Kleve Bedburg-Hauer erforscht "Hölle von Rees"

Kleve · Lukas Bergmann, 24-jähriger Student der Uni Duisburg-Essen, erforscht im Rahmen seiner Bachelor-Arbeit die Geschichte des "Konzentrationslagers" in Groin. 550 Menschen starben bis März 1945 in dem Arbeitslager.

 Lukas Bergmann (links) mit dem ehemaligen Kriegsgefangenen Jan de Louter (Mitte) vor dem Mahnmal in Appeldoorn. Der Reeser Pädagoge Bernd Schäfer hat Bergmanns Recherchen mit seinem Privatarchiv unterstützt.

Lukas Bergmann (links) mit dem ehemaligen Kriegsgefangenen Jan de Louter (Mitte) vor dem Mahnmal in Appeldoorn. Der Reeser Pädagoge Bernd Schäfer hat Bergmanns Recherchen mit seinem Privatarchiv unterstützt.

Foto: Michael Scholten

Lukas Bergmann aus Bedburg-Hau studiert an der Universität Duisburg-Essen Mathematik und Geschichte. Die Themen seiner Forschungsarbeiten findet der ehemalige Schüler des Klever Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums gleich vor der Haustür. Zum Beispiel hat er das Schicksal niederländischer Widerstandskämpfer in der NS-Zeit erkundet, die ihre Haftstrafen in Kleve verbüßten. Doch als sein früherer Niederländisch-Lehrer Jochem Reinkens anregte, eine Bachelor-Arbeit über das "Konzentrationslager in Rees" zu schreiben, war der 24-Jährige überrascht: Ein KZ? In Rees?

Gemeint war das Arbeitslager im Reeser Ortsteil Groin, in dem von Dezember 1944 bis März 1945 niederländische Zwangsarbeiter unter derart schlechten Bedingungen untergebracht waren, dass die Überlebenden bis heute von einem "Konzentrationslager" sprechen und den Beinamen "Die Hölle von Rees" benutzen.

Das relativ unbekannte Kriegsverbrechen begann vor 70 Jahren, am 2. Dezember 1944, als die deutsche Wehrmacht in der niederländischen Gemeinde Apeldoorn eine gewaltsame Razzia durchführte: Alle Männer zwischen 16 und 55 Jahren wurden mit Zügen ins niederrheinische Grenzgebiet deportiert. Hier mussten sie in den eiskalten Wintermonaten Wehrstellungen schaufeln, vor allem Panzer- und Schützengräben, die den Vormarsch der alliierten Kampfverbände stoppen sollten.

Allein im "Lager Groin", einer alten Dachziegelfabrik, waren 3500 Niederländer und 2000 Kriegsgefangene anderer Nationalitäten untergebracht. Bis sie im März 1945 durch britische Soldaten befreit wurden, starben 550 von ihnen an Kälte, Hunger, Krankheit und Erschöpfung, durch Artilleriebeschuss und die Prügelstrafen des Bauabschnittsleiters Peter Röhrig und des Lagerkommandanten Arnold Heinze. "Während die brutalen Leiter des Lagers aus dem Ruhrgebiet kamen, versuchten einzelne Reeser, den hungernden Arbeitern Essen zuzustecken", weiß Lukas Bergmann aus seinen Interviews mit Zeitzeugen: "Die Niederländer und die Niederrheiner verband eine ähnliche Sprache und eine ähnliche Mentalität - umso stärker war ihr Mitleid für die geschundenen Arbeiter."

Weniger lobende Worte findet der Student für die anfängliche Bereitschaft der Reeser, die Geschichte des Lagers nach dem Zweiten Weltkrieg aufzuarbeiten. "Verschwiegen und verdrängt" heißt das Kapitel, in dem er die ersten Jahrzehnte beschreibt, in denen die Initiative zur Erforschung und Versöhnung allein von niederländischer Seite ausging. "Bezeichnenderweise waren es Reeser Abiturienten, die 1983 den Stein ins Rollen brachten", sagt Lukas Bergmann. Damals schrieben Ruben Thiel, Johannes Gohl, Kai Kemkes und Benedikt Rösen im Rahmen eines landesweiten Wettbewerbs den Beitrag "Kriegsende in Rees". Unter Leitung ihres Lehrers Bernd Schäfer suchten und fanden sie Antworten auf die Frage, was damals im Lager Groin geschah. In direkter Folge wurde am Buß- und Bettag 1984 das durch Spenden mitfinanzierte Mahnmal für niederländische Zwangsarbeiter und jüdische Mitbürger am Busbahnhof errichtet, an dem jedes Jahr am 9. November Reeser und niederländische Gäste der Opfer gedenken. Außerdem schrieben Norbert Behrendt aus Millingen und Josef Becker aus Bienen inzwischen wegweisende Bücher über die Zwangsarbeiter.

Lukas Bergmann erhielt für seine Bachelor-Arbeit von seinen Prüfern die Note 1,3. "Das Minus wurde damit begründet, dass ich teilweise zu emotional geschrieben hätte", sagt der 24-Jährige und fügt hinzu noch: "Mir ist aber viel wichtiger, dass alle ehemaligen Zwangsarbeiter, mit denen ich lange Interviews geführt habe, mit meiner Arbeit zufrieden sind."

(ms)
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