Kleve Forscher untersuchen Massenpanik

Kleve · Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich stellen in der Düsseldorfer Messehalle dichtes Gedränge mit 2300 Probanden nach. Sie wollen damit herausfinden, wie es zur tödlichen Panik bei der Loveparade in Duisburg kam.

 In einer Halle auf dem Düsseldorfer Messegelände simulieren Wissenschaftler noch bis morgen eine Massenpanik.

In einer Halle auf dem Düsseldorfer Messegelände simulieren Wissenschaftler noch bis morgen eine Massenpanik.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Der Sohn von Bernhard Steffen war bei den Loveparades in Berlin, Essen und Dortmund. Nur zu der in Duisburg vor drei Jahren ist er nicht gegangen, obwohl er damals an der Uni Duisburg Mathematik studierte. "Er hat sich das Gelände mit dem Tunnel vorher angeschaut und sofort errechnet, dass der zu eng und klein ist für die vielen Besucher", sagt Steffen, Analyst am Forschungszentrum Jülich. "Um das zu erkennen musste man aber kein Mathematiker sein. Jedem hätte auffallen müssen, dass der Eingangsbereich viel zu eng für die Massen ist."

Fast drei Jahre nach der Katastrophe auf der Loveparade, bei der am 24. Juli 2010 in Duisburg 21 Menschen getötet und mehr als 500 verletzt wurden, simulieren Wissenschaftler des Forschungszentrum Jülich und der Universität Siegen mit Mitteln des Bundes in einem Großexperiment die Ursache für so eine Massenpanik. An dem dreitägigen Projekt, das in einer Halle auf dem Düsseldorfer Messegelände seit gestern stattfindet, nehmen 2300 Probanden teil – die meisten von ihnen sind Studenten. In dieser Dimension habe es einen solchen Versuch noch nie gegeben. "Wir wollen herausfinden, wie aus einem einfachen Menschenstau ein gefährliches Gedränge wie auf der Loveparade in Duisburg wird", sagt Gerhard Rusch von der Universität Siegen. Die größte Gefahr bei Großveranstaltungen gehe nicht von einem Feuer oder einer Explosion aus, sondern von Gedränge, erklärt der Forscher. "Deswegen ist es so wichtig, endlich den Ursprung für solches Verhalten zu finden, damit man das Risiko für Paniken in Zukunft minimieren kann."

Bei dem Versuch gehen die Testpersonen einzeln, in kleinen Gruppen oder in der Masse von bis zu 600 Menschen durch einen Parcours, der den Eingangsbereich eines Festivals simulieren soll. Die Teilnehmer stellen verschiedene Gefahrensituationen an Ein- und Ausgängen nach. An Wänden hängen Schilder und Warntafeln, an denen sich die Probanden zu orientieren haben. "Wir beobachten, ob sie diese Hinweise wahrnehmen und befolgen", sagt Rusch. Die Teilnehmer werden dabei von mehreren Kameras gefilmt. Jeder Proband muss eine weiße Kappe auf dem Kopf tragen, auf der ein Strichcode markiert ist. So kann von jedem Einzelnen der exakte Laufweg aufgezeichnet werden. Die Bewegungsdaten werden sofort an einen Supercomputer übermittelt, der unter anderem Verhaltensmuster erstellt.

Das Ergebnis des Experiments wird wohl nicht mehr in die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zur Ursache der Loveparade-Katastrophe in Duisburg mitaufgenommen. "Die Auswertung dauert bestimmt vier bis fünf Jahre", sagt Analyst Bernhard Steffen.

(RP)
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