Beliebte Ferieninsel 100 Jahre Ferienfahrten nach Ameland

Kleve/Ameland · Seit 100 Jahren unternehmen Jugendliche aus dem Kleverland Ferienfreizeiten nach Ameland. Der Pionier war seinerzeit Edmund Janssen, heute füllen mehrere Vereine die inzwischen offizielle Partnerschaft mit Leben.

 Die „Königin Wilhelmina“ im  Jahre 1938 während der Fahrt nach Ameland.

Die „Königin Wilhelmina“ im  Jahre 1938 während der Fahrt nach Ameland.

Foto: HeVe

Seit Jahrzehnten gibt es einige Klever Partnerstädte, und das weltweit: Ronse in Belgien, Worcester in England und Fitchburg in den USA. Einen besonderen Stellenwert hat aber eine kleine niederländische Insel, die offiziell erst seit 2014 mit der Schwanenstadt verbunden ist: Ameland. Das westfriesische Eiland mit knapp über 3700 Einwohnern und den Dörfern Buren, Nes, Ballum und Hollum ist trotzdem enger mit der Kreisstadt verbunden als alle anderen Städte – und feiert in diesem Jahr Jubiläum: 100 Jahre Ameland – Kleve.

Der Pionier dieser Beziehung ist Edmund Janssen. 1886 in Kevelaer geboren, wurde er später Pfarrer in Kleve. Janssen ist der Begründer der Ferienlager-Tradition, die ihren Anfang 1921 machte. Dass Janssen Ameland überhaupt für sich entdeckte, war eher zufällig. Nach dem Abitur auf der Gaesdonck und dem Theologiestudium in Münster sah er auf einem Atlas eine holländische Nordseeinsel namens Ameland mit einer Landverbindung durch einen Damm. Den jungen Studenten reizte das.

Als er 1910 zum ersten Mal Inselboden betrat, musste er allerdings feststellen, dass es die Landverbindung nur zwischen 1872 und 1882 gegeben hatte und dann von den Sturmfluten zerstört wurde. „Ameland war im Jahre 1910 noch eine Sandwüste“, sagte Janssen später mal. 1911 empfing er die Priesterweihe. 1920 berief ihn der Bischof nach Kleve, wo er als Studienrat am Lyzeum (Höhere Mädchenschule) Religionsunterricht erteilte. Der junge Geistliche, der fließend Niederländisch sprach, brachte nach dem Ersten Weltkrieg immer mal wieder unterernährte Kinder zu befreundeten Ameländer Familien, die diese dann wieder „aufpäppelten“.

Im Klever Hafen wurden die Amelandfahrer verabschiedet. Die „Actief“ auf Inselkurs.

Im Klever Hafen wurden die Amelandfahrer verabschiedet. Die „Actief“ auf Inselkurs.

Foto: HeVe

Den Gedanken, eine Ferienfreizeit für Kinder und Jugendliche zu organisieren, setzte Janssen 1921 in die Tat um. Am 20. August 1921 ging es per Bahn nach Leeuwarden. Dort wurde in einem Krankenhaus, in dem Ordensfrauen aus Münster arbeiteten, übernachtet, ehe es am nächsten Tag mit einer Schmalspurbahn nach Holwerd weiter ging. Die gut 40 deutschen Jungen mussten eine weitere Nacht im Bahnhof auf dem Dachboden übernachten, weil das Fährboot schon abgefahren war. Es musste sich nach den Gezeiten richten. Tags darauf ging es endlich mit dem kleinen Fährschiff „Waddenzee“ nach Ameland.

In der Scheune von Sip de Jong hinter dem Turm von Nes ließen sich die Jungen nieder. 1921 waren sie die ersten Ameländer aus Kleve, die die Insel zu ihrem Ferienort erwählten. Wegen der Strapazen einer langen Eisenbahnfahrt mit zweimaliger Übernachtung beschloss Edmund Janssen, ab 1923 mit einem Schiff vom Klever Hafen aus mit Kurs Richtung Ameland zu schippern. Über Rhein und Ijssel ging es bis Kampen, von dort schließlich durch die Zuiderzee weiter.

