Fahrradfahren im Kreis Holland als Kleinod für Fietsers

Kleve/Goch · Der Kreis Kleve inszeniert sich gerne fahrradfreundlich. RP-Leser berichten jedoch unisono, dass das Radeln in den Niederlanden nicht nur schöner, sondern auch sicherer sei. Im Nachbarland gilt: Vorfahrt für Radfahrer.

 Das Bild spricht tausend Worte: Die bekannten roten Radstreifen aus den Niederlanden kommend enden ab der Grenze regelrecht im Nirgendwo: In Deutschland gibt es solche Streifen vor allem außerorts so gut wie nicht.

Das Bild spricht tausend Worte: Die bekannten roten Radstreifen aus den Niederlanden kommend enden ab der Grenze regelrecht im Nirgendwo: In Deutschland gibt es solche Streifen vor allem außerorts so gut wie nicht.

Foto: ove

Wer wissen will, wie es sich in der Region als Radfahrer anfühlt, muss Michael Thölking fragen. Der Lehrer des Klever Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums fährt täglich von Groesbeek aus in die Kreisstadt – zu jeder Jahreszeit, bei Wind und Wetter. 16 Kilometer hin, 16 Kilometer zurück. Thölking sagt: „In den Niederlanden hat das Radfahren traditionell einen höheren Stellenwert, es ist mehr Volkskultur.“ Die Folge: Die Rad-Infrastruktur sei im Nachbarland sehr viel besser ausgebaut.

Besonders deutlich werde das an vielen Grenzübergängen zwischen Deutschland und den Niederlanden. Rot gekennzeichnete Radfahrstreifen führen von den Niederlanden aus gen Grenze, danach müssen sich Radfahrer die Straße mit den übrigen Verkehrsteilnehmern teilen. Ein Missstand, der auch Theo Erps auffällt. Der Gocher ist viel mit dem Zweirad unterwegs, zuvorderst jedoch in den Niederlanden. „Dort ist das Radfahren viel bequemer. Da haben wir in Deutschland eine Menge aufzuholen“, sagt er.

Eine Mission, der sich die Gocher Stadtverwaltung im Mai vergangenen Jahres angenommen hatte. Ihr Ziel: Bürger sollen schneller und sicherer mit dem Fahrrad ans Ziel kommen.

Damals erklärten Gochs Bürgermeister Ulrich Knickrehm, Stadtplaner Torsten Kauling und Baurat Dominik Bulinski, im Dialog mit Radfahrern ein Radverkehrskonzept aufstellen zu wollen. Immerhin wolle Goch zu einer fahrradfreundlichen Stadt werden. Im Haushalt der Stadt stehen 50.000 Euro für die Erstellung des Konzeptes zur Verfügung. Mit markigen Worten kündigte Verwaltungs-Chef Knickrehm die Initiative an: „Jeder Punkt in Goch soll ohne Beschwernisse erreichbar sein.“

Die Erarbeitung des Konzeptes sollte in drei Schritten erfolgen. Erst einmal müsse der aktuelle Zustand erfasst, in der Folge ein Konzept entwickelt und schlussendlich ein Maßnahmenprogramm verabschiedet werden. Einen wichtigen Beitrag dazu sollen Bürger liefern, die seit April 2019 auf einem Stadtplan im Internet zu sogenannten „Wegedetektiven“ werden können, indem sie auf einem interaktiven Stadtplan Hinweise, Verbesserungsmöglichkeiten oder Lob zur Verkehrssituation äußern.

In der Sitzung des Gocher Bauausschusses Ende Januar gab Dominik Bulinski bekannt, dass die Bestandsaufnahme mittlerweile abgeschlossen sei. Nun sollen sich die Bürger noch weiter einmischen. Am 25. März hätte ein Runder Tisch, am 28. April eine Bürgerwerkstatt Radcafé stattfinden sollen. Im Juni dann sollte das Konzept auf der Tagesordnung im Rat stehen. Aufgrund der Corona-Wirren ist dieser Zeitplan nun obsolet.

Dabei gebe es, da ist sich Theo Erps sicher, eine Menge zu tun. So schwärmt er etwa vom Knotenpunktsystem für Radfahrer in den Niederlanden. „Dadurch ist es praktisch unmöglich, sich zu verfahren. So ein System würde bei uns sicher auch gut ankommen“, sagt er. In einem solchen Radroutennetz sind alle Kreuzungen durchnummeriert. Zudem werden an diesen Wegweiser aufgestellt, sie sind mit den jeweiligen Nummern beschriftet. In den Niederlanden gibt es diese Infrastruktur beinahe flächendeckend, auch Belgien ist diesbezüglich gut aufgestellt.

Zwar habe der Kreis Kleve mit Landrat Wolfgang Spreen in jüngster Zeit aufgeholt, so umfangreich wie das Knotenpunktsystem auf der anderen Seite der Grenze sei es hier allerdings noch nicht. Bis zum Herbst 2019 wurden im Kreis Kleve 160 Knotenpunkttafeln angebracht. Das Ziel: den Radtourismus zu stärken.

Doch insbesondere abseits dieser Strecken hapere es noch an der notwendigen Radwege-Infrastruktur. Theo Erps zu Folge sei man in Rees mittlerweile gut aufgestellt, in Kleve aber müsse einem als Fahrradfahrer vielerorts noch immer angst und bange werden. Die Stadt arbeitet seit geraumer daran, fahrradfreundlicher zu werden.

Ähnlich sieht es auch Michael Thölking. „Man kann das Gefühl gewinnen, dass das Radfahren in den Niederlanden ernster genommen wird“, sagt der Gymnasiallehrer. Ein Indiz dafür sei etwa die Tatsache, dass bei der Neuinstallation von Ampelanlagen im Nachbarland mittlerweile meist eine Anzeige angebracht wird, die Radfahrern verrät, wie viele Sekunden sie noch auf das Grünsignal warten müssen. Thölking bekräftigt, sich in den Niederlanden sicherer auf dem Zweirad zu fühlen.

Selbst wenn auf einzelnen Straßen in Deutschland Fahrradstreifen explizit ausgewiesen sind, würden Autos dennoch häufig bedrohlich nahe kommen. Dass das Radeln in Deutschland noch kaum an politischer Priorität gewonnen habe, liege ihm zu Folge auch an der hiesigen Mentalität. „In Deutschland scheint es noch immer so zu sein, dass man mit 18 Jahren zusieht, nicht mehr Rad fahren zu müssen. In den Niederlanden wird darüber ganz anders gedacht“, sagt Thölking nachdenlich.

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