Energeiversorger aus Moers Enni – eine Marke wird groß

Moers · Geschäftsführer Stefan Krämer über Wachstum, Mehrwert, und den Mut, neue Wege zu gehen.

 Der Solarpark Mühlenfeld in Neukirchen-Vluyn: 14.608 Module umfasst das grüne Kraftwerk, das 2015 an den Start gegangen ist.

Der Solarpark Mühlenfeld in Neukirchen-Vluyn: 14.608 Module umfasst das grüne Kraftwerk, das 2015 an den Start gegangen ist.

Foto: Christoph Reichwein (crei)/Reichwein, Christoph (crei)

Es ist ein Geburtstag, der im Schatten der Corona-Krise steht. So erinnerten Volker Marschmann als Aufsichtsratsvorsitzender der Enni Energie & Umwelt Niederrhein und Geschäftsführer Stefan Krämer ohne große Feier an die Geburtsstunde einer Marke, die den Niederrhein geprägt hat. Grund, stolz zu sein und zurückzublicken – auf eine besondere Unternehmensgeschichte – gibt es trotzdem.

Herr Krämer, die Marke Enni ist längst volljährig. Heute feiert sie ihren 20. Geburtstag – als Kind einer außergewöhnlichen Zweckehe. Klären Sie uns auf: Wie riskant beziehungsweise mutig war die Verschmelzung der Stadtwerke Moers und Neukirchen-Vluyn damals, kurz nach der Jahrtausendwende, wirklich?

Stefan Krämer Ende der 1990er Jahre stand die Energiewirtschaft nach der Liberalisierung vor einem Paradigmenwechsel. Das Monopol als einziger Stromanbieter in einem umgrenzten Gebiet fiel. Die Lage war unsicher, bestimmt von neuen, bunten Strommarken. Viele Experten prognostizierten das große Stadtwerkesterben. So war es aus meiner Sicht weitsichtig, größer, auch an eine regionale Ausdehnung zu denken, sich im Verbund eines gemeinsamen Stadtwerks gegen den drohenden Schrumpfkurs zu stemmen. Die damalige Kommunalpolitik war einig wie selten und hat über Partei- und Stadtgrenzen hinweg richtig fernab jeglichen Kirchturmdenkens entschieden. Bis heute ist die Fusion zweier Stadtwerke bundesweit nur ganz selten gelungen.

Und: Warum war das, im Nachhinein betrachtet, der richtige Schritt?

Krämer Schauen Sie auf die Entwicklung. Hier profitiert eine ganze Region, mit der wir anders als reine Händler über tausende Kilometer Leitungsnetze untrennbar verbunden sind. Für Kunden sind wir eine Marke zum Anfassen, mit attraktiven Produkten, Service auch in Kundenzentren und Events, die die Lebensqualität steigern. Dem Niederrhein hat Enni Kaufkraft gebracht – über Investitionen von rund 280 Millionen Euro und Aufträge von mehr als 200 Millionen Euro. Das sichert hunderte Arbeitsplätze bei Enni und vielen Unternehmen der Kreise Kleve und Wesel. Und nicht zuletzt hat Enni allein den kommunalen Gesellschaftern in zwei Jahrzehnten weit über 200 Millionen Euro Gewinn in leere Kassen gespült, ihr Unternehmen ist heute mit rund 260 Millionen Euro viermal so viel wert wie zur Gründung ist. Das sind doch beste Argumente.

Schauen wir zurück: Am 1. April 2000 war Enni ausschließlich Energiehändler und Netzbetreiber. Das ist heute bekanntlich anders. Bei der Enni Energie & Umwelt stammt mittlerweile deutlich mehr als ein Drittel des Gesamtergebnisses aus Geschäftsfeldern, die man bei Unternehmensgründung noch gar nicht auf dem Schirm hatte. Wann und wie haben Sie den Entschluss gefasst, weiter zu gehen?

Krämer Bei der damals ungewissen Zukunft sah die Politik auch die Chancen der Liberalisierung und hatte dabei zunächst den Niederrhein als Zielmarkt ausgemacht. Die jetzige Entwicklung hatte so aber sicher niemand erwartet. Im Zuge einer 2003 entwickelten, auf Wachstum zielenden Strategie schlüpfte das Unternehmen in den Jahren in neue Rollen, etwa als bundesweiter Strom- und Gasanbieter oder die des Energieproduzenten. Mit der Ausgliederung zahlreicher kommunaler Services, wie der Abfallabfuhr, der Straßenreinigung oder vieler Sport- und Bädereinrichtungen in zwei Unternehmen aus der Stadt Moers wurde Enni zum umfassenden Dienstleister. Das war die Geburtsstunde der heutigen Enni-Gruppe.

Gab es auch Rückschläge?

Krämer Mit der Entscheidung auf Wachstumsthemen zu setzen, sind wir auch Risiken eingegangen – ohne dabei jemals die Existenz des Unternehmens zu gefährden. Da passte natürlich nicht alles. Nach den energiepolitischen Richtungswechseln würden wir uns heute vielleicht nicht mehr an damals politisch gewollten fossilen Kraftwerken beteiligen. Und in der Telekommunikation haben wir uns lange mit dem Einstieg in das Privatkundengeschäft beschäftigt. Wegen der enormen Wettbewerbsrisiken war es aber richtig, sich hier zunächst auf die Nische der Großkunden mit hohem Datenvolumen zu konzentrieren. Hier sind wir erfolgreich.

