Hochschule Rhein-Waal Der Krieg im Hörsaal

Kreis Kleve · Die Hochschule Rhein-Waal hat verschiedenste Verbindungen in die Ukraine und nach Russland. Am Mittwoch gibt es in Kleve einen Diskussionstag mit wissenschaftlichen Einordnungen und Augenzeugenberichten von Geflüchteten.

 Dieses vom ukrainischen Katastrophenschutz veröffentlichte Foto zeigt einen Brand in einem Fakultätsgebäude der Universität Charkiw, der durch einen russischen Raketenangriff verursacht wurde.

Dieses vom ukrainischen Katastrophenschutz veröffentlichte Foto zeigt einen Brand in einem Fakultätsgebäude der Universität Charkiw, der durch einen russischen Raketenangriff verursacht wurde.

Foto: dpa/Emergency Service Of Ukraine

Der Krieg in der Ukraine betrifft die Hochschule Rhein-Waal (HSRW) und ihre Angehörigen auf verschiedenen Ebenen. Mehr als die Hälfte aller Studierenden kommen aus dem Ausland. Davon sind 34 Studierende aus der Ukraine, 84 aus Russland und fünf aus Weißrussland. Ebenso sind Partnerschaften in der Ukraine und in Russland betroffen.

So kooperiert die Fakultät Life Sciences seit 2016 mit der State Biotechnological University Charkiw, deren Gebäude vom Angriff betroffen sind. Die Hochschule hat verschiedene Partnerschaftsabkommen mit russischen Institutionen, so auch zwei Partnerschaften in St. Petersburg: zum einen mit der Staatlichen Universität für Informationstechnologien, Mechanik und Optik Sankt Petersburg, zum anderen mit der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und Öffentlichen Dienst. Weitere Partnerschaften bestehen mit der Siberian Federal University und der Vologda State Dairy Farming Academy.

Als Reaktion auf den Angriff Russlands auf die Ukraine haben deutsche Hochschulen und wissenschaftliche Einrichtungen die Zusammenarbeit mit russischen Partnerinstitutionen eingestellt. Ein Grund dafür war auch eine gemeinsame Stellungnahme der russischen Union der Hochschulrektoren, in der dazu aufgerufen wird, die russische Armee zu unterstützen und in der es heißt, die Entscheidung Putins für den Krieg sei „eine hart erkämpfte, aber notwendige Entscheidung“.

„Russische Institutionen müssen sanktioniert, formelle Kooperationen eingefroren oder eingestellt werden. Aber die individuelle Zusammenarbeit mit den westlichen Werten und Demokratien zugewandten Wissenschaftlern muss bestehen bleiben“, sagt Oliver Locker-Grütjen, Präsident der Hochschule Rhein-Waal. „Ebenso sollten junge Menschen und Studierende aus Russland die Möglichkeit haben, im westlichen Wissenschaftssystem eine Heimat zu finden. Science Diplomacy muss der letzte Bindungsfaden sein und darf nicht reißen“, sagt Locker-Grütjen.

Die Hochschule Rhein-Waal werde ihrem Leitbild gemäß eine offene und diskriminierungsfreie Hochschule bleiben. Gerade in dieser herausfordernden Zeit werde sich die Hochschule vehement für die Grundwerte Frieden, Freiheit und Demokratie einsetzen. „Nunmehr geht es vordringlich darum, die Aufnahme von ukrainischen Studierenden und Wissenschaftlern vorzubereiten und Unterstützungsangebote zu entwickeln“, heißt es von der Hochschule.

Es wurde eine zentrale Koordinierungsstelle für Anfragen jeglicher Art von Studierenden oder Beschäftigten eingerichtet. Zur Unterstützung für an der HSRW eingeschriebene Studierende aus der Ukraine sowie Belarus und Russland bietet die Hochschule entsprechende Angebote, die allen offen stehen. Über weitere Maßnahmen, etwa für Studierende aus der Ukraine mit ukrainischer Nationalität informiert die Hochschule auf ihrer Internetseite.

Wissenschaftler mit verschiedenen fachlichen Schwerpunkten diskutieren am 23. März ab 14 Uhr (Campus Kleve, Hörsaalzentrum Gebäude 01, Raum EG 005) mit den Studierenden ihre verschiedenen Sichtweisen auf die aktuelle Situation in der Ukraine. Die wissenschaftlichen Diskussionen und Vorträge (in englischer Sprache) stehen auch für eine Teilnahme von Interessierten außerhalb der Hochschule offen.

Nach einem Austausch der Studierenden, organisiert durch den Fachschaftsrat der Fakultät Gesellschaft und Ökonomie, zu aktuellen Initiativen zur Ukrainehilfe und einer Spendenaktion startet um 14 Uhr eine Diskussion von Professoren unterschiedlicher Fachdisziplinen. John Henry Dingfelder Stone, Professor für Rechtswissenschaft mit dem Schwerpunkt Internationales und Öffentliches Recht, gibt eine rechtliche Beurteilung der Invasion Russlands aus Sicht des internationalen Rechts. Jakob Lempp, Professor für Politologie mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen, stellt die Akteure und deren verschiedenen Interessen vor und zeigt mögliche Perspektiven auf. Eva Maria Hinterhuber, Professorin für Soziologie mit Schwerpunkt Gender Studies, analysiert das autoritäre System Putin und Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine aus einer Geschlechterperspektive und rückt zivilgesellschaftlichen Widerstand dagegen in den Fokus.

Es schließen sich zwei Vorträge mit Diskussion an. Zuerst untersucht Niklas Rolf, wissenschaftlicher Mitarbeiter für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen, von 16 bis  17 Uhr mit Hilfe einer Ereignisdatenanalyse den Konflikt in der Ukraine. Anschließend präsentiert Hasan Alkas, Professor für Mikroökonomie mit dem Schwerpunkt Internationale Märkte, von 17 bis 18 Uhr seine spieltheoretischen Überlegungen zum Ukrainekrieg.

Auch zu dem abschießenden Augenzeugenbericht um 18 Uhr lädt die Fakultät die Öffentlichkeit ein. Natalia Shyriaieva ist mit ihrer achtjährigen Tochter aus Charkiw über Polen an den Niederrhein geflüchtet. Sie wird auf Englisch von ihren Erlebnissen und ihrer Flucht berichten. Gregor van der Beek, der sie aufgenommen hat, wird ihren Bericht auf Deutsch übersetzen. Weitere ukrainische Wissenschaftler sollen per Video zugeschaltet werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort