Wohlfahrt Decken und Kleidung für den Winter
Kleve · Ihre Idee rief eine Welle der Solidarität hervor, zahlreiche Menschen aus dem Kleverland haben gerne warme Kleidung und Schlafsäcke gespendet. Manuela Bühner-Lankhorst ist dankbar.
(RP) Manuela Bühner-Lankhorst (38) vom Caritasverband Kleve hatte zu einer Spendenaktion für Obdachlose aufgerufen. Jede Menge positive Reaktionen erzielte sie damit. Zahlreiche Sachspenden und Lebensmittelgutscheine hat die Sozialarbeiterin aus Kalkar mittlerweile verteilt, mehr als 60 Bedürftige wurden versorgt.
Mit einem McDonald’s-Gutschein, zwei Euro wert, ist das Eis gebrochen. Einen Augenblick später wird sie fragen, ob es den Männern gut geht? Ob sie noch etwas benötigen? Schlafsäcke? Decken? Schuhe? Socken? Unterwäsche? Spritzen? „Ja“ werden sie sagen, und ihr zum Auto folgen. Ein großer Familienwagen. Die Rückbank umgeklappt. Der Kofferraum bis zum Dachhimmel vollgepackt.
Manuela Bühner-Lankhorst ist Sozialarbeiterin beim Caritasverband Kleve. Anfang Dezember rief sie in den sozialen Medien dazu auf, Winterkleidung und -stiefel sowie Schlafsäcke und Isomatten für Bedürftige zu spenden. Es folgte eine Welle der Solidarität. Viele Bürger wollten den Menschen etwas Gutes tun, unzählige Sachspenden, aber auch Bargeld und haltbare Lebensmittel wurden abgegeben. „Ich bin überwältigt, fast schon erschlagen. Das ist der absolute Wahnsinn“, sagte die 38-Jährige, auf ihre Aktion angesprochen, kurz vor Heiligabend. Nach den Weihnachtfeiertagen hat sie die Sachen dann verteilt. Sie fanden reißenden Absatz.
An diesem Nachmittag ist Manuela Bühner-Lankhorst zum dritten Mal unterwegs. Sie war schon in Emmerich und hat dort vier Personen erreicht. Auch in Kalkar hat sie vier Obdachlose angetroffen. In Bedburg-Hau waren es zwölf, in Kleve sogar 44.
Neun der Wohnungslosenvsind zum Kontaktcafé der Caritas an der Hoffmannallee gekommen. Das niedrigschwellige Angebot des Caritasverbandes, das aufgrund der Corona-Pandemie seit Ende Oktober geschlossen ist, wird von den Bedürftigen schmerzlich vermisst. Das geben sie deutlich zu verstehen. Obdachlos sein ist nicht leicht, eigentlich nie, in einer Krise (und im Winter) schon gar nicht. Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) sagt: „Bei den verschärften Corona-Maßnahmen dürfen Wohnungslose nicht vergessen werden.“
Manuela Bühner-Lankhorst fährt an diesem Tag zuerst zum Klever Bahnhof. Dort steht ein grüner Container. Links und rechts türmt sich Müll, gegenüber liegen die Gleise. Davor stehen drei Fahrräder und ein Spritzenautomat, der von den Mitarbeitenden des Caritasverbandes befüllt wird. Als Manuela Bühner-Lankhorst sich dem Container nähert, kommen fünf Männer heraus. „Die gute Frau“, sagt einer. Er lacht, blickt auf seine neue, graue Winterjacke und nimmt einen Lebensmittelgutschein entgegen. „Danke“, sagt er.
Nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe waren in Deutschland im Jahr 2018 678.000 Menschen ohne Wohnung. Der Großteil ist männlich, mehr als 70 Prozent, viele der Betroffenen – mehr als 25 Prozent – haben einen Migrationshintergrund. Übrigens sagen Fachleute immer wieder, dass weibliche Obdachlosigkeit einfach nicht so auffällt. Viele Frauen, heißt es, suchen Unterschlupf bei Bekannten oder auch bei Fremden, die dies nicht unbedingt ohne Gegenleistung tun.
Die statistischen Zahlen lassen sich bei der Verteilaktion fast eins zu eins auf Kleve übertragen. Die meisten angetroffenen Obdachlosen sind männlich, der Großteil ist unter 40. Manche kommen aus Polen oder Russland, manche haben zuvor als Hilfs- oder Leiharbeiter gearbeitet. Einige von ihnen saßen schon einmal in einer Justizvollzugsanstalt. Viele wollen reden, manche nicht. Weil sie sich schämen, weil sie krank sind.
Manuela Bühner-Lankhorst ist das wichtig zu betonen: „Auch Sucht ist eine Krankheit.“ Sie vergleicht sie mit einer Behinderung. „Einem Rollstuhlfahrer wird in der Regel die Tür offengehalten, bei einem Suchtkranken wenden sich die meisten Menschen ab.“ Die Sozialarbeiterin hat genau diese Situation in den vergangenen Tagen erlebt. „Eine junge Frau hat gekrampft, mitten auf einem Supermarktparkplatz, nur eine Person hat geholfen.“
„Sitzt Bombe“, sagt ein schmächtiger junger Mann, als er von Manuela Bühner-Lankhorst eine grüne Steppjacke bekommt. Ein paar Brötchen und Masken nimmt er ebenfalls. Der Mann will reden, erzählt, dass er bald einen Ein-Euro-Job hat, dass er raus aus der Unterkunft und rein in eine eigene Wohnung möchte. Dass das aber auch schwer sei. Weil er mal im Gefängnis gesessen hat und jetzt an der Selfkant wohnt. „Kennst du BeWo?“, fragt Manuela Bühner-Lankhorst. Er soll mal zur Beratung vorbeikommen, sie gibt ihm einen Flyer. Mehr macht sie nicht, denn die Fachfrau weiß: „Sie müssen es wollen, sie müssen mitarbeiten, nur so sind wir langfristig erfolgreich.“