Kleve Hoffen, dass die Gasflasche durchhält

Kleve · RP-Mitarbeiterin Julia Latzel aus Rees arbeitet vier Wochen lang auf dem Weihnachtsmarkt in Münster. Von der besinnlichen Stimmung bekommt sie allerdings kaum etwas mit, denn es gibt immer was zu tun.

Den Weihnachtstrubel von der anderen Seite mitzuerleben und zu beobachten - diese Gelegenheit habe ich in diesem Jahr auf dem Weihnachtsmarkt in Münster. Um mein schmales Budget als Studentin aufzubessern, übernehme ich mehrere Schichten pro Woche an einem Schmuckstand und beriet die größtenteils weibliche Kundschaft. Wirkliches Weihnachtsgefühl kommt da allerdings selten auf: Zum einen fehlt hier die Weihnachtsmusik - ich muss zugeben, vorher hatte ich Angst vor nervigen, sich ständig wiederholenden Liedern, aber ganz ohne Musik kommt es mir nicht wie Adventszeit vor. Zum anderen habe ich meist keine Zeit, gemütlich durch die Stadt zu schlendern und an den verschiedenen Ständen anzuhalten. Stattdessen hetze ich eher durch die Stadt, um es rechtzeitig zum Schichtwechsel an den Stand zu schaffen.

Und das ist bei Weitem nicht einfach: Besonders vor den Glühweinständen drängen sich die Menschenmassen. Auch in Teilen der Stadt ohne Weihnachtsmarkt ist es momentan noch voller als sonst.

Großgruppen haben angesichts der zahlreichen Besucher offenbar das Problem, sich nicht im Weihnachtsmarkt-Trubel zu verlieren. Das lösen sie geschickt, indem sie sich identische weihnachtliche Accessoires in die Haare stecken. Dabei scheint es auch erwachsenen Frauen nicht peinlich zu sein, ein blinkendes Rentiergeweih zu tragen. Der Glühwein wird bestimmt auch etwas dazu beigetragen haben, die Hemmschwelle zu senken. Endlich angekommen am Stand, besteht meine Aufgabe darin, die Wünsche der vorwiegend weiblichen Kundschaft zu erfüllen. Die anscheinend gezwungenermaßen mitgekommenen Ehemänner haben da meist nur launige Kommentare zu Schmuck im Allgemeinen übrig - bis sie die Fußballmotive entdecken. Dann sind sie Feuer und Flamme. Die Gladbachfans haben hier bereits den gesamten Vorrat an Knöpfen ihrer Lieblingsmannschaft aufgekauft, als hätten sie Angst, ein anderer könnte ihnen zuvorkommen. Ebenso kann man nicht merken, dass die Dortmundfans aufgrund der schlechten Saison ihre Liebe zum BVB verloren haben: Bereits in der ersten Woche waren alle Motive der Dortmunder ausverkauft. Allerdings fehlt den meisten das passende Armband, um die Knöpfe mit den Fußballmotiven daran zu befestigen, aber auf diesen Hinweis ihrer Ehefrauen antworten sie nur: "Ich finde dafür schon einen Ehrenplatz."

So kann bei viel Kundschaft die Zeit am Stand schnell vergehen. Schlimmer ist, wenn nichts zu tun ist und man sich langsam der Kälte bewusst wird. Dabei ist die Heizung überlebensnotwendig. Leider hatte ich einen Nachmittag das Vergnügen, ohne die wohltuende Wärme auszukommen, weil die Gasflasche leer war. Meine Kollegin und ich machten deshalb einige Aufwärmübungen, die sicherlich zur Belustigung der Besucher beitrugen.

Doch besser eine leere Gasflasche als eine brennende, wie es an einem Nachbarstand der Fall war. Glücklicherweise konnte der Brand schnell gelöscht werden und es war nichts passiert. Das einzige, was am nächsten Morgen noch an das Unglück erinnerte, war, dass die Ansage, die jeden Morgen Besucher und Verkäufer begrüßt, neben der Wettervorhersage für den Tag auch noch den Zusatz enthielt: "Bitte passen Sie auf Ihre Gasflaschen auf."

Gegen Ende des Weihnachtsmarkttages klingt der große Ansturm allmählich ab und nachdem alles für die Nacht verstaut ist, kann ich endlich nach Hause, um mich aufzuwärmen. Bei einer heißen Tasse Tee und selbstgebackenen Plätzchen kommt dann schließlich doch eine Weihnachtsstimmung auf.

(RP)
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