Bedburg-Hau Flucht aus Klinik — Sanierung längst überfällig

Bedburg-Hau · Ein 38-Jähriger hat mit Hilfe von außen den Sicherheitszaun der Forensik in Bedburg-Hau überwunden. Die Polizei sucht nacht dem flüchtigen Totschläger. Der Kreis Klever Landtagsabgeordnete Günther Bergmann (CDU) fordert, die für 2013 geplante Sanierung der Klinik endlich durchzuführen.

Kleve: Polizei sucht flüchtigen Straftäter
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Es war ein simpler, aber effektiver Fluchtplan. Dem verurteilten Totschläger Krystian B. ist es gelungen, den fünf Meter hohen Zaun der forensischen Klinik des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) in Bedburg-Hau zu überwinden - indem er hindurchgekrochen ist. Wie am Dienstag bekannt wurde, waren am Montag gegen 18.45 Uhr Fluchthelfer mit einem Auto auf das frei begehbare LVR-Gelände gekommen und an den Sicherheitszaun der Forensik herangefahren. Mit einem Bolzenschneider zerschnitten sie den Zaun so weit, dass der Pole in die Freiheit klettern konnte. Die Polizei löste eine landesweite Fahndung nach dem 38-Jährigen aus. "Wenn er Alkohol getrunken hat, gehen wir davon aus, dass er gefährlich sein kann", warnt eine LVR-Sprecherin.

Die gelungene Flucht muss zunächst genau analysiert werden. "Eigentlich haben alle Sicherheitsmaßnahmen funktioniert", sagt die LVR-Sprecherin. Die Alarmanlage habe sofort angeschlagen, die sogenannte Alarmgruppe, ein Einsatzteam aus Sicherheitskräften und Pflegern, sei sofort herbeigeeilt. "Es ist aber alles so schnell gegangen, dass die Sicherheitsleute nur noch sehen konnten, wie B. in dem Auto flüchtete", sagt die Sprecherin. Den Bolzenschneider ließen die Helfer zurück. Die Polizei setzte eine Hundestaffel ein, die Fahndung blieb aber vergebens. "So eine Flucht hatten wir in den zehn Jahren, in denen der Zaun steht, noch nie", sagt die LVR-Sprecherin. Die Gebäude in dem Teil der Klinik sind mehr als 100 Jahre alt.

Bisherige Ausbrüche aus der LVR-Klinik in Bedburg-Hau
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Foto: Stade

Warum der Fluchtplan aufgehen konnte, wirft auch auf Landesebene Fragen auf. "Wir werden den Fall intensiv prüfen. Es muss geklärt werden, wie das passieren konnte", sagt Uwe Dönisch-Seidel, Landesbeauftragter für den Maßregelvollzug in NRW. Dabei könnte auch der Druck auf die Landesregierung erhöht werden. Der Kreis Klever Landtagsabgeordnete Günther Bergmann (CDU) hatte unlängst in einer kleinen Anfrage gefordert, die im Jahr 2013 angekündigte Sanierung und Erweiterung der Klinik endlich durchzuführen. "Der Fall hat noch einmal gezeigt, wie dringend die Maßnahmen sind. Wir fordern, dass jetzt etwas geschieht. Im Sinne der Patienten, aber auch der Pfleger, die bei Ausbrüchen in Gefahr gebracht werden", sagt Bergmann.

Insgesamt sind 395 Patienten stationär in der LVR-Klinik in Bedburg-Hau untergebracht. Allein im Zeitraum von Juli 2013 bis Juli 2014 sind dem Landesbeauftragten Dönisch-Seidel 27 nicht oder nicht rechtzeitig vom Ausgang zurückgekehrte Patienten gemeldet worden. Zweimal hat es in der Zeit Fluchtversuche aus der Einrichtung selbst gegeben: Ein Patient konnte während des Rücktransports nach einem Drogenrückfall flüchten, ein weiterer scheiterte bei dem Versuch, den Sicherheitszaun zu überwinden. Der Zaun war vor zehn Jahren errichtet worden, um Fluchtversuche zu erschweren.

Dass sich jemand aus dem Sucht- und Obdachlosenmilieu mithilfe von Fluchthelfern befreit, hält auch Uwe Dönisch-Seidel für ungewöhnlich. Krystian B. spricht kein Deutsch und war zuletzt in der Kölner Obdachlosen-Szene unterwegs. Ob er sich noch im Kreis Kleve aufhält, in Richtung Köln oder nach Polen geflohen ist, darüber kann die Polizei eigenen Angaben zufolge nur spekulieren.

B. wurde im Oktober 2013 wegen vorsätzlichen Totschlags im Vollrausch vom Landgericht Köln zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt verurteilt. "Der 38-Jährige hat einen Bekannten in einem Gewerbegebiet mit Hilfe von mehreren Gegenständen getötet", sagt der Kölner Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer. Täter und Opfer hatten gemeinsam in einem Kölner Pumpwerk Alkohol getrunken und waren dann in einen Streit geraten, der gewaltsam endete. Seit Ende Januar war der Pole in Bedburg-Hau untergebracht. Die Klinik ist auch bekannt, weil Adelheid Streidel, die Oskar Lafontaine 1990 mit einem Messer schwer verletzt hatte, dort mehr als 20 Jahre lang betreut wurde, ehe sie im Juni vergangenen Jahres unter Auflagen freikam.

Dass Insassen aus forensischen Kliniken fliehen, passiert immer wieder. Zuletzt war im vergangenen Januar ein wegen versuchter schwerer Brandstiftung verurteilter 42-Jähriger aus der LVR-Klinik in Viersen-Süchteln entkommen. Ein halbes Jahr zuvor floh ein Sexualstraftäter aus Süchteln bei einer Fahrradtour. Der 53-Jährige war zwar in Begleitung einer Pflegekraft gewesen, lief dieser aber in Mönchengladbach davon.

(lukra)
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