Kleve Hochwasser-Schutz wird vernachlässigt

Kleve · Die rot-grüne Landesregierung spart am Hochwasserschutz. Vor allem Maßnahmen im Bereich der Kreise Kleve und Wesel bleiben liegen. CDU-Landtagsabgeordneter Bergmann: Rot-Grün kürzt Mittel und erhöht die Belastung der Deichverbände.

 Landtagsabgeordneter Günther Bergmann aus Kalkar.

Landtagsabgeordneter Günther Bergmann aus Kalkar.

Foto: Evers

Herr Bergmann, angesichts der Flutkatastrophe im Osten der Bundesrepublik Deutschland fragen die Menschen im Kreis Kleve: Wie sicher sind unsere Deiche?

 Deich und Deichstraße zwischen Emmericher Brücke und Griethausen warten dringend auf eine Sanierung.

Deich und Deichstraße zwischen Emmericher Brücke und Griethausen warten dringend auf eine Sanierung.

Foto: eve

Bergmann Insgesamt haben die drei Deichverbände unserer Region rund 90 Kilometer Deiche beidseits des Rheins. Panikmache gilt nicht, denn die Verbände tun alles, was sie können. Ganz sicher ist das sieben Kilometer lange, schon komplett sanierte Stück von Kleve bis zur Landesgrenze. Die Bescheide für andere, teils dringend sanierungsbedürftige Bereiche liegen bei der Bezirksregierung. Ein Beispiel, wie sich das auswirkt, ist der Teil Rheinbrücke/B220 bis Schöpfwerk Kleve-Kellen. Der Plan für das vier Kilometer lange Stück liegt seit 2008 in Düsseldorf. Hinzu kommt: Die Straße auf dem Deich ist schlecht, sollte schon saniert werden. Schlimmstenfalls käme der Deichneubau, und eine neue Straße würde dabei wieder abgerissen. Das wäre ja Quatsch. Es muss also endlich für beide Maßnahmen eine parallele Planfeststellung geben.

Was bedeutet das für die Deichsanierung?

Bergmann Wenn es von der Bezirksregierung keinen Bescheid gibt, können die Deichverbände auch nicht ausschreiben, bauen und Geld beim Land abrufen. Linksrheinisch wurden von den zwei Deichverbänden rund 22 von 45 Kilometern saniert, andere Bereiche dort sind dringend sanierungsbedürftig. Rechtsrheinisch sind noch rund 20 von 45 Kilometern zu sanieren — eine Mammutaufgabe. Dort wurde das Teilstück Rees-Bienen bereits 1999 beantragt, ebenso Bienen-Praest, schon 1998 der Teil Dornick-Emmerich, der besonders gefährdet ist. Die liegen alle in Düsseldorf und wurden über Jahre hinweg nicht beschieden.

In welchem Zustand sind die Deiche?

Bergmann Die Altdeiche sind halt in die Jahre gekommen. Ihr Aufbau ist viel schlanker als heute, und es sind oft homogene Deiche, also oft reine Lehmdeiche. Wenn man etwa den neuen Deich in Kleve-Düffelward nimmt, sieht man sofort, wie es sein muss: unten ein viel breiterer Deichfuß und oben eine deutlich höhere Deichkrone als früher.

Was droht bei einem Deichbruch?

Bergmann Es gab 2000 und 2002 Berechnungen vom Land, die bei einem Deichbruch Schäden in Milliardenhöhe in NRW prognostizierten. Für den Niederrhein sagte man voraus, dass dann mit Überflutung von 80 bis 100 Prozent einzelner Kommunen zu rechnen ist. Das beträfe Emmerich, Rees, Kalkar, Kleve, Bedburg-Hau und Kranenburg. Hinzu kommt das kommunale Schadenspotenzial, denn Straßen und öffentliche Gebäude gehen ja auch kaputt. Ich habe das auch in einer Kleinen Anfrage formuliert, das war am 1. Februar — also deutlich vor dem Hochwasser.

Und die Reaktion?

Bergmann Tja — Umweltminister Remmel antwortete am 4. März wörtlich, dass der Schutz vor Hochwasser "zunächst in der Verantwortung jedes einzelnen Bürgers" läge. Ich finde das unglaublich.

Ließe sich Deichbau rein aus Bürgerhand denn überhaupt finanzieren?

Bergmann Natürlich nicht. Das weiß auch Remmel. Aber trotzdem wird am Hochwasserschutz gespart.

Wo genau wird gespart?

Bergmann 2012 standen 40 Millionen Euro im Haushalt, jetzt sind es 30 Millionen, wegen der Haushaltskonsolidierung, sagt Remmel. Aber es ist nicht mal klar, ob diese Mittel in Anspruch genommen werden können: Werden Bescheide, die nötig sind, um Gelder abzurufen, von der Bezirksregierung nicht erteilt, kann ja auch keiner Geld abrufen.

Bis jetzt trägt das Land 80 Prozent der Kosten, die Deichverbände tragen 20 Prozent. . .

Bergmann Bis jetzt — denn Remmel möchte die Verteilung ändern und streitet gerade darüber auch mit Teilen der SPD. Künftig soll das Land nur noch 70 Prozent tragen, 30 Prozent die Bürger über die Umlage der Deichverbände. Hinzu kommt, dass Remmel mit Auflagen und zusätzlichen Umweltgutachten über Artenschutz, FFH-Verträglichkeit, Fledermäuse und so weiter den Deichbau immer weiter verteuert. Gleichzeitig haben sich inzwischen die Preise für den Deichbau fast verdoppelt. Während zur Antragstellung 1999 ein Kilometer Deich noch zwei Millionen Euro kostete, liegen die Kosten jetzt bei vier.

Während des von Ihnen genannten Zeitraums gab es aber nicht nur Rot-Grün, auch Schwarz-Gelb stand dann in der Verantwortung?

Bergmann Die Bezirksregierung war nie Schwarz-Gelb. Sie haben Recht: Auch die schwarz-gelbe Landesregierung hätte in den fünf Jahren noch mehr für den Hochwasserschutz hier tun können. Immerhin wurden aber zwölf Kilometer linksrheinisch in der Zeit saniert, und der 2007 genehmigte Bereich Griethausen wurde 2009 schon abgeschlossen.

DIE FRAGEN STELLTE RP-REDAKTEUR MATTHIAS GRASS.

(RP/rl/jre)
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