Kranenburg Kahlschlag im Naturschutzgebiet

Kranenburg · Derzeit lässt die Nabu-Naturschutzstation im Kranenburger Bruch Bäume und Sträucher herausreißen. Nicht nur Landwirte sind empört über die Maßnahme, die von der Bezirksregierung als "ökologisch sinnvoll" eingestuft wird.

 Hans Dercks zeigt auf einen Teil des ausgebaggerten Baumbestands. Ziel der Nabu-Maßnahme ist, mehr offene Flächen im Kranenburger Bruch zu schaffen.

Hans Dercks zeigt auf einen Teil des ausgebaggerten Baumbestands. Ziel der Nabu-Maßnahme ist, mehr offene Flächen im Kranenburger Bruch zu schaffen.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Der Kranenburger Hans Dercks (70) spaziert regelmäßig durch das Naturschutzgebiet vor seiner Haustüre. Die Idylle und Ruhe im Kranenburger Bruch sind für ihn ein Stück Lebensqualität. Seit einigen Tagen bleibt er bei seinen Wanderungen regelmäßig an einem Ort stehen. Mit dem versteinerten Gesichtsausdruck eines Verurteilten starrt er auf Berge von Holz. Hier wird mit schwerem Gerät die Landschaft aufgeräumt. Die Nabu-Naturschutzstation Niederrhein lässt an der Bruchschen Straße auf einer Länge von 2,5 Kilometern Weidensträucher aus Schilfkulturen in Gräben mit Baggern herausreißen. Zudem wird auf 1,5 Hektar Land ein Gehölzstreifen dem Erdboden gleichgemacht. Bis zu 20 Meter hohe Weidenbäume werden entwurzelt oder abgefräst, dazwischen stehende Sträucher gleich mit.

 Fällarbeiten im Naturschutzgebiet: In zwei bis drei Wochen soll nach Angaben der Nabu-Station das Projekt abgeschlossen ein.

Fällarbeiten im Naturschutzgebiet: In zwei bis drei Wochen soll nach Angaben der Nabu-Station das Projekt abgeschlossen ein.

Foto: Gottfried Evers

Damit die Bagger nicht einsacken, sind 800 große Stahlplatten verlegt worden. "Den Sinn der Maßnahme verstehe ich nicht. Und damit bin ich nicht allein. Alle, die hier vorbeikommen, schütteln nur mit dem Kopf. Der Nabu hat doch immer betont, wie wertvoll diese Hecken sind", sagt Dercks.

Die Rodungsarbeiten des Naturschutzbundes werden auf den Flächen des Landesbetriebes Wald und Holz durchgeführt und vom Land Nordrhein-Westfalen sowie der Europäischen Union finanziert. Die Kosten belaufen sich nach Angaben eines Nabu-Mitarbeiters auf 125 000 Euro. Ziel des Kahlschlags ist, mehr offene Flächen zu schaffen, damit Wiesenvögel, wie etwa der Kiebitz, im kommenden Jahr optimale Brutbedingungen vorfinden.

Die Kranenburger Naturschützer hatten die Maßnahme beantragt. Das Vorhaben sei geprüft und schließlich bewilligt worden, so Andreas Haubrok, der bei der Bezirksregierung unter anderem für Natur- und Landschaftsschutz zuständig ist. Er betont, dass die Rodungsarbeiten ökologisch sinnvoll sind: "Wenn dem nicht so wäre, hätten wir den Antrag nicht bewilligt. Schließlich bezahlen wir das Projekt."

Doch räumt der Regierungsdirektor ein, dass die Maßnahme von der Bevölkerung nur schwer nachzuvollziehen sei. "Wir glauben an einen ökologischen Mehrwert, der durch die Arbeiten entsteht." Haubrok rät jedem, der den Sinn der Arbeiten nicht versteht, bei der biologischen Station anzurufen.

Einer der ersten Kandidaten für diesen Anruf bei den Naturschützern ist Andreas Natrop. Der Landwirt aus der Niederung gehört zu der Gruppe der Ahnungslosen, wenn es um die Aktion "Abholzen, was der Landstrich hergibt" geht. "Es war doch der Nabu, der jahrelang um jeden Strauch gekämpft hat. Der jetzt abgeholzte Streifen, der in 45 Jahren gewachsen ist, wurde stets als ökologisch äußerst wertvoll bezeichnet. Ein Mäusebussard und auch Spechte sollen dort gebrütet haben. Jetzt kann das alles weg", sagt Natrop und ergänzt: "Wenn wir Landwirte ein Stück Hecke wegnehmen, wird ein Theater veranstaltet, als würde das Abendland untergehen." Natrop vermutet, dass es den Schützern der Natur auch darum gehen könnte, Gelder abzugraben, die man für das Projekt erhält.

Johann Thissen, Naturschutzreferent bei der Nabu-Station, hebt die Bedeutung des Projekts hervor: "Man muss die Kulturlandschaft pflegen, wenn man sie erhalten will. Durch die Maßnahme soll der Artenreichtum im Kranenburger Bruch gesteigert werden, da wir einen besseren Lebensraum für seltene Vögel schaffen." Thissen freut sich schon auf eine Bekassine, die er im Naturschutzgebiet schon ewig nicht mehr gesehen hat. Ob der Vogel aber letztendlich komme, sei nicht sicher, so Thissen. Doch hat der Naturschutzbund zumindest alles hergerichtet, damit der Vogel sich im Kranenburger Bruch wohlfühlen könnte. Für 125 000 Euro.

Die Bezirksregierung will die Maßnahme nach Abschluss der Arbeiten abnehmen. Nach Ansicht von Regierungsdirektor Andreas Haubrok müssen Landwirte und Naturschützer mehr miteinander kommunizieren, denn: "Jede Seite wartet eigentlich nur darauf, dass der andere etwas macht, um es sofort zu verurteilen. Das ist schade, denn es sind doch alles vernünftige Menschen."

(RP)
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