Gesundheit Für eine Pflege-Ausbildung ist es nie zu spät
Kleve · Im Alter von 56 und 48 Jahren drücken Elisabeth Voß und Natalia Janßen noch einmal die Schulbank. Sie fühlen sich wohl in der Klasse.
Als Elisabeth Voß am Computer ihre Bewerbung verfasste, konnte sie nicht umhin, einen entscheidenden Satz zu ergänzen: „Auch in meinem hohen Alter möchte ich gerne noch etwas Neues lernen.“ Sie war 54 Jahre alt, als sie die Zeilen schrieb. In den zwei Jahren zuvor hatte sie ein behindertes Kind betreut und dabei gemerkt: „Das ist mein Ding, genau das möchte ich machen. Aber nicht als Aushilfe, sondern mit einer ordentlichen Ausbildung.“ Doch mit Mitte 50 noch einmal die Schulbank drücken? Allein unter Menschen, die gerade einmal 20 Jahre alt sind? Und sich noch einmal kopfüber in die Praxis stürzen? In Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Pflegedienste?
Elisabeth Voß, die zuvor in Bürojobs tätig war, hatte den Mut und schickte ihre Bewerbung ab. Denn: Pflegekräfte werden doch händeringend gesucht. Aber auch solche, die nach dem Ende ihrer Ausbildung nur noch zehn Jahre vom Renteneintritt entfernt sind? Voß bekam eine Antwort – und es war keine Absage. Stattdessen wurde sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Das persönliche Kennenlernen verlief für beide Seiten erfreulich.
Es dauerte nur zwei Tage und sie hatte eine Zusage. Mittlerweile ist sie im zweiten Jahr ihrer Ausbildung und hat ihre Entscheidung nicht bereut. „Natürlich waren die ersten Tage schwierig“, erinnert sie sich. „Da waren nur junge Menschen um mich herum, und ich habe mich gefragt: Bist du hier richtig?“ Die Antwort war ihr aber schnell klar: „Wir sind ein richtig tolles Team geworden“, so Voß.
Natalia Janßen, 2001 aus der Ukraine nach Deutschland gekommen, ist bereits im dritten Ausbildungsjahr. Sie ist 48 Jahre alt und wollte arbeiten. Den Medizinbetrieb kannte sie, die einjährige Ausbildung zur Pflegeassistentin war ihr erster Schritt in die Pflege. Sie absolvierte den Lehrgang ohne Schwierigkeiten und begann gleich mit der Ausbildung zur Pflegefachfrau. Im März 2023 ist sie mit der dreijährigen Ausbildung fertig. Wieder lernen – oder: das Lernen selbst wieder lernen. Das war für Natalia Janßen die große Herausforderung. Die Klassen sind bunt gemischt, das führt unterschiedkiche Perspektiven zusammen. „Es ist sehr schön, wie sich die Schülerinnen und Schüler mit den verschiedenen Blickwinkeln einbringen“, sagt sie.
Natürlich hat das Alter auch Vorteile. Janßen und Voß bringen ihre Lebenserfahrung mit. In der Pflege ist es wichtig, sich auf viele verschiedene Menschen einstellen zu können. „Bei der täglichen Arbeit auf Station können wir uns sehr gut einbringen“, so Voß. Auf der anderen Seite ist sie sicher: „Wir können auch viel von den jungen Leuten lernen.“ Elisabeth Voß findet es gut, wie sich die Ausbildung gewandelt hat. Die Zeiten des „Frontalunterrichts“ sind lange vorbei. „Wir lernen sehr viel in Gruppen und müssen uns die Inhalte selbst erarbeiten. Das gefällt mir.“