Lokale Kultur Film beendet Jüdische Kulturtage

Kleve · Im Tichelpark-Kino wurden zwei Sondervorführungen des Dokumentarfilms „Wir sind Juden aus Breslau“ von Karin Kaper und Dirk Szuszies gezeigt.

 Die Protagonisten aus dem Film „Wir sind Juden aus Breslau“ von Karin Kaper und Dirk Szuszies.

Die Protagonisten aus dem Film „Wir sind Juden aus Breslau“ von Karin Kaper und Dirk Szuszies.

Foto: RP/Veranstalter

Vierzehn Menschen berichten von ihren Erlebnissen in den Jahren 1933 bis 1945 und über ihre Lebenswege danach. Sie waren damals Kinder oder im Teenager-Alter, heute sind sie teilweise über 90 Jahre alt. Geboren in Breslau (heute Wroclaw) und von jüdischer Herkunft erlebten sie die Verfolgung und Ermordung der Juden durch die Nazi-Herrschaft. Sie konnten fliehen oder entgingen in den Konzentrationslagern nur knapp dem Tod.

Dies ist der Inhalt der im Jahre 2016 fertiggestellten Kino-Dokumentation „Wir sind Juden aus Breslau“ von Karin Kaper und Dirk Szuszies. Im Rahmen der Jüdischen Kulturtage Rhein-Ruhr 2019, die mit sechs verschiedenen Veranstaltungen auch in Kleve durchgeführt wurden, gab es im Tichelpark-Kino zwei Sondervorführungen dieses Films. Wer ihn gesehen hatte – in der Nachmittagsvorstellung waren leider nur etwa 20 Zuschauer – ging mit zwei Fragen im Kopf nach Hause: „Wie können Menschen einander so etwas antun?“ und „Was können Menschen tun, damit dies nie wieder geschieht?“

Die authentischen Berichte der 14 Protagonisten entstehen im Gespräch mit deutsch-polnischen Jugendlichen, die von den Filmemachern auf die Begegnung mit den Zeitzeugen eingehend vorbereitet wurden. Zu sehen ist, wie Historiker der Universität Wroclaw die Jugendlichen über geschichtliche Details im damaligen Breslau informieren. Hitler wollte Breslau ganz und gar deutsch, die Juden wurden in Judenhäusern zusammengetrieben, schließlich deportiert. Die norwegisch-jüdische Schauspielerin und Musikerin Bente Kahan wirkt in dem Film mit in ihrer Funktion als Gründerin der Stiftung für den Wiederaufbau der Breslauer Synagoge „Weißer Storch“ als auch mit eindrücklichen Vorträgen jiddischer Lieder und Gebetsgesänge. Immer wieder wechseln die Szenen zwischen dem heutigen Wroclaw und dokumentarischen Aufnahmen aus der NS-Zeit. Der Zuschauer wird folgerichtig nicht geschont, die Bilder von Leichenbergen, geschundenen und gequälten Menschen machen sprachlos. Die Hauptlinie des Films sind die Berichte der Zeitzeugen, von denen einer, Professor Fritz Stern, bereits verstorben ist. Viele wanderten aus nach Amerika. Sie sprechen Englisch, obwohl sie natürlich auch Deutsch können. Unausgesprochen ist klar: diese Sprache wollen sie nicht mehr sprechen. Sie schauen ernst in die Kamera, ihre Augen, die viel Leid sahen, sind müde und alt und als Zuschauer muss man feststellen: „Gut, dass dies filmisch festgehalten ist, für die die nachkommen.“

Berührende Szenen sind zu sehen mit den jugendlichen Zuhörern: Eine Frau nimmt die Hände einer jungen Frau und sagt eindringlich, wie wichtig es ist, im Leben nicht egoistisch zu sein. Die junge Zuhörerin ist überwältigt, kann ihre Tränen kaum zurückhalten. Sie ist es auch, die am Ende des Projekts sagen wird: „Wir kennen jetzt ihre Geschichten, jetzt sind wir verpflichtet, diese weiterzugeben.“

Der Bezug zur Gegenwart wird gegen Ende des Films in erschreckender Weise offenbart. Aktuelle Demos von rechten Neo-Nazis, die gegen Geflüchtete aufmarschieren, werden neben historische Propaganda-Veranstaltungen Hitlers gestellt. In hartem Schnitt wird dann wiederum gezeigt, wie durch die Initiative von Bente Kahan die Storch-Synagoge wiederbelebt wird, wie Menschen verschiedener Glaubensrichtungen zusammenfinden. Ganz bewusst verfolgt der Film die Absicht, ein Zeichen zu setzen gegen stärker werdende nationalistische und antisemitische Strömungen in Europa. Eingehend wird auch Bezug genommen auf die Gründung des Staates Israel, an der einige der Protagonisten des Films beteiligt waren. Bald werden sie nicht mehr leben und können nicht mehr berichten. Umso wertvoller ist diese Dokumentation.

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