Kleve Geschichte von der Ausgrenzung

Kleve · Bewegende Vorstellung "Von Antigone und Elias" im Theater im Fluss

Antigone ist das Mädchen, das den Mut hat, sich einer menschenverachtenden staatlichen Vorschrift zu widersetzen und ihr Leben dafür zu opfern. Robina ist eine Freundin des jüdischen Jungen Elias. Auch sie widersetzt sich, trägt den Judenstern, um zu zeigen, wie menschenunwürdig und sinnlos Ausgrenzung ist. Auch sie opfert ihr Leben. Zwei Geschichten. Die eine schrieb der griechische Dichter Sophokles etwa im Jahre 440 vor Christus, die andere schrieb Yvonne Campbell Körner vom Klever Theater im Fluss, inspiriert durch Aussagen von Zeitzeugen der Judenverfolgung im Dritten Reich.

Dreizehn jugendliche Schauspieler setzten die Collage "Von Antigone und Elias" in einer bewegenden Vorstellung um. Am Anfang ist Elias (Arthur Reschke) ein ganz normaler Teenager innerhalb einer Freundesclique. Man sieht harmloses Ballspiel, das Miteinander der Freunde ist geprägt von ganz gewöhnlichen Konflikten, Sympathien und Antipathien. Dann sind einige plötzlich in der "Führerjugend", gehorchen einem "Fähnleinführer" und lernen, Juden seien anders. Robina (Sofia Valkysers) setzt ihren Verstand ein und erkennt: Das ist sinnlos und menschenunwürdig. "Wenn alle den Judenstern tragen, wird doch völlig klar, wie unsinnig das ist", sagt sie und näht auch an ihre Kleidung den gelben Stern.

Wie Antigone (Lotta Lauks) geht sie den Weg bis zum Ende und wird ebenso wie die Juden in ein Lager gebracht, wo sie der sichere Tod erwartet. Gerade die jungen Darsteller machten in den Streitgesprächen über Sinn und Unsinn der Judenausgrenzung sehr anschaulich, wie die NS-Ideologie sich allmählich ausbreitete in der Bevölkerung, wie einige sie kritisch hinterfragten, dafür ihre Existenz riskierten und andere mitliefen aus Angst um ihr eigenes Leben. Ohne explizit ausgesprochen zu werden, klangen in den Szenen erschreckende Parallelen zur Gegenwart an, in der zum Beispiel Flüchtlinge ebenso ausgegrenzt werden. "Die nehmen uns Arbeitsplätze weg", war so ein Satz, den die Zuschauer im voll besetzten Theater sofort wieder erkennen konnten. Im Wechsel wurden zentrale Szenen aus der "Antigone" gespielt, die die Tragik der Elias-Geschichte unterstrichen. König Kreon (Benno Wallwitz) erlässt das verhängnisvolle Gebot, dem Widersacher des Staates eine würdige Bestattung zu versagen. Seine Schwester Antigone beerdigt ihn dennoch, wird zum Tode verurteilt und begeht Selbstmord. Es folgen der Suizid des Verlobten Haimon (Justin Grummes), der Kreons Sohn ist, und auch Haimons Mutter folgt ihm aus Verzweiflung in den Tod.

Die Klage des Chores über das leidvolle Ende der Geschichte ist gleichzeitig Klage über das Leid von sechseinhalb Millionen Juden, die die NS-Diktatur ermordete. Stark und berührend wirkten diese Sophokles-Momente. Rassismus ist zu allen Zeiten möglich, 440 vor Christus, im Dritten Reich und in der Gegenwart, das wurde deutlich. Das Schlusswort hatte der griechische Dichter: "Der Welt zur Weisung: Das Verderblichste, was uns zuteil ward, ist der Unverstand."

Langer Applaus.

(RP)
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