Kleve Viele Widersprüche im Prozess um Kindes-Tod

Kleve · Sieben Zeugen sagen aus. Es gab Warnzeichen, aber kaum Konsequenzen. Prozess geht am 28. Januar weiter.

Kinder misshandelt: Prozess gegen Vater beginnt
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Kinder misshandelt: Prozess gegen Vater beginnt

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Da passt eins nicht (mehr) zum anderen. Da sind Verletzungen bei einem Kleinkind aktenkundig, das Jugendamt (zunächst Kleve, dann, nach dem Umzug nach Marienbaum, die Kollegen aus Xanten) hat die junge Familie "im Blick", stellt ihr auch eine Sozialpädagogin zur Seite - aber kommt nie unangemeldet, um zu gucken, ob wirklich alles in Ordnung ist. Da liegt ein drei Monate alter Säugling im Krankenhaus, kämpft um sein Leben - aber der Vater erkundigt sich in einer Vernehmung durch die Mordkommission MK Nils aus Duisburg nicht einmal, wie es seinem Kind geht.

Da sitzt ein 30-Jähriger auf der Anklagebank, der wieder emotionslos und jeden Blickkontakt vermeidend der Verhandlung folgt - aber gegenüber einer Kriminalbeamtin der MK Nils in der Vernehmung geschworen hat: "Egal, wer meine Kinder schlagen würde: Dem würde ich das Genick brechen, auch wenn ich dafür ins Gefängnis müsste".

Da schildert eine andere Sozialpädagogin im Zeugenstand, der Angeklagte und seine Lebensgefährtin seien beim Besuch sehr verliebt gewesen und hätten den Eindruck vermittelt, gute Eltern zu sein - aber wenige Tage später sieht ihre Kollegin, dass der kleine Lion, Sohn der Lebensgefährtin aus erster Ehe, blaue Flecken hat. Da nimmt der leibliche Vater Kontakt mit dem Jugendamt auf, weil er mehrfach blaue Flecken bei seinem Sohn entdeckt hat, wenn der alle 14 Tage zu Besuch war - aber man gibt sich zufrieden mit der Erklärung der Kindsmutter, der Junge stolpere oft über seine Füße, außerdem fetze sich der ältere Bruder oft mit ihm.

Da sitzt die Tagesmutter des kleinen Mädchens und seines Bruders im Zeugenstand, die die beiden ab Pfingsten vergangenen Jahres jeden Tag abgeholt und nachmittags wieder zurück gebracht hat - aber handelt so umsichtig und fotografiert das großflächige Hämatom an der linken Wange bis unters Kinn bei dem kleinen Mädchen. Genau wie das blaue Auge des kleinen Jungen eine Woche später. Ganz langsam sei er die Treppe runtergekommen, erinnert sie sich, habe eine Bogen um den Angeklagten gemacht. "Der Kleine hatte sichtlich Angst".

Sieben Zeugen, darunter die Kinderärztin, und das Team der Mordkommission Nils sagten gestern zur Sache aus. Da wurde Frau U., die junge Mutter des kleinen Nils, der im Sommer letzten Jahres an den Folgen eines schweren Schädeltraumas verstorben ist, als "seltsam gefasst und abgeklärt" geschildert; bei dem Angeklagten hatte ein Beamter nicht das Gefühl, dass er die ganze Tragödie durchleidet: "In wesentlichen Teilen der Vernehmung hat er nicht die Wahrheit gesagt".

Von echter Trauer, dass der kleine Nils mit dem Tode ringt, war nach Aussage der Kriminalbeamtin, die den Angeklagten vernommen hatte, nichts zu spüren: Die Eltern hätten eher den Eindruck gemacht, als seien die Kinder nur ein lästiges Übel, um das man sich kümmern muss.

Der Prozess wird am 28. Januar fortgesetzt.

(RP)
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