Würden Sie sagen, dass Enni ein Treiber der Energiewende ist?

Krämer Am Niederrhein auf jeden Fall. Der Einstieg in die Stromproduktion mit dem Fokus auf regenerative Projekte gehört untrennbar zur Erfolgsgeschichte der Enni. Hier haben wir sehr früh und vor dem politisch beschlossenen Atomausstieg ökologisch gedacht. Unser Erzeugungsportfolio beinhaltet so heute die gesamte Palette der Stromproduktion aus Sonne, Wind oder Biomasse. Das wird bundesweit wahrgenommen, mit Auszeichnungen wie etwa dem deutschen Solarpreis für den Solarpark Mühlenfeld, der zudem wie neuerdings auch der Solarpark in Moers-Vinn Referenzprojekt der KlimaExpo NRW ist.

Wieso profitiert Moers davon, wenn sich die Enni vor der Nordseeküste nahe Borkum oder sogar vor Schottland an Windparks beteiligt?

Krämer Das sind Wachstumsprojekte, mit denen wir attraktive Renditen erzielen, die wie in diesem Jahr auch helfen können, die städtischen Haushalte zu stützen. Zudem erhöhen wir hierdurch unsere grüne Erzeugungsquote und ermöglichen uns die Beteiligung an ökologischen Großprojekten, die für uns alleine nicht umsetzbar wären. Unsere Kunden erwarten, dass wir die Energiewende unterstützen. So suchen wir immer nach neuen Projekten. Gerade in der Windenergie ist dies in unserer Region schwer. Bundesweit wollen wir daher noch mehr tun, beteiligen uns in Kürze an einer neuen Gesellschaft des Trianel-Stadtwerkeverbundes, der bundesweit regenerative Projekte umsetzt und hier bereits Optionen auf Flächen für Windprojekte hat.

„Enni ist jetzt Regionalversorger“ titelte die Rheinische Post in November 2018. Ist mit der Netzübernahme in Uedem und Rheinberg und durch die Beteiligung von Gelsenwasser an Enni nun das erklärte Ziel, den Markt am linken Niederrhein in den Kreisen Wesel und Kleve zu bedienen, erreicht?

Krämer Der große Wachstumssprung war ein wichtiges Etappenziel. Jetzt wollen wir in der Region möglichst mehr. Mit Gelsenwasser haben wir eines der größten deutschen Infrastrukturunternehmen als neuen Partner, mit dem wir die Kooperation sehr gerne ausbauen würden. Hier sehe ich weitere Schritte, auch bei regenerativen Erzeugungsprojekten, in Reichweite. Nicht zuletzt wollen wir uns mit allen Themen der Enni-Gruppe in den Kommunen zwischen Moers und Uedem empfehlen. Das ist das große Ziel.

 ENNI Unternehmensgruppe - Ladeäule | e-Autos. - am Montag, den 7. Oktober 2019

ENNI Unternehmensgruppe - Ladeäule | e-Autos. - am Montag, den 7. Oktober 2019

Foto: Bettina Engel-Albustin / fotoage
 Der fast 40 Meter hohe Vinner Wasserturm stammt aus dem Jahr 1901. Die Enni nutzt ihn noch heute für die Trinkwasserversorgung.

Der fast 40 Meter hohe Vinner Wasserturm stammt aus dem Jahr 1901. Die Enni nutzt ihn noch heute für die Trinkwasserversorgung.

Foto: Christoph Reichwein (crei)
 Neukirchen-Vluyn Freizeitbad 2018

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Foto: Enni (honorarfrei)/Stuckart
 2017 ging der Windpark Kohlenhuck in Betrieb.

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Foto: enni
 Seit 2019 ist Stefan Krämer Vorstandschef der Enni AöR.

Seit 2019 ist Stefan Krämer Vorstandschef der Enni AöR.

Foto: Enni/Jörg Parsick-Mathieu/Enni
 Enni Logo 20 Jahre einfach leichter leben

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Foto: Enni

Wo steht das Unternehmen Enni in zehn Jahren?

Krämer Wir wollen die Erfolgsgeschichte um möglichst viele weitere Episoden ergänzt haben und auch dann noch für die zu großen Teilen kommunalen Gesellschafter Gewinne erwirtschaften. Der Wert des Unternehmens soll weiter gestiegen sein. Dazu wollen wir mit einem breiten Energie-, Infrastruktur-, Dienstleistungs- und Freizeitangebot am Niederrhein aktiv sein. Wir sind alle motiviert, die Marke weiterzuentwickeln. In der neuen Unternehmenszentrale werden wir dazu 2021 alle Bereiche an einem Standort zusammenziehen, an dem heute noch kulturell unterschiedliche Einheiten mit rund 600 Mitarbeitern zusammenwachsen sollen. Dann wird auch die Marke noch einmal ein Facelift erhalten haben, mit der wir bis dahin als umfassende Infrastrukturgruppe mit einheitlichem Auftritt und allen Angeboten am Niederrhein möglichst etabliert sind.

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