Seelsorge in der Kita „Gefühle sollen einen Raum haben“
Kalkar · Auch Kinder empfinden Wut, Trauer oder Überforderung. Wie sie mit ihren Gefühlen umgehen können, lernen sie zu Hause, aber auch im Kindergarten. In der Kita Deichspatzen in Kalkar sind die Erzieherinnen dafür besonders geschult. Wie sie Kindern und Eltern helfen.
In der Kita Deichspatzen in Kalkar-Grieth finden täglich unzählige Gespräche und Begegnungen statt. Dabei bleibt es nicht aus, dass auch negative oder bedrückende Gefühle durchlebt werden. Um mit solchen Fällen professionell und unterstützend umzugehen, sind Kita-Leiterin Andrea Michels und Mitarbeiterin Jessica Heisterkamp nun besonders geschult. Sie haben Kurse des Bistums Münster zur seelsorgerischen Begleitung für Kindertagesstätten belegt und sich in der Seelsorge weitergebildet. Ihr Ziel: immer präsent und gute Zuhörerinnen sein.
„Schon zu Coronazeiten haben wir gemerkt, dass es viel mehr Bedarf gibt“, sagt Heisterkamp über die offenen Gesprächsangebote. Viele Eltern seien belastet und zum Teil auch überlastet, wenn neben dem Familienalltag auch Krankheitsfälle oder Geldsorgenzu managen seien. In solchen Situationen wollen Michels und Heisterkamp Gesprächspartnerinnen sein, bei denen Eltern ihre Sorgen äußern können, ohne verurteilt zu werden. „Unser Blick ist geschult, wir merken, wenn etwas gerade nicht gut läuft“, sagt Michels. Dann nehme man die Eltern zur Seite und spreche sie auf die Beobachtungen an. „Wir versuchen immer zu vermitteln: Wenn Eltern Redebedarf haben, sind wir da“, sagt Michels.
Mit den Schulungen hätten sie nun mehr Hintergrundwissen zur Gesprächsführung und ihr Rollenverständnis gefestigt: „Es geht darum, sich zurückzunehmen. Zuhörer zu sein und erst mal keine Ratschläge zu geben. Man sollte die empathische Person sein, die jemandem einfach gegenübersitzt“, erklärt Heisterkamp. Als Kummerkasten wolle sie aber nicht verstanden werden. „Wir sind eher wie eine offene Tür. Was dahinter ist, ist in jedem Gespräch offen.“ Für sie sei es bereichernd, dass Eltern oder Kinder gestärkt aus einem Gespräch herausgehen – auch, wenn es noch keine Lösung für ihr Problem gebe.
Eine zentrale Rolle bei ihrer Arbeit spiele der Trost- und Trauerkoffer, den Michels als Abschlussprojekt ihrer Schulung zusammengestellt hat. Unter anderem mit Bastelmaterialien, Büchern oder Handpuppen ausgestattet, soll er helfen, ins Gespräch zu kommen. „Gefühle sollen einen Raum haben. Es ist wichtig, darüber sprechen zu können“, sagt Michels. Materialien aus dem Trost- und Trauerkoffer könnten Kindern aber auch Erwachsenen helfen, mit ihren Gefühlen umzugehen. Wenn die Erzieherinnen merken, dass ein Kind etwas bedrückt, bieten sie ein Gespräch an. Vom Umzug des Freundes über die Trennung der Eltern bis zum Tod eines Angehörigen könnten viele Erlebnisse belasten. „Dann kann das Kind vielleicht nicht mit mir, aber mit der Handpuppe darüber sprechen“, erklärt Michels. Auch für zu Hause könnten Eltern Materialien aus dem Koffer nutzen und etwa einen Stein als Handschmeichler gestalten.
„Über Gefühle wird nur wenig gesprochen, schon gar nicht über die negativen“, sagt Michels. Aber auch Kinder wollten lernen, ihre Gefühle auszudrücken, sie zu benennen. Sie sollen nicht nur bei Traurigkeit, sondern auch bei Wut oder dem Gefühl, etwas doof zu finden, wissen, dass ihnen jemand zuhört. Eine Freud-und-Leid-Ecke, die für die Kita geplant ist, soll darüber hinaus zeigen, dass alle Gefühle Platz haben. Dort könnten sowohl freudige Ereignisse wie die Geburt eines Geschwisterkindes, als auch traurige wie der Tod eines Haustiers, Raum haben.
Für Michels und Heisterkamp sei es ein Glücksfall, dass sie gleichzeitig an der ersten Schulung dieser Art teilnehmen konnten. So könnten sie sich gegenseitig unterstützen oder Gespräche reflektieren. Auch ihre Kolleginnen wollen sie nun für die Gefühlswelten von Kindern und Eltern sensibilisieren.