Die Frauen-Kolumne Vom Scheitern und der Kunst wieder aufzustehen

Kreis Kleve · Warum kleine Kinder und der Erfinder der Glühbirne wichtige Vorbilder sind, wenn es um das Thema Scheitern geht. Am Ende zahlt es sich aus, einen Neuanfang zu machen. Warum, das erklärt Diplom-Sozialpädagogin Cornelia Wagner.

 Cornelia Wagner ist Diplom-Sozialpädagogin und arbeitet als systemische Familientherapeutin und Traumafachberaterin bei der Frauenberatungsstelle Impuls im Kreis Kleve.

Cornelia Wagner ist Diplom-Sozialpädagogin und arbeitet als systemische Familientherapeutin und Traumafachberaterin bei der Frauenberatungsstelle Impuls im Kreis Kleve.

Foto: Wagner

Wer kennt das nicht? Ein unachtsamer Moment und — zack! — stolpert man über einen Stein und fällt hin. Solche kleinen Pannen passieren uns immer wieder und gehören zum Leben. Von ihnen erholen wir uns schnell und starten neu.

Manchmal jedoch ist der Aufprall so heftig, dass er uns komplett aus der Bahn wirft und wir jegliche Orientierung verlieren. Es entsteht eine Verletzung in uns, die uns das Aufstehen schwer macht und das Liegenbleiben oft als einzige Lösung erscheinen lässt. Je unerwarteter und heftiger ein Ereignis uns erschüttert, desto länger brauchen wir, um uns zu erholen und das Erlebte zu verarbeiten. Manchmal entwickelt sich daraus eine schwere Lebenskrise oder gar ein Trauma. Dann braucht es viel Zeit und manchmal auch fachliche Hilfe, um wieder Stabilisierung und Sicherheit im Leben zurückzugewinnen. In unserer Beratungsstelle erleben wir oft, dass Frauen vor einem Scherbenhaufen stehen, wenn sie realisieren, dass ihr eigenes Zuhause nicht mehr sicher ist, sondern sich als tägliche Bedrohung und Gefahr für ihr Leben und das ihrer Kinder herausstellt.

Aber auch der Verlust des Arbeitsplatzes, eine nicht bestandene Prüfung oder ein Fehler mit schwerwiegenden Folgen können uns an die Grenze unserer Belastbarkeit bringen. Oftmals kommt dann noch ein Gefühl des Versagens dazu. Wir schämen uns, etwas nicht geschafft zu haben und neigen dazu, diese Fehler vor anderen Menschen zu verbergen oder unter den Teppich zu kehren. Das jedoch hinterlässt ein Gefühl von Einsamkeit. Stattdessen können wir die Erfahrung machen, dass andere Menschen Verständnis zeigen für unsere Fehler und wir gemeinsam an einer Veränderung arbeiten können. Manchmal ist es möglich, dann gemeinsam über die eigenen Fehler zu weinen, aber auch zu lachen und gemeinsam zu feiern, wenn eine Krise überstanden ist.

Aus diesem Blickwinkel betrachtet, kann Scheitern eine ganz andere Bedeutung bekommen, nämlich weg von der Negativbetrachtung und der Angst vor dem Versagen oder einem Unglück, das wir nicht verhindern können, hin zu dem Vertrauen, dass Scheitern uns zeigt, was wirklich wichtig ist im Leben und uns die Erfahrung machen lässt, dass wir es schaffen, Krisen zu bewältigen, einen Neuanfang zu starten und dadurch eigene ungeahnte Stärken in uns zu entdecken.

Dazu fällt mir gerade ein kleines Kind ein, das im Begriff ist, laufen zu lernen. Dieser Prozess ist geprägt von aufstehen, erste wackelige Schritte wagen, Gleichgewicht verlieren und wieder hinfallen. Immer und immer wieder. Trotzdem gab es noch kein Kind, das gedacht hat: „Ach, das mit dem Laufen lernen, das lasse ich jetzt besser, das lerne ich einfach nie, ist wohl nix für mich!“ Nein, kein Kind hat jemals aufgegeben und noch jeder gesunde Mensch hat Laufen gelernt. Damit sind schon kleine Kinder für uns alle ein Vorbild und zeigen uns, wie das Leben läuft.

Oder der Erfinder der Glühbirne, Thomas Edison. Er benötigte über 9000 Anläufe, bis er einen Kohlefaden dauerhaft zum Leuchten brachte. Hätte er nach 100 Versuchen aufgeben, säßen wir vielleicht heute alle noch im Dunkeln. „Ich bin nicht gescheitert“, sagte er. „Ich habe 10.000 Wege gefunden, die nicht funktioniert haben.“

Cornelia Wagner ist Diplom-Sozialpädagogin und arbeitet als systemische Familientherapeutin und Traumafachberaterin bei der Frauenberatungsstelle Impuls im Kreis Kleve.
Foto: Wagner

(Cornelia Wagner)
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