Kreis Kleve Jeder Vierte im Kreis erhält Niedriglohn

Kreis Kleve · 32 040 Menschen arbeiten im Kreis Kleve für weniger als 8,50 Euro pro Stunde. Die Kaufkraft würde kreisweit um 71,3 Millionen Euro laut einer Studie steigen, wenn es einen gesetzlichen Mindestlohn gäbe.

Im Job alles geben und trotzdem wenig dafür bekommen: Im Kreis Kleve arbeiten rund 32 040 Menschen für einen Niedriglohn. Sie verdienen weniger als 8,50 Euro pro Stunde. Das ist das Ergebnis einer Studie vom Pestel-Institut in Hannover. Zum Vergleich: Im Kreis Kleve gibt es nach Angaben von IT.NRW insgesamt 129 700 Erwerbstätige (Stand 2009). Damit erhielte rund jeder vierte Erwerbtätige einen Niedriglohn.

Die Wissenschaftler haben darüber hinaus untersucht, welche positiven Effekte ein gesetzlicher Mindestlohn für die heimische Wirtschaft hätte: "Die Kaufkraft im Kreis Kleve würde um 71,3 Millionen Euro pro Jahr steigen. Vorausgesetzt, jeder Beschäftigte verdient künftig mindestens 8,50 Euro pro Stunde", sagt Matthias Günther vom Pestel-Institut. Der Leiter der Mindestlohn-Studie erwartet, dass der Zuwachs an Kaufkraft nahezu eins zu eins in den Konsum gehen würde.

Für die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) sind die Ergebnisse der Studie ein klares Argument für die sofortige Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes von 8,50 Euro. Beide Gewerkschaften hatten die Untersuchung in Auftrag gegeben. "Wer den ganzen Tag arbeitet, muss mit dem, was er verdient, auch klarkommen können. Das klappt aber nicht, wenn Dumpinglöhne gezahlt werden. Und ein Dumpinglohn ist alles unter 8,50 Euro pro Stunde", sagt der Geschäftsführer des ver.di-Bezirks Duisburg-Niederrhein, Thomas Keuer.

Niedriglöhner seien gezwungen, kürzer zu treten und Verzicht zu üben. "Sie können am Leben nicht richtig teilnehmen. Das fängt schon beim Bus- und Bahnticket an. Für Ausflüge und selbst für Verwandtenbesuche reicht das Geld oft nicht. Genauso wie fürs Kino oder Schwimmbad", sagt Thomas Keuer. Ein Niedriglohn bedeute automatisch "eine Lebensqualität dritter Klasse".

Das zeige sich ganz besonders beim Einkauf: "Wer von einem Niedriglohn lebt, für den sind die Käse- und die Frischfleischtheke im Supermarkt tabu. Bei Lebensmitteln kommen dann nur Sonderangebote und Billigprodukte in Frage. Am besten reduzierte Ware: Zweite-Wahl-Produkte oder Sachen kurz vor dem Ablaufdatum. Geringverdiener sind gezwungen, jeden Cent zweimal umzudrehen", sagt der Geschäftsführer der NGG-Region Nordrhein, Hans-Jürgen Hufer.

NGG und ver.di werfen Lohndumping-Arbeitgebern vor, sie würden sich ihre "Geiz-Löhne" vom Steuerzahler subventionieren lassen. "Nämlich dann, wenn Menschen einen sozialversicherungspflichtigen Teilzeit- oder Vollzeitjob haben, aber so wenig verdienen, dass der Staat mit Hartz IV drauflegen muss. Das ist dann quasi staatlich subventioniertes Lohndumping. Solche Arbeitgeber sind schlichtweg unanständig", so Hans-Jürgen Hufer.

Heftige Kritik übten ver.di und NGG nachträglich an der Politik der schwarz-gelben Bundesregierung: "CDU/CSU und FDP sind die 'Mindestlohn-Bremsen'. Die Wahrheit ist, beide – Union und Liberale – wollten keinen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn", sagt ver.di-Bezirksgeschäftsführer Thomas Keuer.

NGG und ver.di appellieren an alle Beschäftigten, die im Kreis Kleve zu einem Niedriglohn arbeiten, diesen online beim Dumpinglohnmelder (www.dumpinglohnmelder.de) anzuzeigen. Die beiden Gewerkschaften wollen die so genannte "Deutschland-Billiglohn-Landkarte" vervollständigen.

(RP)
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