 Vor dem Eingang zum Leuchtturm in Hollum. Mit einem alten Leuchtmittel in der Hand: Edmund Janssen.

Vor dem Eingang zum Leuchtturm in Hollum. Mit einem alten Leuchtmittel in der Hand: Edmund Janssen.

Foto: HeVe

Bis 1938 wurde so die Watteninsel alljährlich auf dem Seeweg besucht. Und stets war es im Hafen ein Ereignis, wenn die Jugendlichen mit dem in Sneek gecharterten Schiff „Actief“ ablegten. Hunderte Klever ließen sich das nicht entgegen. Beim letzten Mal 1938 war auch der damals elfjährige Hubert Janssen aus Kevelaer an der Seite seines Onkels Edmund an Bord. Hubert Janssen, mittlerweile 94 Jahre alt und seit 1994 wieder in seiner Heimatstadt Kevelaer, gründete 1953 als junger Pfarrer das bundesweit bekannte Kinderferienwerk Ameland. Und ebenfalls im Jahre 1953 wurde im Hotel Bollinger der Ameland-Verein Kleve gegründet. Vorsitzender wurde Stadtwerksdirektor Alfred Levens.

Zehntausende Kinder, die meisten aus Nordrhein-Westfalen, haben in den vergangenen Jahrzehnten die Ferienfreizeiten auf der Watteninsel genossen. Etwa 50 Bauernhöfe stehen auch heute noch in den vier Dörfern dafür zur Verfügung. Im Norden des Kreises Kleve gibt es aktuell neun Veranstalter, die dort Ameland-Lager durchführen: Ameland-Verein Kleve „Poort van Kleef“, Stiftskirche Kleve, DJK Rhenania Kleve, Amelandlager Kellen, Amelandlager Griethausen, Nordwacht Keeken, Ferienlager Nütterden, Ferienwerk Bedburg-Hau und Ferienwerk St. Franziskus Uedem.

Auf den Spuren von Edmund Janssen, der 1957 im Alter von 70 Jahren in Anholt gestorben ist, gab es 2012 eine besondere Unternehmung: Eine 13-köpfige Klever Reisegruppe, angeführt vom damaligen Bürgermeister Theo Brauer, schipperte in fünf Tagen von Millingen aus mit dem Plattbodenschiff „Res Nova“, Baujahr 1895, bis nach Ameland. Auf der letzten Etappe in Harlingen gesellte sich der damalige Ameländer Bürgermeister Albert de Hoop dazu. Im Rahmen eines offiziellen Programms durch die Gemeinde Ameland wurde eine Sitzbank mit den Wappen von Kleve und Ameland enthüllt. Später gab es in Buren für die Gäste aus der Kreisstadt noch ein überraschendes Platzkonzert.

 In den 1930er Jahren schmeckte das Mittagessen auch im Freien auf Ameland wieder bestens.

In den 1930er Jahren schmeckte das Mittagessen auch im Freien auf Ameland wieder bestens.

Foto: HeVe
 Der Ameland-Pionier:  Pfarrer Erdmund „Mön“ Janssen  aus Kleve

Der Ameland-Pionier: Pfarrer Erdmund „Mön“ Janssen aus Kleve

Foto: HeVe

Die offizielle Partnerschaft zwischen Kleve und Ameland wurde vom Klever Rat im Dezember 2013 einstimmig beschlossen. Eine Klever Delegation mit Theo Brauer an der Spitze reiste am 2. Juli 2014 zur westfriesischen Insel. Im Gemeindehaus in Ballum unterschrieben Amelands Bürgermeister Albert de Hoop und der Klever Bürgermeister die Partnerschaftsurkunde. Im Sommer 2020 überreichte die Gesellschaft für internationale Begegnungen (GiB) dem aktuellen Bürgermeister Leo Pieter Stoel den neuen Bildband Kleve-Ronse-Ameland. Auf Einladung der Stadt Kleve und von GiB besuchte Leo Pieter Stoel schließlich im Dezember für zwei Tage die Schwanenstadt. „Ich werde alles daransetzen, die Kontakte und Verbindungen so eng wie möglich zu halten“, sagte er damals im Gespräch mit unserer Redaktion. „Das verspreche ich.“

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