Kleve Gericht verhandelt brutalen Überfall aus der Silvesternacht

Kleve · Das wenige Minuten lange Video einer Überwachungskameramacht die Zuschauer im Gerichtssaal A110 des Landgerichts Kleve betroffen. Es zeigt, wie vier junge Männer am frühen Neujahrsmorgen 2013 im Bereich Großer Straße/Marktstraße regelrecht Stellung beziehen, auf den nächstbesten Passanten warten, diesen in ein Gespräch verwickeln und dann sofort gemeinsam auf ihn einprügeln. Dannach ziehen sie sich zurück. Ein Pärchen läuft die Große Straße hinab, beachtet den am Boden liegenden Mann aber nicht. Kaum ist das Pärchen verschwunden, kehren zwei der vier Männer zurück, rauben dem Opfer das Portemonnaie und malträtieren es erneut – mit Tritten gegen den Kopf.

Das Opfer, Trockenbauer H. (44), könne von Glück sprechen, dass es bei dem Prozess gegen drei der vier Täter, der gestern vor der vierten Strafkammer begann, als Nebenkläger auftreten kann, sagte der Vorsitzende Richter Ulrich Knickrehm zu Beginn der Verhandlung. Er habe Fälle gesehen, bei denen Menschen durch ähnliche Gewalt gestorben seien.

Wer sind die drei jungen Männer (der vierte konnte nicht ermittelt werden), die zu einer solchen Tat fähig sind. Es handelt sich um B. (24), M. (25) sowie P. (29). Alle drei sind geständig, wobei exzessiver Alkoholkonsum die Erinnerungen an die Tat vernebelt. Alle drei bitten sie gleich am ersten Verhandlungstag das Opfer, das ihnen gegenübersitzt und von Anwalt Ulrich Kerschka vertreten wird, um Entschuldigung.

B. hat nach abgebrochener Hauptschule Koch gelernt, doch das Arbeiten in diesem Beruf war ihm "zu stressig", und so verdingte er sich als Gerüstbauer, der morgens auf dem Weg zur Arbeit den ersten Joint rauchte. Sein Vorstrafenregister enthält insgesamt fünf Einträge, darunter eine versuchte räuberische Erpressung mitten im Klever Moritzpark.

M. blickt auf eine abgebrochene Tischlerlehre zurück, wurde auch schon straffällig, arbeitete später kurz als Trockenbauer, bevor er den Job wegen ausbleibender Lohnzahlungen quittierte, so dass er zuletzt arbeitslos war. Drogen? "Ich habe alles genommen, das fing mit 15 mit Marihuana an, Ecstasy, Amphetamine, Kokain, Heroin."

P. schaffte an der Hauptschule den Realschulabschluss und eine Ausbildung zum Binnenschiffer, ließ sich dann zum Berufskraftfahrer umschulen und ist heute in diesem Beruf tätig. Im Frühjahr 2012 wurde er vom Amtsgericht Kleve wegen fahrlässigen Vollrausches zu 50 Tagessätzen verurteilt. Es ging um eine Schlägerei im Schweizerhaus.

Silvester trafen sich die drei erst privat und ließen sich "volllaufen", dann gingen sie ins "Le Journal", wo noch mehr Bier, Wodka und Whisky konsumiert wurde. Der Versuch, ins "Route 66" zu wechseln, scheiterte – geschlossene Gesellschaft. Also liefen sie zurück zur Großen Straße.

"Warum musste Herr S. getreten werden", fragte Richter Knickrehm. "Ich war wütend", meint B.. "Warum?" – "Ich weiß es nicht." Die beiden anderen Angeklagten sagten aus, vom Opfer beleidigt worden zu sein – was dieses strikt abstritt. Er erinnerte sich an Neujahrswünsche. Der Prozess wird heute (Freitag) fortgesetzt.

(RP/anch)
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