Kleve Gläubige wenden sich ab

Kleve · Die katholische Kirche steckt in der Krise. Die Folgen sind auch vor Ort zu spüren: Bis Ende April sind im Nordkreis Kleve 130 Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten. Das sind 62,5 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

Es sind harte Zeiten für die katholische Kirche. Die öffentlich gewordenen Missbrauchsvorwürfe lasten schwer auf ihr. Die Folgen sind offenbar auch im Kleverland zu spüren: Bis Ende April hat das Klever Amtsgericht in den Kommunen Kleve, Kalkar, Kranenburg, Bedburg-Hau, Goch und Uedem 142 Kirchenaustritte registriert. Von den Ausgetretenen sind 130 katholisch und 13 evangelisch.

Im Vergleich zum Vorjahr wird gerade das Ausmaß der Austritte aus der katholischen Kirche deutlich. Bis Ende April 2009 registrierte das Amtsgericht 80 ausgetretene Katholiken und 33 Evangelen, also 113 Austritte insgesamt. Das erlaubt folgende Rückschlüsse. Erstens: In den ersten vier Monaten dieses Jahres waren rund 92 Prozent der Ausgetretenen katholischen Glaubens; im Vorjahreszeitraum betrug diese Quote noch rund 71 Prozent. Zweitens: Zwischen Januar und Mai 2010 sind rund 63 Prozent mehr Menschen ausgetreten als im Vorjahreszeitraum.

Die Mitgliederzahlen

Die Austrittsquoten in der katholischen und evangelischen Kirche sind bezogen auf deren gesamte Mitgliederzahlen immer noch relativ gering. Die evangelische Kirche hat in den genannten Kommunen insgesamt 20511 Mitglieder, die katholische Kirche 82900. Also traten im Nordkreis Kleve im Zeitraum Januar bis April 0,16 Prozent aller Katholiken und 0,06 Prozent aller Evangelen aus.

Dechant Propst Theodor Michelbrink bestätigte im RP-Gespräch, dass die Missbrauchsvorwürfe in der katholischen Kirche und deren Aufarbeitung die Gläubigen in den Gemeinden im Dekanat Kleve beschäftigt. "Wir bekommen immer wieder Briefe von Menschen. Das Thema ist da. Es wird viel darüber gesprochen. Viele Menschen leiden darunter", sagte Michelbrink. Bei einigen sei die "Glaubwürdigkeit der Kirche erschüttert" worden. Gleichzeitig habe er aber auch dies festgestellt: "Vielen Leuten wird es auch zu viel." Es gelte: "Unsere ureigenste Aufgabe ist Verkündigung. Das geschieht nach wie vor."

Auch Dechant Jürgen Lürwer, Pfarrer von Bedburg-Hau, bestätigt, dass das Thema Missbrauch in Gottesdiensten "ab und an vorkommt". Es würden Fürbitten für die Opfer gehalten, aber auch für die Täter. In den Gesprächen vor der Kirche oder bei den Menschen zu Hause kämme das Thema nur am Rande zur Sprache. Lürwer selbst kenne "auch einen, der in einer Gemeinde am Niederrhein tätig war, der unter den Verdacht geraten ist, einen Missbrauch begangen zu haben".

In seiner Gemeinde sei wegen der Missbrauchsvorwürfe aber noch keiner ausgetreten. "Ich würde das verstehen, wenn es aus Frust geschieht oder um Druck aufzubauen. Menschen, die aus der katholische Kirche austreten, zeigen bewusste Nicht-Solidarität. Andererseits: Nur, wer dabei bleibt, kann seine Stimme erheben und mitmischen", sagt Lürwer.

(RP)
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