Kleve Keine Hilfe für infizierten Asylbewerber

Kleve · Ein in Kleve lebender Afrikaner ist mit dem Virus Hepatitis B infiziert. In einem Schreiben des Gesundheitsamtes wird ihm die Erkrankung in bestem Beamtendeutsch mitgeteilt. Das Problem: Der 28-Jährige versteht kein Wort Deutsch.

 Amadou (26) wohnt in einem Klever Asylbewerberheim und hat sich mit dem Hepatitis-B-Virus infiziert. Die Mitteilung über seine Erkrankung erhielt er in deutscher Sprache per Post. Er spricht allerdings nur fließend Französisch.

Amadou (26) wohnt in einem Klever Asylbewerberheim und hat sich mit dem Hepatitis-B-Virus infiziert. Die Mitteilung über seine Erkrankung erhielt er in deutscher Sprache per Post. Er spricht allerdings nur fließend Französisch.

Foto: G. Evers

Amadou (26) ist in den vergangenen Jahren viel herumgekommen. Notgedrungen. Der Afrikaner wurde nach der Flucht aus seiner Heimat durch Europa geschickt. Von Marokko aus ging es nach Spanien, über Belgien zurück nach Spanien. Von dort nach Schweden und erneut zurück auf die iberische Halbinsel bis er in Kleve landete. Jetzt wohnt er in einem Asylbewerberheim. Zwölf Quadratmeter teilt er sich mit zwei Algeriern. Im Zimmer gibt es eine Spüle, auf der zwei Kochplatten stehen.

Der 26-Jährige musste aus seiner Heimat flüchten. Er gehört dort zu einer Minderheit, die vor allem eins hat: Angst um ihr Leben. Von Soldaten wurde er gefoltert. "Ich musste weg, sonst wäre ich jetzt tot", sagt er.

Der studierte Elektroingenieur spricht fließend Französisch sowie etwas Englisch. Ende April bekam er einen Brief vom Gesundheitsamt des Kreises Kleve. In diesem wurde ihm in Beamtendeutsch mitgeteilt, dass er mit dem Virus Hepatitis B infiziert ist. Das sei bei einer Blutuntersuchung festgestellt worden. In dem Schreiben heißt es: "...eine Hepatitis ist nach den Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) meldepflichtig...". Ein zweiseitiges standardisiertes Merkblatt über hygienische Verhaltensregeln wurde der Mitteilung beigefügt. In dem wird aufgeführt, was Amadou aufgrund seiner Erkrankung beachten muss. Alles von großer Bedeutung: Nur versteht der Afrikaner nicht einen Satz des Schreibens.

Erst nachdem er mehrere Wochen später auf der Straße eine Passantin ansprach, die ihm mit Mühe erklären konnte, worum es in dem Brief geht, wurde ihm klar, dass er an einer Infektionskrankheit leidet. Auch die Hinweise, worauf er unbedingt zu achten hatte, wurden ihm jetzt erklärt. Der 26-Jährige verstand den Inhalt der Mitteilung bisher nicht. Er wurde mit seiner Krankheit alleine gelassen. Nachdem er einen Arzt aufgesucht hatte, erklärte ihm dieser, wie teuer die Behandlung von Hepatitis sei. Die Behörde ist ihrer Pflicht nachgekommen. Amadou wusste jedoch wochenlang nicht, wie er sich verhalten musste.

Zu der Vorgehensweise des Kreises bei einer derartigen Infektion erklärt eine Sprecherin: "Wenn der Kreis Kleve eine Meldung auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes erhält, ist der Patient in der Regel schon in ärztlicher Betreuung. Das Gesundheitsamt muss lediglich die Beratung in hygienischer Sicht vornehmen."

Amadou musste im Klever Krankenhaus behandelt werden und wurde entlassen. Das Labor des Kranenhauses hatte während des Aufenthalts das Virus entdeckt. Nach seinem Aufenthalt informierte ihn der Kreis über die Infektion per Post. In manchen Asylbewerberheimen geschehe dies nur auf deutsch, in anderen auch auf englisch, zum Teil auch auf französisch, so die Kreissprecherin.

Im Fall von Amadou geschah es nur in deutscher Sprache. Er bekam einen Brief, den er ebenso nicht verstand wie die angefügten Verhaltensregeln. Amadou wohnt mit zwei Menschen auf einem Zimmer. Der mehrstöckige Block ist überfüllt.

Blutübertragung, ungeschützter Geschlechtsverkehr, allein schon über den gemeinsamen Gebrauch von Nagelscheren, Rasiermessern, Pinzetten, Zahnbürsten sowie die Versorgung von Wunden kann das Virus übertragen werden.

Der Klever Internist Dr. Andreas Fischer sagt: "Patienten, die nicht immun sind, also nicht geimpft, können sich etwa durch Geschlechtsverkehr oder die gemeinsame Nutzung von Toilettenartikeln infizieren. Heilt die Erkrankung nicht spontan aus, wird sie chronisch. Daraus kann eine Leberzirrhose oder ein Leberzellkarzinom entstehen. Die Behandlung dieser chronischen Hepatitis ist sehr kostspielig." Auch das Berliner Robert Koch-Institut macht deutlich, wie leicht das Hepatitis B-Virus übertragen wird. Etwa durch den Kontakt infizierter Körperflüssigkeiten mit Schleimhäuten sowie Bagatellverletzungen oder geschädigter Haut.

Dass die Kommunikation von Behörden mit Asylbewerbern auch in anderen Bereichen nicht die beste ist, bestätigt Friedrich Förster. Der Nachhilfelehrer unterrichtet Asylbewerber zweimal in der Woche. "Hier sind schon Menschen mit Schreiben aufgetaucht, in denen die Bewilligung ihres Asylantrags mitgeteilt wurde. Sie wussten aber nicht, was sie da in der Hand halten", sagt Förster. Er kann es nicht nachvollziehen, wie die Behörden kommunizieren. "Da werden Schreiben in Juristendeutsch verfasst, bei dem auch einige Deutsche Probleme haben, es zu verstehen."

Amadou weiß jetzt ungefähr, was er zu beachten hat. Er hofft darauf, dass er keinen seiner Mitbewohner infiziert hat. Und wenn dem so ist, wird dieser wohl auch irgendwann ein Schreiben vom Kreis bekommen. Zumindest Amadou könnte ihm dann weiterhelfen.

(RP)
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