Nationalsozialismus an Beuys: Dieser habe es zeitlebens nicht geschafft, sich kritisch mit dem Dritten Reich, seiner Schulzeit, der Zeit in der Hitlerjugend und der Zeit als Soldat auseinander zu setzen. Und vor diesem Hintergrund müsse man Beuys hinterfragen, vielleicht neu interpretieren. Auch mit Blick auf die Esoterik Rudolf Steiners, die bei dem Künstler aus Kleve eine viel größere Rolle spiele als bisher bedacht. Dazu hat Manheim Reden von Beuys untersucht, die entsprechenden Stellen zitiert und interpretiert. Daher auch der Titel des Buches: „Beim Wort genommen. Joseph Beuys und der Nationalsozialismus.“

„Ich bin bis heute ein großer Bewunderer seiner Werke“, sagt Manheim. Aber man müsse seine Werke in der direkten Betrachtung erleben, man dürfe nicht seinen theoretischen Überbau, seine in Teilen „unsäglichen Aussagen“ dazu im Kopf haben, sagt der Kunsthistoriker. Eine Rede Beuys haben den Ausschlag gegeben, sich intensiv mit dem Thema zu befassen. Er habe diese gelesen und sie habe ihn erschüttert, wie Manheim im Vorwort des 142-Seiten-Buches deutlich macht. Beuys habe da von einer besonderen Aufgabe für das deutsche Volk gesprochen: Es müsse wegen der Genialität seiner Sprache vorangehen. Es sei nicht die Mahnung auf die entsetzlichen Verbrechen, welche dieses Volk in Europa begangen hat, gewesen, wie er, Manheim, vorauseilend gedacht habe, sondern die Sprache, die Deutschland erhöhe. „Daraufhin habe ich seine Reden untersucht und Zitate gefunden, die zeigen, dass Beuys seine Vergangenheit in der NS-Zeit nie kritisch hinterfragt hat“, sagt er. Mehrere Jahre habe er daran gearbeitet und könne jetzt den Band vorlegen.

Ein weiterer Schluss für ihn sei, dass Beuys von Kindheit an einen weltabgewandten Blick auf seine Zeit gehabt habe. Der Künstler sei in Kleve ohne wirkliche Freunde aufgewachsen, er sei ein einsamer Mensch gewesen, habe als Kind eine einsame Zeit erlebt. Ein Vielleser und mittelmäßiger Schüler, und so habe er später die Zeit des Nationalsozialimus immer aus seiner Sicht beschrieben, als etwas, das er erlebt habe, und es nicht kritisch hinterfragt. Als er gefragt worden sei, warum er sich freiwillig gemeldet habe, sagte Beuys auch, er wollte das Riskio und wollte überleben.

Dass Beuys in einer Art Scheinwelt gelebt habe, sei auch belegbar an den Lebensläufen, die der Klever sich zurechtgelegt habe, sagt Manheim. So habe Beuys mehrmals gesagt, er habe sich für ein Studium der Naturwissenschaften immatrikuliert, was aber nicht stimme. Nach dem Krieg habe er sich dann mit der Esoterik von Rudolf Steiner und germanischer Mythologie auseinandergesetzt. 

„Beuys war unter der esoterischen Käseglocke“, sagt Manheim. Den Nationalsozialismus an seiner Schule habe er verharmlost, habe die Schule damals als unabhängig gesehen, was aber nicht stimme, so der Kunsthistoriker. Sein Beispiel aus einer Diskussion Beuys’ mit Schülern (die Manheim mehrfach in seinem Buch zitiert): Es habe einen Lehrer in NS-Uniform gegeben, der dafür sorgte, dass jüdische Schüler von der Schule gehen mussten. Dazu habe Beuys gesagt, so Manheim bei der Buchvorstellung, der Mann sei ja gut durch die Entnazifizierung gekommen und habe sich wohl nichts zu schulden kommen lassen. „Da bin ich fassungslos“, sagt Manheim. Auch dieses Zitat zeige, dass Beuys nicht nur der kritische Blick auf die Zeit des Nationalsozialismus gefehlt habe, sondern auch auf die zeitgenössische politische Wirklichkeit. Beuys sei nie politisch gewesen, habe auch keine Grüne Politik gemacht, sagt Manheim.

Um das zu belegen, hat er mehrere Jahre jene Zitate gesucht und gefunden und sie entsprechend interpretiert und schließlich in seinem Buch veröffentlicht.

Ron Manheim: Beim Wort genommen. Joseph Beuys und der Nationalsozialismus. Neofelis-Verlag. ISBN 978-3-95808-344-8, 14 Euro.

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