Kleve Heide Keller: In Kleve fing alles an

Kleve · Seit das "ZDF-Traumschiff' am 22. November 1981 erstmals in See stach, ist Heide Keller mit an Bord. Die 1941 in Düsseldorf geborene Schauspielerin spielt die Rolle der Chef-Hostess Beatrice von Ledebur.

 Heide Keller spielt seit 30 Jahren die "Traumschiff"-Chefstewardess Beatrice.

Heide Keller spielt seit 30 Jahren die "Traumschiff"-Chefstewardess Beatrice.

Foto: ddp

Bei Dreharbeiten in Kambodscha traf der aus Rees stammende und mittlerweile in Kambodscha lebende RP-Mitarbeiter Michael Scholten die Schauspielerin. Im Interview ging es vor allem um den Niederrhein, denn in Kleve begann Heide Keller vor 50 Jahren ihre Karriere.

Warum haben Sie sich 1962 für ein Engagement am Klever Theater entschieden?

Heide Keller Es war üblich, sich nach dem Schauspielstudium an umliegenden Theatern zu bewerben. Da ich in Düsseldorf studiert habe, kam Kleve in die engere Auswahl. Natürlich hätte ich auch gern am Schauspielhaus Hamburg gearbeitet, aber ich war viel zu bescheiden, um mich als Anfängerin direkt in großen Städten zu bewerben.

Ihr erster Eindruck von Kleve?

Keller Ich kam mitten im Winter an, was auch gleich zu einem Blechschaden führte.

Wieso das?

Keller Am Tag des Vorsprechens war ich sehr aufgeregt. Ich dachte, ich müsste ganz toll hergerichtet sein. Also habe ich in Düsseldorf mein schönstes Kleid angezogen, mich toll geschminkt und dabei die Zeit vergessen. Dann war der Zug nach Kleve weg. Zum Glück hat mir der Freund eines Freundes seinen Porsche geliehen. Ich hatte gerade meinen Führerschein gemacht, auf den Straßen lag Schnee und Eis, und so habe ich unterwegs natürlich eine Beule in den Porsche gefahren.

Danach konnte es nur noch bergauf gehen, oder?

Keller Ich war die einzige Neue in dem Ensemble, was entscheidend dazu beitrug, dass ich mich nie ganz wohlfühlte. Gleich am Anfang wurde ich auch krank, meinetwegen mussten zwei Vorstellungen ausfallen. Da schauten mich die Kollegen erst recht schräg an.

Mit welchem Stück haben Sie Ihren Einstand in Kleve gegeben?

Keller Leider war das Schillers "Turandot". Das Stück ist sowieso schon schlimm, aber zu allem Überfluss schrieb mir der Regisseur ganz genau vor, wie ich meine Rolle zu spielen hatte. Der strich in meinem Reclam-Heftchen mit roter Farbe die Betonungen an.

Was war dagegen einzuwenden?

Keller Eine Rolle muss man fühlen, die kann man nicht anhand von Betonungen spielen. Für mich war der Einstand in Kleve ein Alptraum, und entsprechend schlecht war ich auch. Leider durfte ich in Kleve keine Rolle spielen, die ich richtig geliebt habe. Das kam erst später an anderen Theatern.

Wo haben Sie damals in Kleve gewohnt?

Keller Ich hatte ein möbliertes Zimmer mit Kochgelegenheit und mit einem kleinen Bad auf dem Flur. Die Wirtsleute waren sehr nett und haben mir manchmal Essen gegeben. Oben unterm Dach wohnte noch ein anderer Schauspielkollege mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn. Ich habe die Adresse vergessen, aber man musste von der Hauptstraße rechts den Berg hoch gehen. Da war das.

Wie hoch war die Miete?

Keller Ich glaube, ich habe 100 Mark gezahlt. Verdient habe ich 350 Mark im Monat. Mein Bankkonto war eigentlich immer überzogen. Wenn ich noch 100 Mark hatte, gab ich 120 aus. Das hat mir oft Angst gemacht, weil ich ja nie wusste, woher das Geld kommen sollte. Mein Vater hat mich nie unterstützt. Auch sonst hat mich niemand unterstützt. Aber wie man sieht, habe ich es überlebt.

Welche Erinnerungen haben Sie an den Niederrhein?

Keller Sehr gute, denn außerhalb des Theaters hat mir das Leben dort sehr viel Spaß gemacht. Nach einer Weile kannte man die Leute und die Region. Am Niederrhein leben freundliche Menschen, und ich mag die Landschaft sehr gern. Wir hatten einige Gastspiele in Theatern oder Gemeindesälen in Emmerich, Rees und Goch. Und wenn wir Geld bekamen, sind wir nach Nimwegen zum Markt gefahren.

Gibt es eine Vorstellung in Kleve, an die Sie sich besonders gut erinnern?

Keller Am besten erinnere ich mich an die Vorstellung am 22. November 1963 oder am Tag darauf. Die wurde abgesagt, weil Präsident Kennedy in Dallas erschossen worden war. Bald darauf verließ ich Kleve auch schon wieder und ging nach Iserlohn.

Wollten Sie von der Bühne schon immer zum Fernsehen wechseln?

Keller Das war nie meine Absicht. Der eine oder andere Kollege arbeitete schon fürs Fernsehen, weil man da mehr Geld verdienen konnte und auf die Titelseiten kam. Ich hatte ein paar gute Fernsehangebote, musste die aber immer ablehnen, weil ich schon lange im Voraus Verträge mit Theatern geschlossen hatte. Bis dann irgendwann Wolfgang Rademann...

...der Produzent vom "Traumschiff"...

Keller ...kam und sagte: "Keine Sau kennt Sie! Sind Sie eine dieser Künstlerinnen, die unbekannt im Dunkeln leben will?" Ich sagte ihm: "Ich will ja bekannt werden, aber wenn Sie mich jetzt nicht nehmen, kennt mich hinterher wieder keiner." Da lachte er nur und meinte: "Ich nehme Sie ja."

Wie hat Wolfgang Rademann Sie für das "Traumschiff" entdeckt?

Keller Er war mit Harald Juhnke in einer Vorstellung des Stückes "Sextett", das ich in Berlin gespielt habe. Später kam Harald hinter die Bühne und sagte mir, dass ich seinem Produzenten gut gefalle. Ich kannte den gar nicht, wohl aber seine Shows wie "Ein verrücktes Paar". Einige Tage später rief mich meine Agentin aufgeregt an und sagte mir, Rademann wolle mich am Flughafen in München-Riem treffen.

Wie hat er Ihnen das "Traumschiff"-Konzept beschrieben?

Keller Als leichte Unterhaltung auf einem Schiff, mit drei relativ unbekannten Schauspielern als Stammbesetzung und prominenten Gaststars. Meine Rolle beschrieb er ungefähr so: "Die rennt da rum und begrüßt die Leute. Kunst ist das nicht, aber mit etwas Glück kommen Sie auf die Titelblätter."

War das der größte Anreiz?

Keller Mir ging es in erster Linie darum, Fernsehen zu machen. Dass wir auf die Bahamas flogen und auf einem Kreuzfahrtschiff drehten, wurde mir erst später gewahr. Gewissheit hatte ich erst, als die Kostümbildnerin mit mir Kleider kaufen ging. Ein Abendkleid kostete 4000 Mark. Da wusste ich: Wenn die so viel Geld für mich ausgeben, dann nehmen die mich auch.

(RP/jco)
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