Kleve Kleve bangt wegen Maut um NL-Kunden

Kleve · Niederländer machen einen Großteil der Kundschaft im Kleverland aus. Viele Geschäftsleute fürchten, dass nach der Einführung der Abgabe weniger Holländer in Deutschland ihr Geld ausgeben. Einige bleiben dennoch gelassen.

 Niederländer kommen bislang häufig nach Kleve zum Einkaufen. Nicht nur zum "Koninginne-/Koningsdag " stimmen die Geschäftsleute der Kreisstadt ihre Dekoration auf die Kundschaft aus dem Nachbarland ab.

Niederländer kommen bislang häufig nach Kleve zum Einkaufen. Nicht nur zum "Koninginne-/Koningsdag " stimmen die Geschäftsleute der Kreisstadt ihre Dekoration auf die Kundschaft aus dem Nachbarland ab.

Foto: Gottfried Evers

Wer durch Kleves Fußgängerzone bummelt, hat an manchen Tagen den Eindruck, er befände sich in den Niederlanden. Gefühlte 80 Prozent der Passanten sprechen Holländisch. "Das stimmt", bestätigt Jörg Hopmans, Vorsitzender des Klever City Netzwerkes (KCN), der Vereinigung von Klever Geschäftsleuten. Niederländer machen traditionell einen großen Teil der Kundschaft in vielen Klever Geschäften aus. Vor allem Lebensmittelbranche, Café-Betreiber, Tankstellenpächter und Getränkehändler, aber auch Kaufhäuser, Textil- sowie Elektronikgeschäfte profitieren davon, dass Kunden aus dem Nachbarland wegen der günstigeren Preise bei ihnen einkaufen. In manchen Geschäften machen Niederländer fast 50 Prozent der Käufer aus. Zehn Prozent sind es nahezu überall.

Doch dies könnte sich ändern, wenn nach den Plänen von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt die bei der Nutzung deutscher Straßen fällig werdende Maut kassiert wird. Rund 100 Euro soll eine Jahres-Vignette kosten. "Der Holländer guckt auf den Euro-Cent", warnt Jörg Hopmans. "Wenn die Maut kommt, kommen sicher weniger Niederländer nach Kleve."

Dem stimmt Han Groot-Obbink, Geschäftsführer des Freizeitparks und der Hotels im "Wunderland" in Kalkar, das zahlreiche Niederländer besuchen, zu und er rechnet gerade in der ersten Zeit nach der Einführung der Maut mit "sehr vielen negativen Aspekten". Die Entwicklung der Passagierzahlen am Weezer Flughafen habe gezeigt, wie die Kundschaft reagiere, wenn durch erhöhte Abgaben finanzielle Belastungen auf sie zukomme. "20 bis 30 Prozent sollen dort die Zahlen zurückgegangen. Wenn die Maut kommt, mache ich mir echte Sorgen", gesteht Han Groot-Obbink.

Das ist Alexander Dobrindt
9 Bilder

Das ist Alexander Dobrindt

9 Bilder
Foto: dpa, Maurizio Gambarini

Einbußen in vielen Bereichen - Gastronomie, Handel sowie Freizeit - befürchtet ebenfalls der Prokurist der Wirtschaftsförderung im Kreis Kleve, Norbert Wilder. Seiner Meinung nach sollte die Regierung überdenken, ob alle Straßen mautpflichtig werden sollten. Im Kreis Kleve werde dies erhebliche Folgen haben. Der freie Grenzverkehr, der sich zum Nutzen aller so günstig entwickelt habe, werde erschwert.

Autobahn: Rekorde, Mythen und Zahlen
Infos

Autobahn: Rekorde, Mythen und Zahlen

Infos
Foto: dpa, --

Dass aufgrund einer Maut weniger Niederländer im Kleverland ihre Euros ausgeben werden, hält auch Johannes Hülsmann, Geschäftsführer des Klever Kaufhofes - dort sind derzeit etwa 35 Prozent der Kundschaft Niederländer - für möglich. Der Manager ist aber Realist und weiß: Weder Kaufhof noch Stadt Kleve können Einfluss darauf nehmen, ob, wann und wie die Maut kommen wird. "Deshalb müssen wir als Klever Kaufhof noch mehr unseren Service für niederländische Kunden verbessern und unser Sortiment auf deren Interessen ausrichten", sagt Johannes Hülsmann.

Weitere Möglichkeiten, dem "Wegbleiben" von Kundschaft aus den Niederlanden wegen der Maut entgegenzuwirken, sieht Jörg Hopmans vom KCN: besserer Ausbau des Radwegenetzes, Wiederbelebung der Zugverbindung, schnellere Busverbindung - alles, wofür man keine Maut bezahlen müsse, kommt dem KCN-Vorsitzenden dabei in den Sinn.

Es gibt jedoch Geschäftsleute, denen eine denkbare Maut-Einführung nicht den Angstschweiß auf die Stirn treibt. So erwartet die Mitarbeiterin von "Trinkgut" in Kellen, wo viele Niederländer alkoholische und nichtalkoholische Getränke einkaufen, keine Umsatzeinbußen. "Die Niederländer werden trotzdem hier einkaufen", vermutet sie.

Entspannt blickt ebenfalls Daniel Cloosters von der Aral-Tankstelle in Kranenburg, die nur wenige Kilometer von der Grenze entfernt ist und mit etwa 20 bis 30 Cent preiswertem Treibstoff in Scharen niederländische Autofahrer anlockt, in die Zukunft. Die 100-Euro-Jahres-Maut habe man schließlich mit einigen Tankfüllungen wieder raus. Außerdem denkt er, dass mancher ohne Vignette einen Tankstopp riskieren werde. Und er sagt: "Wenn wir die Maut einführen, werden es die Niederländer auch tun."

Übrigens: Im Nachbarland, so berichtete der niederländische Wunderland-Geschäftsführer Han Groot-Obbink am vergangenen Dienstag, sei die Maut für deutsche Straßen kein großes Thema. Seine Landsleute beschäftigten sich noch fast nur mit der Fußball-WM in Brasilien. Dies werde sich aber spätestens nächste Woche ändern. Han Groot Obbink meinte: "Wenn wir dann Weltmeister sind, wird es heißen: 'Jetzt haben die Deutschen gegen uns verloren - schon wollen sie uns mit der Maut abkassieren.'" Eine Spekulation - wie vieles noch in Sachen Maut. Dienstag lachte der Niederländer darüber. Ob er heute auch so guter Laune ist, oder ob Holland nach Hause fahren kann, stand bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht fest.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort