Kreis Kleve Inklusion bleibt eine Herausforderung

Kreis Kleve · Viele Bildungseinrichtungen im Kreis Kleve befinden sich im Übergang zur Inklusion, die ab August gesetzlich geregelt ist. Der aktuelle Bildungsbericht zeigt: Der Schlüssel für eine erfolgreiche Inklusionsarbeit liegt im Bildungspersonal.

 Seit mehr als 15 Jahren wird an der Karl-Leisner-Grundschule in Kleve integrativ unterrichtet.

Seit mehr als 15 Jahren wird an der Karl-Leisner-Grundschule in Kleve integrativ unterrichtet.

Foto: Gottfried Evers

"Bitte nicht stören" steht auf dem Schild an der Tür. In der Klasse der siebenjährigen Lisa läuft gerade die Absprechrunde. Dafür knien die Kinder in der Mitte des Klassenzimmers im Kreis und berichten ihren Mitschülern, welche Aufgaben sie bearbeiten werden. Lisa lernt derzeit für den Hör-, Schreib- und Sehpass. Den Großteil der Buchstaben des Alphabets beherrscht sie bereits, gerade versucht sie, Mengen zu erfassen. Sie arbeitet wie ihre Mitschüler, aber falls die Konzentration nachlässt oder sie bei einer Aufgabe etwas länger braucht, springt ihre Integrationshelferin unterstützend ein.

Dass die Schüler der Karl-Leisner-Schule in Kleve nicht alle stur das Gleiche machen, ist Teil des Konzepts der Grundschule. "Es ist ein Irrglaube, dass alle Kinder die selben Ziele verfolgen müssen", sagt Schulleiterin Gudrun Hütten. Gefördert werden sollte der Nachwuchs vielmehr in seinem ganzen Spektrum - von den lernbehinderten Schülern bis hin zu den hochbegabten. "Wir ermitteln den Bedarf an Förderung bei jedem einzelnen Schüler individuell." Vor mehr als 15 Jahren stellte die damalige Regelschule auf integrativen Unterricht um, seit einigen Jahren ist sie inklusiv. Das bedeutet: "Jeder bringt sich entsprechend seiner Möglichkeiten ein", sagt die Schulleiterin.

Lisa beispielsweise hat das Down-Syndrom. "Sie ist pfiffig, bekommt unglaublich viel mit", sagt ihre Integrationshelferin Walburga Janssen. Manchmal dann bereitet es ihr Probleme, sich Dinge zu merken oder komplexe Zusammenhänge zu verstehen. Am schwersten aber fällt der Siebenjährigen das Sprechen. "Das ist manchmal sehr undeutlich", sagt die I-Helferin. Damit halte Lisa die Regelschüler aber nicht auf, erklärt die Schulleiterin. Ein gewisses Maß an Geduld müsse jedes Kind aufbringen, "oder wir helfen im Einzelgespräch". Für das Kollegium bedeute das aber auch großen Aufwand. "Bei uns klappt es. Aber nur, weil wir so viel Personal haben", sagt Klassenlehrerin Elke Klier.

An der Schule gibt es 16 Lehrer und eine Schulsozialarbeiterin sowie I-Helfer und Ehrenamtliche, die 275 Schüler betreuen. Etwas mehr als 40 der Schüler haben Förderbedarf. Für sie stehen sieben Sonderpädagogen den Lehrern im Unterricht zur Seite. "Es ist immer jemand da, der an anderer Ecke einspringen kann", sagt Elke Klier. Die Schulleiterin bestätigt: "Derzeit sind wir personell gut aufgestellt."

Die Katharinenschule in Straelen hatte dieses Schuljahr nicht so viel Glück. Beide Förderschullehrer fielen wegen Schwangerschaft aus. Mehrfach schrieb die Grundschule die Stellen aus, aber Ersatz fand sich nicht. "Es gibt zu wenige Förderschullehrer", sagt Schulleiter Bernd Schaap. Stattdessen stellte die Schule zwei Heilpädagogen ein. Vier der 25 Schüler mit "anerkannter sonderpädagogischer Unterstützung", wie Schüler mit Förderbedarf laut des Aktionsplans des Landes "Eine Gesellschaft für alle - NRW inklusiv" genannt werden, haben I-Helfer. Als sich vor kurzem doch Bewerber meldeten, habe die Bezirksregierung in Düsseldorf zweien eine Absage erteilt. "Weil sie evangelisch waren, durften sie sich nicht an unserer katholischen Schule bewerben", erklärt der Schulleiter, und das, obwohl 80 der knapp 480 Schüler evangelisch seien.

Für das kommende Schuljahr soll die Straelener Schule zwei Förderschullehrer bekommen. 2,5 stehen ihr als Schwerpunktschule eigentlich zu. Diese haben im Gegensatz zu LES-Schulen (Lesen, emotionale und soziale Entwicklung sowie Sprache) noch die Körperbehinderung als Förderschwerpunkt. Der Sozialindex im Kreis Kleve sei "zu gut", sagt Walter Seefluth von der NRW-Bildungsgewerkschaft GEW. Deswegen würden dort weniger Stellen für Sonderschullehrer genehmigt als beispielsweise im Kreis Wesel. Den Übergang zur Inklusion sieht er skeptisch. "Ab August können Eltern ihr Kind in Schulen einklagen", sagt er. "Fraglich ist, ob alle Schulen dann auch angemessene Förderung geben können."

Bald soll die Katharinenschule einen Fahrstuhl bekommen. Der wäre eigentlich schon jetzt notwendig - eine der Schülerinnen sitzt im Rollstuhl. "Wir müssen mit der Situation, wie sie ist, klarkommen", sagt der Schulleiter. Auch wenn es bisher dazugehört, das Mädchen mit seinem Rollstuhl die Treppen rauf und runter zu tragen.

(RP)
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