#mitreden in Kleve Ist Religionsunterricht heute noch zeitgemäß?

KLEVE · Die Joseph-Beuys-Gesamtschule stellte sich beim Debatten-Wettbewerb #mitreden von RP und Evonik die Frage: „Ist der Religionsunterricht noch zeitgemäß?“ Engagiert und fachlich fundiert diskutierten zwei Schüler-Teams Pro und Contra.

„Contra-Team“ Melina Zarishta und Zeliha Ates, Lehrerin Romy Ackers und das „Pro-Team“ Susanita Podosyan und Johanna Kiesel (von links).

„Contra-Team“ Melina Zarishta und Zeliha Ates, Lehrerin Romy Ackers und das „Pro-Team“ Susanita Podosyan und Johanna Kiesel (von links).

Foto: Markus van Offern (mvo)

Es sollten nur Nuancen sein, die über das Ergebnis des Debatten-Wettbwerbs #mitreden von Rheinische Post und Evonik in der Joseph-Beuys-Gesamtschule (JBG) an der Ackerstraße in Kleve entschieden. Letztlich war das Publikum ausschlaggebend, wer in dieser zugleich hochemotional als auch philosophisch fundiert von Schülern aus der 11. Klasse geführten Debatte über die Frage „Ist der Religionsunterricht noch zeitgemäß“ die Nase vorn hatte. Susanita Podosyan und Johanna Kiesel waren das Team, das sich bestens gerüstet für Religionsunterricht einsetzte, Zeliha Ates und Melina Zarishta hielten nicht minder gut vorbereitet dagegen.

Beim #mitreden Debattenwettbewerb ringen acht Schulen aus dem Rheinland und vom Niederrhein um den mit 5000 Euro dotierten ersten Preis, der im Frühjahr 2022 in einem Wettstreit der besten vier Schulen vergeben wird. Aus dem Kreis Kleve sind die JBG und die Gesamtschule Mittelkreis dabei. Es treten jeweils zwei Zweierteams in der Debatte gegeneinander an und werden von einer Jury und dem Publikum bewertet. In der Jury waren für die Rheinische Post Martin Kessler, Politik-Chef der Zentralredaktion in Düsseldorf, und Journalistenschülerin Lilli Stegner sowie für Evonik Markus König. Im Publikum saßen Schüler der 11. Klasse der JBG. Es galten die Corona-Regeln, zuvor waren alle Gäste getestet worden.

 Die Jury: RP-Politikchef Martin Kessler, Lilli Stegner (RP) und Markus Koenig von Evonik.

Die Jury: RP-Politikchef Martin Kessler, Lilli Stegner (RP) und Markus Koenig von Evonik.

Foto: Markus van Offern (mvo)

 Hedwig Meyer-Wilmes, die 21 Jahre an der Radboud-Universität in Nimwegen feministische Theologie lehrte und zwischenzeitlich eine Gastprofessur an der Uni in Löwen/Belgien wahrnahm, hatte mit einem Fachbeitrag wissenschaftlich ins Thema eingeführt und Thesen über den „Glauben an Gott und nicht an die Kirche“, den Grundsatz, dass „Glauben Privatsache ist“ aber auch von der Unkenntnis vieler Menschen über ihren Glauben formuliert. Ohne Religionsunterricht führe letzteres zu einer „Analphabetisierung der Religionen“, während sich charismatische Gemeinschaften verschiedener Religionen im verborgenen entwickeln, so Meyer-Wilmes. Auch benötige der Mensch Erinnerungsräume, wie sie Religionen bieten. Beispielsweise mit ihrer Musik. Als Beispiel hatte sie Pergolesis barocke Musik zum tief erschütternden „Stabat Mater“ aus dem Ende des 13. Jahrhunderts mitgebracht.

Die Ergriffenheit, die Pergolesis alte Musik von der Trauer der Mutter um ihren toten Sohn auch beim jungen Publikum erzeugte, wich aber bald dem offenen Schlagabtausch auf der Bühne. Susanita Podosyan listete die Hauptargumente des Pro-Teams: Vieles in der Gesellschaft sei ohne Religion nicht zu verstehen und eine „Multi-Kulti-Gesellschaft funktioniere nur, wenn man die Religionen kenne. Es gehe um Persönlichkeitsentwicklung, es gehe um Werte und Normen und um den christlichen Grundgedanken der Verantwortung sich selbst und anderen gegenüber, letztlich um Gott und Glück.

 Hedwig Meyer-Wilmes war als Theologin die Fachfrau: Sie hielt den Eingangs-Vortrag vor der Debatte.

Hedwig Meyer-Wilmes war als Theologin die Fachfrau: Sie hielt den Eingangs-Vortrag vor der Debatte.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Dem setzte Zeliha Ates die Thesen des Contra-Teams von der Irrationalität des Glaubens entgegen und dass die heutige Gesellschaft auf Humanismus und Aufklärung und letztlich der Freiheit fuße, die sie sich 400 Jahre lang gegen die Kirche erstritten habe. Man dürfe heute nicht mehr Schüler dieser Glaubensunterweisung aussetzen. Themen, die im Religionsunterricht vielleicht noch von Relevanz seien, ließen sich auch im Ethik-, Philosophie- oder Geschichtsunterricht besprechen. Noch bis in die Gegenwart sei Homosexualität von Kirche diskriminiert worden, vom Missbrauchsskandal ganz zu schweigen.

Letztlich schenkten sich beide Teams nichts: Melina Zarishta hielt dem Pro-Team entgegen, dass Religionsunterricht nichts anders eine absurde Veranstaltung sei, die jahrhundertealte Mythen verbreite. Johanna Kiesel konterte mit der Wertevermittlung und der Frage nach dem, was richtig und falsch sei. Es entspann sich letztlich eine lange, kurzweilige Debatte, in der knapp das Team Contra Religionsunterricht gewann.

Bestens vorbereitet hatte Deutsch- und Philosophielehrerin Romy Ackers die Schüler: Ihr Philosophie-Kurs hatte sich auch in unterrichtsfreier Zeit getroffen, die Argumente abzuwägen, die „Kollegen“ vom Reli-Kurs steuerten ihre Statements hinzu. Markus König, Evonik, brachte es auf den Punkt: „Was Frau Ackers aus Euch herausgeholt hat, ist beachtlich“. Sie habe herausarbeiten wollen, sagte Ackers, dass zu „Meinung bilden“ auch die Bildung gehöre. Dass es wichtig sei, eine eigene Meinung zu haben, die fundiert sei und nicht einfach wie oft in sozialen Medien herausposauniert werde. Auch sei ihr wichtig gewesen, dass man in Rollen schlüpfe und auf der Bühne eine Position vertreten könne. Als sie von dem Wettbwerb erzählt habe, seien alle Feuer und Flamme gewesen. Nicht nur, um zu zeigen, dass man fundiert debattieren kann, sondern vor allem auch, um sich als Joseph-Beuys-Gesamtschule zu positionieren, so Ackers.

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