Kleve Kellens "Moderne Kirche" ist Denkmal

Kleve · Die vom Landschaftsverband Rheinland herausgegebene Zeitschrift "Denkmalpflege im Rheinland" befasst sich fast ausschließlich mit Klever Themen - von der Margarine-Produktion bis zum Kirchendenkmal in Kellen.

 Ist ein Denkmal für das neue Bauen: Die Willibrord Kirche in kellen, die derzeit saniert wird.

Ist ein Denkmal für das neue Bauen: Die Willibrord Kirche in kellen, die derzeit saniert wird.

Foto: Gottfried Evers

Das Rückgrat des Baus ist ein Stahlgestell. Ein Gestell aus Trägern und Stützen und Diagonalen. Doch dieses Stahlgestell ist keine Industriehalle, kein Hangar - sondern das Konstrukt für die neue Willibrord-Kirche in Kellen.

Das war, als der Bau 1930 errichtet wurde, avantgardistisch. Heute sieht man von der damals revolutionären Konstruktion nichts mehr. Es sind dunkle Backsteine, die den Ton der Kirche angeben. Aber auch ohne zu wissen, dass sich unter dem Backstein eine Stahlskelettkonstruktion verbirgt, beeindruckt die Kirche in Kellen: "Es ist ein kastenförmiger, kubischer Hallenbau von sehr geschlossener Wirkung", urteilt Dr. Marco Kieser vom Rheinischen Amt für Denkmalschutz. Kieser hat allen Grund zur Freude: Seit April steht der zukunftsweisende Sakralbau unter Denkmalschutz, jetzt stellt Kieser ihn in der vom Landschaftsverband Rheinland herausgegebenen Zeitschrift "Denkmalpflege im Rheinland" ausführlich vor. Mit vielen Fotos - unter anderem vom alten Stahlskelett - und einer Würdigung des technisch avantgardistischen Baus. "Klare Formen mit durchaus lebhaften Proportionen prägen das äußere Erscheinungsbild, im Inneren besticht dazu die klare Großform des Kirchenschiffs sowie des Chorraums, in Verbindung mit der künstlerisch bemerkenswerten bauzeitlichen Ausstattung", schreibt der Denkmalfachmann. Es sei ein gestalterisch qualitätsvolles Beispiel des Bauens der 1920er Jahre, die gemeinhin unter "Backsteinmoderne" läuft. Der von vornherein freistehend gedachte Kirchturm folgte erst später - geplant und gebaut von Dr. Toni Hermanns, dessen Sohn Prof. Hannes Hermanns derzeit die Kirche saniert und mit einem neuen Pfarrheim versieht. Man darf gespannt sein auf ein modernes Denkmal das mit einem entsprechenden Entwurf erweitert wird.

Die Kirche wurde von Alfred Wahl und Aribert Rödel entworfen und gebaut und war als städtebaulicher Mittelpunkt einer ab 1926 geplanten und errichteten "neuen Mitte" für Kellen gedacht, das den alten Dorfkern um die alte romanische Kirche und die neue Industriezone an Kleves Grenze verbinden sollte, so Kieser.

Kleve und seine Denkmäler stehen im Mittelpunkt dieser Ausgabe des LVR-Heftes. Neben Kellens Kirche widmet es sich der Margarine-Produktion. Und - aus Sicht der Denkmalpflege - natürlich den Bauten, in dem der Klever Stolz einst produziert wurde. Schön bringt das Susanne Schöß, Referentin für Industriedenkmalpflege im LVR-Amt für Denkmalpflege, auf den Punkt. "Dem Industriedenkmal Margarinefabrik Van den Bergh ist zu wünschen, dass es mit guten Ideen und viel "Clever Stolz" gelingt, ein passendes und tragfähiges Nutzungskonzept für dieses Monument der Klever Margarineindustrie zu entwickeln, und dass der historische Bestand behutsam in die Neubebauung des Areals gelingen wird", schreibt sie. Möge dieser Satz allen Investoren, Politikern und der Bauverwaltung lange in den Ohren klingen!

Denn dass Kleve nicht immer sorgfältig mit seinen Denkmälern umgeht, dokumentiert im selben Heft Kleves Stadtarchivar Drs. Bert Thissen. Er blickt in seinem Bericht über den Heimatverein, der heute der Klevische heißt, auch sehr genau auf die Geschichte der Denkmäler. Dazu hat der Verein eine Liste mit 540 Adressen vorgelegt, die jetzt überprüft werden sollen. Dass man aber nicht nur in der Vergangenheit schwelgen darf, belegt ein Zitat von Dr. Heinrich van Ackeren, "nicht nur das Alte zu wahren, sondern auch das Neue da wachsen zu lassen, wo es am Platze ist". Denn nur so kann sich eine Stadt weiterentwickeln. Aber mit Fingerspitzengefühl. Es ist ein Spagat, der für Spannung zeugt. Und das nicht erst heute, sondern schon 1958, als van Ackeren das Dilemma ansprach.

Das Heft ist für 4 Euro zzgl. Versandkosten erhältlich beim Klartext-Verlag Essen (www.klartext-verlag.de/denkmalpflege.aspx" \\t "_blank" ) und über den Buchhandel bestellbar.

(RP)
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