Die Studierenden-Kolumne Ballett an der Wand

Bouldern ist bei Studierenden und Azubis extrem angesagt. Vielleicht, weil der Klettersport Kraft und Beweglichkeit verspricht und man sich auf eine Sache fokussieren muss. Erste Erfahrungen hat unsere Kolumnistin in Irland gesammelt.

 Jana Rogmann studiert zurzeit am University College Cork in Irland.

Jana Rogmann studiert zurzeit am University College Cork in Irland.

Foto: Jana Rogmann

Weißt du, was unsere Neujahrsvorsätze sind, Jana?“, fragt mich mein Papa am Telefon, als ich durch Köln-Ehrenfeld sprinte. Lächelnd antworte ich: „Pünktlich kommen?“ Papa erwidert: „Genau. Und deine so?“ Dabei komme ich nur fünf Minuten zu spät an der Kletterhalle an. „Klettern gehen“ ist das Wichtelgeschenk für meinen Bruder und meine Mama gewesen – der erste richtige Familientag seit Jahren.

Gemeinsam betreten wir die riesige Fabrikhalle – die Wände an den Seiten sind bis zur Decke mit bunten Griffen bestückt, an denen sich Menschen elegant nach oben ziehen. Trainer Christoph gibt uns einen Klettergurt und viel zu enge Kletterschuhe. Er erklärt: „Jeder kann mit dem Klettern anfangen. Es gibt kein zu alt, zu groß oder zu schwer.“ Nach einer kurzen Einweisung geht es los. Meine Schwester stellt sich der orangenen Route. Nach der Hälfte fällt sie runter, gesichert von dem Seil. Beim nächsten Mal klappt es schon besser. Danach werden alle nach und nach gesichert und klettern die Wand hoch.

Nicht nur viele meiner Freundinnen und Freunde, sondern auch mein Bruder und ich haben letztes Jahr mit dem Klettern begonnen. Während ich in Irland gelernt habe, meine Kletterpartnerin an der Wand zu sichern, fährt mein Bruder zum Bouldern bis nach Kleve. Besonders das Bouldern hat es den Studierenden und Azubis angetan – dabei werden Wände bis zu 4,5 Metern Höhe ohne Sicherung erklommen, mit Matten als Abfederung. Nicht nur das Adrenalin, ausgelöst durch die Höhe, macht Klettern so populär. Auch die Herausforderung, eine bestimmte Route zu schaffen, die zunehmende Kraft und Beweglichkeit, der extreme Fokus auf den nächsten Griff, zieht Menschen jeden Alters in die Hallen. Zahlen des Deutschen Alpenvereins bestätigen: Klettern ist in den letzten Jahren eine richtige Trendsportart geworden. Der DAV schätzt, dass es deutschlandweit 600.000 aktive Kletternde gibt. Die Anzahl an Kletterinnen und Kletterern habe sich seit 1990 fast verzehnfacht. Auch die hohe Dichte an Kletter- und Boulderhallen in den Großstädten zeigt, wie beliebt der Sport ist.

Zwischen den Wänden mit Überhang und dem Klettern mit Spalte gibt es kleine Technikübungen für die ganze Familie an der schrägen Wand. „Wie wichtig die Technik ist, wird oft unterschätzt“, erklärt unser Trainer. Meine Mutter betrachtete die Verrenkungen in der Höhe: „Das sieht ja aus wie Ballett an der Wand.“ Mein Bruder schmunzelt: „Das hört sich an wie ein Titel für Janas nächste Kolumne.“

Jana Rogmann, 22 Jahre alt, kommt aus Kevelaer und studiert im siebten Semester Komparatistik und englische Literatur in Bonn. Zurzeit hat sie ein Erasmus-Auslandssemester am University College Cork in Irland eingelegt. An dieser Stelle berichtet sie alle paar Wochen von ihrem Leben als Studentin.
Foto: Rogmann

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