Denkmalschutz in Kleve Die Augen der Häuser

Kleve · Der Klever Restaurator und OK-Politiker Clemens Giesen appelliert alte oder denkmalwerte Häuser richtig zu sanieren: Vor allem die öffentliche Hand stehe in der Pflicht. Gerade bei der anstehenden Sanierung des Stein-Gymnasiums.

 Kleve - Clemens Giesen zum Thema Fenster, Architektur und Stil hier bei der Staatsanwaltschaft Kleve Ringstrasse.

Kleve - Clemens Giesen zum Thema Fenster, Architektur und Stil hier bei der Staatsanwaltschaft Kleve Ringstrasse.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Clemens Giesen steht vor einem mächtigen Klinkerbau an der Ringstraße in Kleve. Die dunkelroten Steine sind aufwendig in Vor- und Rücksprünge gesetzt, der Sandsteinsockel ist mannshoch, Sandstein umrandet das Portal. Es ist ein stattliches öffentliches Gebäude, das die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges überdauert hat und das jetzt mit etwas Abstandsgrün im schrägen Winkel abseits zur Straße steht. Heute ist dort die Staatsanwaltschaft Kleve untergebracht.  „Das ist ein prägnanter Art-Deco-Bau, fast komplett im Ursprungszustand“, sagt Giesen und blickt am Haus entlang. Es geht ihm um Details, die er aufzeigen möchte. „Da hat mal jemand die Fenster saniert, er hat das sogar vergleichsweise aufwendig gemacht, mit zweiflügligen Fenstern und einem Oberlicht – und trotzdem ist es falsch, was gemacht wurde“, sagt Giesen. Tatsächlich sind in den beiden oberen Stockwerken die Fenster deutlich kleinteiliger, nehmen die aufwendige Klinkerung auf und betonen die Horizontale, was den Bau etwas streckt. Die unteren Fenster mit den beiden Flügeln bewirken genau das Gegenteil.

Als Restaurator freut sich Giesen über die aufwendig gearbeiteten alten Außenfenster. Der Kämpfer zwischen den Fensterflügeln und dem Oberlicht sei sorgfältig ausgearbeitet, die Sohlbank unter dem Fenster sitze richtig im Gebäude, die Sprossen seien nicht aufgesetzt, sagt er. Oder – noch schlimmer – zwischen zwei Scheiben in Aspik gelegt. „Es ist wichtig, dass diese sorgfältige Tischlerkunst erhalten bleibt“, sagt Giesen. Er selbst geht mit gutem Beispiel voran und zeigt wie man es machen kann. Sein Geschäft in der Stadt ließ er so umbauen, dass es wieder den alten Zustand hat. „Das ist zwar nicht im Sinne des modernen Denkmalschutzes – aber wenn ich auf mein Haus zugehe, freue ich mich jedes Mal, wenn ich die gute Handwerkskunst sehe“, sagte er.

Diese alte Handwerkskunst wieder zu schätzen, dafür müsse man die Menschen sensibilisieren, fordert er. Und nimmt die öffentliche Hand in die Pflicht: Gerade der Staat sei verpflichtet, solche denkmalwerten Dinge zu pflegen, zu erhalten oder wieder so zu erneuern, wie sie waren. Und nicht billig und einfach. Das sei man der Nachwelt schuldig, sagt der Restaurator.

Giesen wendet sich der anderen Straßenseite zu und geht zum Freiherr-vom-Stein-Gymnasium, das im Krieg schwer getroffen wurde und in Teilen neu aufgebaut werden musste. Während die aufwendig in Sandstein verzierte Schaufassade des der Straße zugewandten Giebels erhalten ist, hat man beim Wiederaufbau auf die beiden Türmchen rechts und links des Daches verzichtet, erklärt Giesen. Später wurden dort Kunststofffenster eingesetzt, denen jede Feinfühligkeit dem Gebäude gegenüber fehle, sagt der Restaurator mit Blick auf die flachen Profile zwischen der kostbaren Stein-Umrandung.

Jetzt steht die Sanierung der Fassade des alten Gymnasiums an. Giesen mahnt eindringlich, sich beim Auftrag für die neuen Fenster an historische Vorbilder zu halten. Selbst die aus den 1950er Jahren stammenden Fenster zur Ringstraße seien sehr aufwendig gestaltet, führt er an. „Der Landeskonservator muss darauf achten, dass die Stadt hier mit Fingerspitzengefühl vorgeht“, sagt er. Die alte Sandsteinfassade, die auf die Kreuzung blickt, hätte profilierte neue Holzfenster verdient.

Das müsse nicht nur am Stein-Gymnasium umgesetzt werden: „Wir sind unseren Bürgern schuldig, dass wir die Gebäude, die noch halbwegs den Krieg überdauert haben, auch hochwertig sanieren“, fordert der Politiker der Offenen Klever. „Der prächtige Stein-Giebel mit den Kunststofffenstern zeigt, wie man es nicht machen sollte“, sagt der Restaurator. So mache man ein Gebäude kaputt, nehme ihm die Musik.

Die Stadt könne auch nicht immer das Totschlag-Argument der hohen Kosten anführen, sagt er. Der Investor des Klever Bahnhof-Gebäudes habe gezeigt, dass sorgfältig ausgearbeitete Details am Gebäude auch im geschäftlichen Immobilienbereich möglich seien, dass man sehr wohl historisch passende Holzfenster in die Kalkulation aufnehmen kann. „So viel teurer ist das nicht“, sagt Giesen. Selbst das Argument, man müsse Holzfenster regelmäßig streichen, ziehe nicht. „Wenn man sie regelmäßig streicht, werden sie sehr alt“, sagt er. Der Vorteil läge aber auf der Hand: die Fassaden sehen einfach besser aus. Schließlich seien die Fenster doch die Augen der Häuser.

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