Kalkar Jesiden in Kalkar stellen sich vor

Kalkar · Noch vor wenigen Monaten waren sie der Masse kaum bekannt: Jesiden (auch Eziden oder Yeziden). Die Religion, zu der sich in den Kreisen Kleve und Wesel etwa 5000 Anhänger bekennen, hat traurige Berühmtheit erlangt, weil sie im Norden des Iraks von den Truppen des Islamischen Staats (IS) verfolgt und getötet werden.

Irak: Jesiden demonstrieren in Kleve gegen Gewalt und IS
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Jesiden demonstrieren in Kleve gegen Gewalt im Irak

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Nun haben Mitglieder der jesidischen Gemeinde Kalkar die Möglichkeit genutzt, um auf sich und ihre Religion aufmerksam zu machen. Dutzende Besucher waren in das neue Gotteshaus in Kalkars Industriegebiet am Oyweg gekommen, um sich über das Jesidentum, seine derzeitige Lage und die Geschichte der Religion zu informieren. Manche hatten sich vorab im Internet informiert, viele nahmen Neues mit nach Hause.

Jesiden wollen nicht missionieren

Demnach gibt es schätzungsweise 800.000 Jesiden weltweit. Sie gehören dem Volk der Kurden an, leben vor allem im Nordirak, Syrien und im Südosten der Türkei. Jesiden sind eine eigenständige Religion, glauben an den einen Gott und sind nicht missionarisch tätig. Man kann nur Jeside werden, in dem man als ein solcher geboren wird, zum Jesidentum konvertieren ist nicht möglich. Daher versuchen Jesiden auch nicht, andere von ihrer Religion zu überzeugen.

"Wenn wir beten, dann bitten wir Gott, erst alle anderen zu beschützen und dann uns", sagt Hamied Sabri von der Gemeinde Kalkar. Der große Respekt vor anderen Religionen ist prägend für das Jesidentum, heiraten dürfen Jesiden aber nur untereinander. Wer einen Nicht-Jesiden heiratet, wird von der Glaubensgemeinschaft ausgeschlossen.

Auf der Flucht vor Terroristen des IS

Hamied Sabri kommt aus Shekhan, im Norden des Iraks. Mutter, Bruder und Schwester befinden sich noch in dem kriegsgebeutelten Land. "Sie sind aus Panik geflohen, als der IS 15 Kilometer von ihrem Dorf entfernt aufgetaucht ist", sagt er. Kontakt hält Sabri sporadisch über Internet oder Telefon, wenn es denn Empfang gibt. "Manchmal hören wir auch tagelang gar nichts von ihnen", sagt er. Vor kurzem aber konnte er mit ihnen telefonieren.

"Nur zwei Sekunden, die Verbindung war so schlecht. Aber wenigstens wissen wir, dass sie leben." Viele Angehörige der Gemeinde fühlen sich hilflos, weil sie von Deutschland aus nur wenig unternehmen können, berichten sie. Zwei Hilfskonvois haben sie bereits aus Kalkar in den Irak geschickt, weitere sollen folgen. Manche fahren auf eigene Faust in den Nahen Osten, um ihren dort verbliebenen Verwandten beizustehen. "Mein Vater ist auch in den Irak gefahren. Erst hat er mich beruhigt, er befinde sich in Sicherheit. Jetzt aber weiß ich, dass er hingefahren ist, um für die Verwandten zu kämpfen", sagt Midya Güden. Viele der Jesiden in Kalkar haben Angehörige verloren oder wissen nicht, wo sie sind.

"Ein Verwandter und Nachbar von mir. Er war 72 Jahre alt", sagt Jamal Ismail aus Shingal und deutet auf sein Handy. Auf einem Foto ist ein bärtiger Mann zu sehen, wie er vor seinem Haus in der Sonne sitzt. Dann wischt Ismail über sein Handy. Das neue Foto zeigt den selben Mann, tot und so furchtbar entstellt, dass sich die meisten das Bild nicht anschauen können. "Die Staatengemeinschaft hat schon viel zu lange weggesehen. Daher muss jetzt umso entschiedener gehandelt werden", sagt Güden.

(lukra)
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