Kreis Kleve Gewalt statt Zärtlichkeit

Kreis Kleve · 18. Fachtagung "Sex & Drugs & Rock'n'Roll" in der LVR-Klinik Bedburg-Hau, die Patienten aus den Kreisen Kleve und Wesel therapiert. Psychiatrie, Justiz und Forschung diskutieren den Umgang mit psychisch kranken Straftätern.

 Sonja Schilo, Klaus Lüder (LVR-Fachbereichsleiter Maßregelvollzug), Harald Rehner, Jürgen Hollick, Prof. Dr. Heinfried Dunker, Prof. Dr. Ilhami Atabay, Prof. Dr. Manfred Cierpka sowie Dr. Jack Kreutz und Michael Bay als Veranstalter.

Sonja Schilo, Klaus Lüder (LVR-Fachbereichsleiter Maßregelvollzug), Harald Rehner, Jürgen Hollick, Prof. Dr. Heinfried Dunker, Prof. Dr. Ilhami Atabay, Prof. Dr. Manfred Cierpka sowie Dr. Jack Kreutz und Michael Bay als Veranstalter.

Foto: eve

18. Fachtagung "Sex & Drugs & Rock'n'Roll" in der LVR-Klinik Bedburg-Hau, die Patienten aus den Kreisen Kleve und Wesel therapiert. Psychiatrie, Justiz und Forschung diskutieren den Umgang mit psychisch kranken Straftätern.

Die dicken antrainierten Muskeln verbergen den schmächtigen, ängstlichen Menschen im Inneren. Gewaltausbrüche erzählen von selbst erfahrener Gewalt. "Wer sich vertrauensvoll an seinen Vater, seine Mutter wendet, um Verlässlichkeit, Zärtlichkeit zu erfahren und dann immer verprügelt wird, der wird später auch prügeln. Der hat Probleme, Bindungen, Vertrauen zu irgendjemandem aufzubauen", sagt Michael Bay.

Der Psychologe an der LVR-Klinik in Bedburg-Hau gehört seit 18 Jahren zum Organisationsteam der Fachtagung "Sex & Drugs & Rock'n' Roll", die sich drei Tage intensiv mit der Entwicklung forensischer Psychiatrie auseinandersetzt. Mit 330 Tagungsteilnehmern, Fachleuten aus Psychiatrie, Justiz und Referenten aus ganz Deutschland gehört sie zu den größten ihrer Art in Deutschland.

Von Beginn an trägt jede dieser Tagungen Titel aus der Rock-Geschichte, um den jeweiligen Schwerpunkt zu überschreiben. Dieses Jahr heißt es nach The Who "Behind blue eyes". Der Song erzähle davon, dass man nicht wisse, ob hinter den blauen Augen ein trauriger Mann oder böser Mann steht, dass keiner wisse, was es heißt, gehasst zu sein.

Dass Gewalt im Kindesalter Gewalttäter erzeugt, ist inzwischen bekannt. Aber, so fragt Referent Prof. Dr. Manfred Cierpka (Heidelberg), man weiß auch, dass es Familien der gleichen Konstellation gibt, in der die einen Kinder später Täter werden, die anderen nicht. "Man weiß, dass die Letzteren eine Bezugsperson gefunden haben, einen Verwandten, Opa oder Oma, vielleicht sogar den Betreuer aus der Tagesstätte", sagt Cierpka. Es gelte, den innerfamiliären Gewaltzirkel zu durchbrechen.

Dr. Ilhami Atabay befasst sich in seinen Untersuchungen mit dem Aufwachsen in Migrantenfamilien. Denn die Zahl der Täter mit Migrationshintergrund ist prozentual gesehen höher, als der von Nichtmigranten. Auch hier das gleiche Prinzip — Gewalt im Elternhaus erzeugt später Gewalt, die Aussichtslosigkeit und die kaum vorhandene Bildung. Es sind sehr ähnliche Wege, wie sie bei rechtsextremen Deutschen zu finden sind. Kinder aus Migrantenfamilien, die mehr assimiliert sind oder für eine bessere Ausbildung gesorgt haben, haben bessere Chancen als Nichtmigranten. Allein aufgrund ihrer Zweisprachigkeit. "Wir haben es hier also nicht mit einem Religions- oder Nationalitäten-Problem zu tun. Es ist eher eine Frage der Schicht", sagt Atabay. Letztlich sei dann entscheidend, was der Jeweilige aus seinen Talenten mache.

Dr. Jack Kreutz, Chef der mit über 500 Patienten größten Forensik in der LVR-Klinik, unterstrich, dass die beste Sicherung immer noch gute Therapie sei.

(RP/rl)
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