Projektraum-Bahnhof25 in Kleve „Wir sind nicht sicher“

Kleve · Neun Künstler zeigen ihre Installationen im Klever Kunstverein Projektraum-Bahnhof25. Die Ausstellung wurde am Wochenende von der ehemaligen Direktorin des Museum Schloss Moyland, Bettina Paust, eröffnet.

 Hyperraum heißt die Abeit von Gregor Eisenmann und Joachim Konrad, die in kleve auf einen Regenschirm projiziert wird. Zu sehen im Hintergrund auch Ulrike Scholders „Zeitspaltung“.

Hyperraum heißt die Abeit von Gregor Eisenmann und Joachim Konrad, die in kleve auf einen Regenschirm projiziert wird. Zu sehen im Hintergrund auch Ulrike Scholders „Zeitspaltung“.

Foto: Matthias Grass

Wo ist oben, wo unten? Ist die Welt, die ich da sehe, eine reale oder nur ein sogenanntes „Fake“? Ist sie eine im Computer erzeugte Scheinwelt, wie sie Rainer Werner Fassbinder 1973 in seinem Film-Zweiteiler „Welt am Draht“ aufzeichnete: Eine Welt erdacht von Menschen für Menschen, die in dieser erdachten Welt leben und sie für real halten. Zur Jahrtausendwende kam Hollywoods Film-Serie „Matrix“ nach gleicher Vorlage  heraus. Damals noch undenkbare Science-Fiction, gibt’s heute längst digitale Scheinwelten: Man stülpt sich eine „Virtual-Reality-Brille“ über und ist an einem anderen Ort. Aber: Ist das, was mir die Brille vor Augen führt, digitalisierte Realität, die es irgendwo auf der Welt als realen Ort gibt oder ist das Fake? Wo ist da oben, wo unten? „Wir sind uns nicht sicher“, sagt Illona Helmiß.

„Wo ist oben“, fragt Ilona Hellmiß zusammen mit Uwe Wiesemann in ihrer Installation im Klever Kunstverein Projektraum-Bahnhof25. „Wo ist oben – Eine Wirklichkeitskonstruktion“ heißt ihre Arbeit auf einem großen geschwungenen Computerbildschirm. Man blickt durch halb-blinde Fenster auf eine durch den Raum irrende Frau mit Virtual-Reality-Brille. Man ist dabei zugleich Zuschauer und Akteur und kann den Raum interaktiv steuern. Dabei ist dieser Raum wieder aus vielen Fotografien zusammengesetzt, ist eine Rekonstruktion. „Irgendwann weiß man nicht mehr, was real, was virtuell, simuliert und geträumt und was gefilmt ist“, schreiben die Künstler im zur Ausstellung erschienenen Katalog über ihre Einrichtung.

 „Wo ist oben - eine Wirklichkeitskonstruktion“ heißt das digitale Werk von  Uwe Wiesemann und Ilona Hellmiß.

„Wo ist oben - eine Wirklichkeitskonstruktion“ heißt das digitale Werk von  Uwe Wiesemann und Ilona Hellmiß.

Foto: Matthias Grass

„Wir sind nicht sicher“ heißt auch die Schau mit neun Künstlern, die zunächst für die großen Riedel-Hallen in Wuppertal konzipiert war. Die Künstlerin Ilona Hellmiß hat sie auch kuratiert. Begleitet wurde das Vorhaben von der Leiterin des Wuppertaler Kulturbüros, Bettina Paust. Und weil Dirk Knickhoff und Ulrike Scholder vom Klever Projektraum als Künstler mit ihren Werken dabei waren, sollte „Wir sind nicht sicher“ als abgespeckte Version auch in Kleve zu sehen sein. Doch die Corona-Pandemie machte dem einen Strich durch die Rechnung. Die Ausstellung musste virtuell ins Netz und konnte nur digital gestreamt werden.

„Analog“ zum Anfassen gibt’s jetzt nur die Schau in Kleve, wobei die kleinen Projektraum-Räume mit der großen Ausstellung klar an Grenzen stoßen. Nichtsdestotrotz aber ist „Wir sind nicht sicher“ in diesem „analogen“ Zustand unbedingt sehenswert. Das hat auch Bettina Paust, weiland Leiterin des Museums Schloss Moyland, erkannt und machte bei ihrer Eröffnungsrede in Kleve Hoffnung, dass die Ausstellung auch irgendwann in den Riedel-Hallen zu sehen sein sollte.

Der Clou der Ausstellung sei, dass sie mit der Unsicherheit spiele – mal mahnend, mal besorgt, mal befreit, mal resignativ, schreibt Emmanuel Mir vom  Landesbüro für Bildende Kunst (LaB K). Da schaut Ulrike Scholder durch ein Spektiv  wie ein Voyeur auf  verblichene Polaroid-Erinnerungsfetzen, aus denen der Betrachter sich dann eine Wahrheit basteln kann. Aber ist diese Wahrheit wirklich wahr oder nur eine eingebildete Wahrheit?, fragt Scholder. Auch Dirk Knickhoff ist Erinnerungen auf der Spur – in seinem Volvo „rekonstruiert“ er aus MRT-Aufnahmen des Gehirns Erinnerungsfetzen, die als alte Super-8-Filme daherkommen. Jan Verbeek schafft eine Audiovisuelle Installation mit vier Projektoren, die mitten hinein in eine asiatische Großstadt schaut. Aus den Rufen und Geräuschen, den Menschen in dem klar strukturierten System der asiatischen Großstadt macht Verbeek eine regelrechte Choreografie.

Gregor Eisenmanns Hyperraum als begehbare Videokuppel ist in Kleve nur ein Regenschirm: Sie erzählt vom Spiel mit Klangfarben und visuellen Erwartungen, fragt warum man gelb sieht und blau hört. Eisenmanns Hyperraum verschmilzt im Projektraum mit Scholders Erinnerungen und Aki Nakazawas Undine, der Göttin, die hier als Wasserbilder auf die Wand geworfen wird: als tropfender Wasserhahn oder als Brandung, als nasse Hände, die sich berühren.

Hoffnung, die im Kreis nach Vollkommenheit strebt, thematisiert Irena Paskali in ihrer Arbeit. Sie läuft seit 2009 Kreise vor den Amtssitzen der Regierungschefs, in London, in Moskau, in Madrid – in mehr als zwei Dutzend Hauptstädten. Festgehalten im Achtminuten-Film. Als Hoffnung auf Besserung, als Hoffnung, dass die Protagonisten in diesen Bauten wenigstens zum Nachdenken angeregt werden.

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