Die Studierenden-Kolumne Endlich wieder Festival

Kevelaer · Drei Jahre mussten wir weitestgehend auf Konzerte verzichten. Jetzt dürfen endlich auch wieder Party-Welten abseits des Alltags aufgebaut werden.

 Nach zwei Jahren Pause fand das Hurricane-Festival wieder statt.

Nach zwei Jahren Pause fand das Hurricane-Festival wieder statt.

Foto: dpa/Hauke-Christian Dittrich

Von allen Seiten rennen Menschen in den Kreis, springen gegeneinander und grölen: „Es ist Nura030, ich habe niemals Stress mit Bullen. Okay, das war gelogen.“ Über ihnen verdichtet sich der Staub vom trockenen Ackerboden zu einem Tornado, der den hellblauen Himmel braun färbt.

Drei Jahre haben wir auf Momente wie diesen gewartet. Drei Jahre ohne ein einziges Festival – jetzt dürfen endlich wieder Party-Welten abseits des Alltags aufgebaut werden. Im Fall des „Hurricane“-Festivals eine Parallelwelt mit 80.000 Besucher*innen, 1900 aufgebauten Toiletten, 42 Essensständen und 70 Auftritten. Hier werden vier Tage lang Erinnerungen nachgeholt: Handylichter vor einem erleuchteten Riesenrad bei SDP, Deichkind mit kaltem Bier, Umarmungen von Fremden bei Von Wegen Lisbeth und in brühender Hitze draußen Nudeln kochen.

 Jana Rogmann hat den Festival-Sommer vermisst.

Jana Rogmann hat den Festival-Sommer vermisst.

Foto: Jana Rogmann

Nach zwei Tagen habe ich verwundert festgestellt, dass auf den Campingstühlen um unseren Gaskocher niemand von den Menschen sitzt, mit denen ich 2019 die Karten gekauft habe. Einige wegen des neuen Termins, einige wegen positiver Schnelltests. Auch ich konnte es kaum glauben, als ich meine verblichene Karte von der Pinnwand in meinen Backpacker gesteckt habe. Wirklich realisiert, dass wir zum Hurricane fahren, habe ich erst, als wir das Ortsschild von Scheeßel passiert haben.

Vermutlich sagt euch Scheeßel nichts und vermutlich würde niemand den kleinen Ort in der Nähe von Bremen kennen, ohne eins der größten Musikfestivals Deutschlands. Hinter dem gelben Ortsschild folgten kilometerlange Felder bis zum Festivalgelände, und ich musste ein bisschen schmunzeln: „Wahrscheinlich sagen die aus Scheeßel, dass sie beim Hurricane aufgewachsen sind. So wie ich jetzt immer sage, dass ich vom Parookaville komme.“ Wie es wohl den Menschen direkt neben dem Gelände geht? Beim komplizierten Lenksystem zu den Parkplätzen kamen jedenfalls direkt die Erinnerungen an den Stau am Rand von Weeze und den Bass beim Einschlafen hoch.

Mein Opa ist in den letzten Jahren öfter mit dem Fahrrad zum Parookaville gefahren: „Mal gucken, was da los ist.“ Jetzt betrachtet Nura von der Bühne aus die Schaulustigen auf der anderen Seite des Bauzauns: „Ey ihr da. Geht’s euch auch gut?“ Die Menge grölt. „Kommt doch mal rübergeklettert.“ Geschrei von der anderen Seite. Nura reißt die Arme hoch: „Wie Polizei? Was sollen die machen? Wir sind doch viel mehr als die.“ In der schwitzenden Menschenmenge vor der zweitkleinsten der vier Bühnen erinnert lediglich das ein oder andere Husten an die Existenz einer globalen Pandemie.

„Ich hab euch vermisst. Ich hab alles hier vermisst. Sogar die scheiß Dixi-Klos“, schreit Nura und fasst zusammen, wie sich viele fühlen.

Jana Rogmann, 21 Jahre alt, kommt aus Kevelaer und studiert im sechsten Semester Komparatistik und englische Literatur in Bonn. An dieser Stelle berichtet sie alle paar Wochen von ihrem Leben als Studentin. Foto: Rogmann

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