Gezeichnet, gesungen, getanzt So feierte der große Gatsby im Klever Kurhaus

Kleve · Der Zeichner und Buchkünstler Robert Nippoldt hat eine Schmuckausgabe des amerikanischen Klassikers illustriert. Zusammen mit dem „Trio Größenwahn“ stellte er das Buch im Museum Kurhaus vor.

Eine Zeitreise vor dem Kurhaus: Der große Gatsby erwachte in Kleve zum Leben.

Eine Zeitreise vor dem Kurhaus: Der große Gatsby erwachte in Kleve zum Leben.

Foto: Hintzen

Wer liest, hat sofort Bilder im Kopf. Wenn aber während des Lesens – oder Hörens – eines literarischen Textes ein Zeichner live den Text illustriert, dazu musikalisch passend begleitet wird, das ist eine neue Variante, Literatur zu erleben und zu genießen. So geschah es bei der Premiere der Buchvorstellung „Der große Gatsby“ von F. Scott Fitzgerald in der Neuauflage des Coppenrath Verlags mit Illustrationen des Buchkünstlers und Zeichners Robert Nippoldt. Der Schauspieler Ari Nadkarni las, Lotta Stein sang, Philip Ritter begleitete am Flügel und Robert Nippoldt zeichnete live.

Nadkarni, Stein und Ritter sind das „Trio Größenwahn“, zusammen mit Nippoldt ein eingespieltes Team und derzeit auf Tour durch deutsche Buchhandlungen. Die Zuschauer im vollbesetzten, langgezogenen Schlauch der Pinakothek des Museums verfolgten fasziniert auf einer großen Leinwand den Entstehungsprozess von Illustrationen, mal weiß auf Schwarz, mal schwarz auf weiß. Damen mit Topfhut, kurzem Haarschnitt und langer Zigarettenspitze in der Hand. Das New York der 20er Jahre – der „Nabel der Welt“. Ein Mann im Anzug steht an einem Steg und schaut sehnsüchtig auf das andere Ufer.

Es ist Jay Gatsby, der das grüne Licht am Steg von Daisy Buchanan anschaut. Sie war und ist die Liebe seines Lebens, aber sie heiratete einen anderen, als Jay im ersten Weltkrieg Soldat war. Die tragische Liebesgeschichte der beiden wurde zu einem Klassiker des modernen amerikanischen Romans und gilt als eine der treffendsten Beschreibungen der „Roaring Twenties“ (die „wilden Zwanziger“) in Amerika. Ausschweifende Feste, Konsumorientierung und das Sich-Verlieren darin, rauschende Orgien des Vergessens, Reichtum, der blendet und untergeht. Frauen trugen kurze Röcke und Flapper (Flatter)-Look, rauchten und waren selbstbewusst und frei.

Zwischen den gelesenen Passagen, ergänzten Texte, geschrieben von Nippoldts Mutter Martina Spicher, das historische Hintergrundwissen. So erfuhren die Zuschauer, dass auch der Autor Fitzgerald sich verlor im Lebensstil seiner Zeit und früh, mit 44, starb. Gatsbys Geschichte zeichnete Nippoldt zwischendurch „in einer Linie“, unterhaltsam für alle, die sie noch nicht kannten und auch für jene, denen Gatsby als ein „alter Bekannter“ aus Schülertagen begegnete.

Lotta Stein sang die Songs der 20er und entführte die Anwesenden vollends zurück in die Vergangenheit der „Goldenen Zwanziger“. Jazz, Charleston-Schritte, goldener Glitzer, dazu entstanden aus Nippoldts Hand die Bilder, seine leichten Striche sogar hier und da rhythmisch zur Musik: die Zeitreise gelang. Besonders faszinierend war aber, wie aus Linien, Pinselflächen, Punkten, ja sogar Papierschnipseln ganz allmählich Gesichter und Szenen entstanden.

Der Illustrator erzählte nach der Pause seine eigene Geschichte. Dazu sahen die Zuschauer einen unterhaltsamen Film im Stil der Stummfilmzeit, kommentiert vom Zeichner selbst. 1977 in Kranenburg geboren, „verirrte“ er sich laut eigener Aussage nach dem Abitur am Stein-Gymnasium Kleve zunächst im Jurastudium. Grafik und Illustration studierte er dann in Münster, seine Diplomarbeit war die Illustration eines Buchs über die Gangster-Bosse von Chicago. So habe er seine Liebe zur Buchkunst entdeckt, inzwischen sind mehrere Bücher mit seinen Illustrationen erschienen. Dass er ein Mann vieler Talente ist, bewies er, als er den Song „Georgia on my mind“ gefühlvoll und mit eigener Gitarrenbegleitung vortrug.

Sigrun Hintzen von der gleichnamigen Klever Buchhandlung, die die Veranstaltung zusammen mit dem Freundeskreis der Klever Museen organisiert hatte, freute sich, das Buch, dessen Erscheinungstag der 1. September war, pünktlich an diesem Abend zu präsentieren. So konnten die Zuschauer selbst sehen, dass ein Buch mehr sein kann als gedruckter Text: ein liebevoll gestaltetes Kunstwerk, angefangen von der Schrift über handgezeichnete Initialen, mit Einlegeblättern, einer Fülle von Zeichnungen bis hin zum passenden Schmuck-Einband.

Die szenische Lesung endete mit großem Finale, einem gesungenen und getanzten „Puttin‘ on the Ritz“. Es gab langen Applaus.

„Der große Gatsby“ in der Schmuckausgabe mit Illustrationen von Robert Nippoldt sowie Einlegetexten von Martina Spicher, Coppenrath Verlag. ISBN 978-3-649-64095-0. Preis: 30 Euro.

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