Kleve-Kellen Kirchhof überlebte das Grauen des D-Day

Kleve-Kellen · Heute vor 70 Jahren begann die Invasion der Alliierten in der Normandie. Dem heute 88-Jährigen flogen die Kugeln um den Kopf.

 Die Erinnerung an die schrecklichen Kriegsereignisse sind bis heute nicht verblasst. Jürgen Kirchhof hat alte Fotos hervorgeholt.

Die Erinnerung an die schrecklichen Kriegsereignisse sind bis heute nicht verblasst. Jürgen Kirchhof hat alte Fotos hervorgeholt.

Foto: G. Evers

Der Titel des berühmten amerikanischen Kriegsfilms "Der längste Tag", der die Landung der Alliierten in der Normandie schildert, war für Jürgen Kirchhof bittere Realität. Der mittlerweile 88-Jährige erlebte den D-Day heute auf den Tag genau vor 70 Jahren hautnah mit. Die Erinnerungen an das Grauen des Zweiten Weltkriegs sind bei ihm nie verblasst. "Das vergisst man sein ganzes Leben nicht", sagt Kirchhof, der seit mehr als 60 Jahren mit seiner Frau Lotte in Kellen lebt und seit Jahrzehnten am Niederrhein wegen seiner Landschaftsmalereien ein bekannter und geschätzter Künstler ist.

Als 18-Jähriger wurde er mit seiner Einheit in das noble französischen Seebad Trouville in die Normandie verlegt. "Am Bahnhof in Trouville wurde ein technischer Zeichner gesucht. Obwohl ich keine abgeschlossene Ausbildung hatte, meldete ich mich", erzählt Kirchhof. Untergebracht wurde er in einer möblierten Villa. In den Tagen vor dem Angriff musste er mit seinen Kameraden in Uniform im Bunker schlafen, tagsüber wurden überall hohe Pfähle mit Minen angebracht. Dann kam der 6. Juni. "Ich hörte im Bunker Detonationen. Der Ort des Geschehens war höchstens 20 Kilometer von uns weg. Das war so ein Chaos", sagt Kirchhof.

"Wir sind total überrascht worden. Die ganze Luft war voll von Lastenseglern und Fallschirmspringern." Als es hell wurde, bot sich den Soldaten ein grauenhaftes Bild. "Im Hafen wurden jede Menge Leichen angetrieben. So viele Kriegsschiffe und Landungsboote habe ich noch nie gesehen", erinnert er sich. Bis zum 19. August musste seine Einheit dort die Stellung halten. "Ich habe den ganzen Ablauf wie ein Schauspiel sehen können. An der Front bin ich nur einen Tag gewesen. Wir waren keine Helden. Wir waren zu feige, um Fahnenflucht zu begehen oder an die Front zu fahren", räumt der 88-Jährige ein, der den Dienstgrad 'Obersoldat' hatte. "Zum Gefreiten hat es nicht gereicht." An die Front ging es mit französischen Fahrrädern.

70 Jahre D-Day: Elizabeth II. gedenkt am Triumphbogen in Paris der Gefallenen
9 Bilder

70 Jahre D-Day: Elizabeth II. gedenkt am Triumphbogen in Paris der Gefallenen

9 Bilder

"Mein Kumpel hatte einen Plattfuß, da mussten wir noch in der Nacht die Fiets flicken", sagt Jürgen Kirchhof. "Dann sahen wir die Leuchtraketen am Himmel aufsteigen und verschanzten uns hinter einem Erdwall." Die kanadischen Truppen waren nur 150 Meter entfernt. Nebelgranaten wurden gezündet. "Wir stürmten mit lautem 'hurra' dem Feind entgegen. Als sich der Nebel verzog, lagen wir wie Hasen auf einer Wiese, dem Gegner ausgeliefert." Kirchhof stand auf, warf sein Gewehr in hohem Bogen weg, während ihm die Geschosse um die Ohren flogen. "Ein Kanadier hat mich einkassiert."

Die Kriegsgefangenschaft führte ihn über die französische Gemeinde Bayeux im Laufe der Zeit immer weiter Richtung Niederrhein bis Frasselt. 1945 wurde er auf das XOX-Gelände verlegt. "Da hatten wir endlich mal ein Dach über dem Kopf." Tagsüber wurde im Reichswalde Holz geschlagen.

Seine heutige Frau Lotte lernte der gebürtige Cuxhavener bei einem Tanzabend in der Kellener Kreuzhofschänke bei Tenhaef kennen. 1947 wurde er aus der Kriegsgefangenschaft entlassen, arbeitete bis 1950 als technischer Zeichner im Schiffs- und Maschinenbau in Cuxhaven, ehe er sich endgültig in Kellen niederließ und seine große Liebe Lotte heiratete. "Ich habe viel, viel Glück gehabt. Ich war ja damals noch ein halbes Kind und hatte mehr Angst als Vaterlandsliebe", gesteht Jürgen Kirchhof ein.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort